Mittelständler mieten erfolgreiche Wissenschaftler
VDI nachrichten, Regensburg, 26. 5. 06, sta – Drei Chemiker stellen seit elf Jahren ihr Wissen in den Dienst von kleinen und mittleren Unternehmen. Gegen Honorar oder Erfolgsbeteiligung entwickeln sie neue Produkte und Verfahren. Sie liefern die Ideen und kümmern sich auch um deren Umsetzung.
Die (Erfolgs-)Geschichte begann 1995 mit einer Stellenanzeige. Eine Textilfirma suchte einen Chemiker, um neue Färbetechnologien zu entwickeln. Die drei Doktoren der Chemie, Raimund Brotsack, Robert Nusko und Georg Maier, bewarben sich gemeinsam. Sie kannten sich von der Uni Regensburg. An einer Festanstellung waren sie allerdings nicht interessiert. Sie wollten Werbung machen für ihre Geschäftsidee „Rent a scientist“ (RaS). Dabei handelt es sich nicht um eine Zeitarbeitsfirma für hoch Qualifizierte, sondern um einen „wissenschaftlichen Dienstleister“, der im Auftrag Inventionen entwickelt.
Die „Bewerbung“ war erfolgreich. Das Trio bekam seinen ersten Auftrag – und damit erstes Geld. Gestartet war das Unternehmen bei Null. „Von den ersten Erträgen haben wir einen Computer gekauft und dann nach und nach ein Labor zu Hause im Keller eingerichtet“, erinnert sich Brotsack. „Zum Glück haben uns die Professoren, bei denen wir unsere Doktorarbeit gemacht haben, einige Gerätschaften vererbt.“ Bankkredite oder Risikokapitalspritzen wurden den Gründern verwehrt. Die potenziellen Geldgeber wollten firmeneigene Patente sehen. Die RaS-Forscher stellen ihr Wissen aber in den Dienst Dritter. Wenn ein patentiertes Produkt entsteht, behält der Auftraggeber die Rechte. Heute, nach über 500 erfolgreichen Projekten, hat RaS ein glänzendes Renommee – und keinen Bedarf mehr an Geldgebern.
Im Jahr 2000 haben die drei Inhaber, zu denen sich der Diplom-Kaufmann Adi Parzl gesellt hat, RaS in eine GmbH umgewandelt. Seitdem stellen sie im Schnitt zwei Wissenschaftler jährlich ein. Das soll auch 2006 so bleiben. Das Labor ist längst aus dem heimischen Keller in ein Firmengebäude gewandert.
Wenn die RaS-Leute für eine Untersuchung jedoch ganz teure Geräte, wie etwa ein Rasterelektronenmikroskop, brauchen, gehen sie an die kooperierenden Hochschulen. Diese bekommen dann Drittmittel und können ihre Studenten an praktischen Aufgaben forschen lassen. RaS kann so auf ein Experten-Netzwerk von ca. 100 Personen aus verschiedenen naturwissenschaftlichen und technischen Disziplinen zurückgreifen.
Vom Existenzgründer bis zum Großkonzern: Jeder kann sich einen Wissenschaftler mieten. Manche suchen nach neuen Produkten und Verfahren, andere sind hinter branchenfremdem Know-how her. Das Vorgehen aber ist immer das Gleiche: Zunächst wird mit den Mitarbeitern und Führungskräften des Rat suchenden Unternehmens ein Brainstorming veranstaltet. So kommen vielleicht 100 Vorschläge zusammen. Aus denen werden ein paar ausgesucht, die zur Marke bzw. den vorhandenen Kapazitäten passen und zukunftsfähig sind. Im nächsten Schritt werden technische oder betriebswirtschaftliche Machbarkeitsstudien durchgeführt und Prototypen angefertigt. Von 100 Ideen bleiben am Ende eine oder zwei übrig.
Für die mittelständische Firma W. Zimmermann, einen traditionsreichen Garnhersteller, war das Ergebnis dreijähriger Entwicklung ein Gewebe, das elektromagnetische Strahlung wie eine meterdicke Betonwand abschirmt. Das Tuch wird für gewöhnliche Anzugstaschen verwendet – aber auch für Berufskleidung in Sendeanstalten oder für die Isolierung von Kabeln. Ein zweites Produkt aus der Kooperation zwischen W. Zimmermann und RaS ist ein Stoff, der Strom und Daten leiten kann. Im nächsten Jahr soll eine daraus genähte, heizbare Winterjacke auf den Markt kommen.
Die „externe FuE-Abteilung“ verursacht nur so lange Kosten, wie man ihre Dienste beansprucht. Das kann mit einem festen Honorar oder aber durch Erfolgsbeteiligung abgegolten werden. 2005 machten die Erfolgsbeteiligungen an den neuartigen Garnen ca. 30 % am Umsatz von knapp 1 Mio. € aus. Je nach Auftragslage und Vertragsklauseln könne sich der Anteil schnell ändern, sagt Adi Parzl. Die RaS spielt mit dem Gedanken, mittelfristig den Forschungsservice in ein Franchise-System zu überführen. Dann wird vielleicht doch noch Risikokapital nötig. M. JORDANOVA-DUDA
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