Mehr Ruhe in der Traumwohnung
Jeder Schritt lässt in der darunter liegenden Wohnung die Gläser wackeln. Abhilfe schafft nur eine Versteifung der alten Holzbalken, wozu bislang die ganze Decke geöffnet werden musste. Nun gibt es ein neues Verfahren, mit dem alte Decken mit wenig Aufwand saniert werden können.
Die Wohnung ist ein Traum. Ein runder Erker mit Blick auf den Garten, 3,5 m Deckenhöhe, Dielenfußboden – wenn nur die Mieter darüber nicht wären. Jeder ihrer Schritte hallt durch das Wohnzimmer. Wenn die Kinder Fangen spielen, wackelt die Deckenlampe und es klingt, als würde einem eine ganze Fußballmannschaft auf dem Kopf herumturnen: Ein typisches Problem mit alten Holzbalkendecken.
Herkömmliche Sanierungsmaßnahmen, wie schwimmender Estrich statt alter Dielen und eine abgehängte, mit Mineralwolle ausgestopfte Decke statt klassischem Stuck, helfen kaum, weiß Professor Gerhard Berg, Leiter der VMPA-Schallprüfstelle (Verband der Materialprüfanstalten) in Hildesheim. „Bei all diesen Sanierungsmethoden wird auf die armen schwachen Balken immer mehr Last gepackt und insofern hören die Erschütterungen und die Schwingungen nicht auf.“ Teuer saniert, aber nach wie vor zittern die Gläser im Schrank. „Da habe ich mir gesagt, das muss man doch ändern können.“ Sein Konzept: Neue Spannkraft für alte Balken. Doch statt die Decke zu öffnen, die Balken freizulegen und seitlich zu verstärken oder sogar neue Stahlträger einzuziehen, kann man mit seiner Methode von außen arbeiten, um die meist bewohnten Räume nicht in einen Rohbau zu verwandeln. Zunächst müssen die alten Balken in der Decke gefunden werden. Dann werden Holzbohlen mit Stützen unter jeden Balken geklemmt. „Der alte Balken in der Decke trägt die ständige Last und biegt sich ein bisschen durch. Wir drücken ihn jetzt von unten mit einer hydraulischen Presse und dieser Bohle hoch“, erklärt Berg. Als Presse reicht ein Wagenheber, der den Balken spannungsfrei macht. Wenn er sich um ein paar Millimeter gehoben hat, beginnen die Techniker, die Bohle mit einer so genannten schubfesten Schrägverschraubung am Balken zu fixieren. Sie schrauben mit selbstschneidenden Schrauben durch den Deckenputz hindurch. Durch die Verschraubung werden Balken und Bohle zu einer Einheit. Die neue kräftige Bohle übernimmt beim Entfernen der Stütze die Zugspannung der Decke und der Gesamtquerschnitt ist – bei guter Holzqualität der Bohle – doppelt so steif wie vorher. Zwar hängt der versteifte Deckenbalken immer noch ein wenig durch, aber die Last verteilt sich neu. Sind die Balken erfolgreich verstärkt, muss nur noch eine federnd abgehängte Decke darunter montiert werden – und Ruhe kehrt ein. „Bei einer schlechten Ausgangsdecke beträgt die Verbesserung etwa zwölf Dezibel und der Trittschall reduziert sich um etwa 20 Dezibel“, hat Berg gemessen. Da etwa zehn Dezibel einer Halbierung der Lautstärkewahrnehmung entsprechen, bedeutet die Bohlenkonstruktion eine ganz neue Wohnqualität. Anders ausgedrückt: Die Decken erfüllen die Bedingungen für erhöhten Schallschutz – bislang für Holzbalkendecken undenkbar. „Aber besonders wichtig ist“, betont der Schallschutzfachmann, „die Wirkung des schwimmenden Estrichs und der Unterdecke wird größer, weil wir jetzt nicht mehr müde und überlastete Holzbalken haben, sondern eine versteifte Holzbalkendecke. Und damit werden alle Schallschutzmaßnahmen, die bisher auch schon angewendet werden, wirksamer.“ Aber auch ohne Estrich in der oberen Wohnung bringt die neue Decke Erleichterung, so dass für eine Sanierung nicht einmal das Einverständnis der Mitbewohner eingeholt werden muss. Von der Sanierung merken sie nichts außer Bohrgeräuschen. Die Traumwohnung ist dann zwar 8 cm niedriger, aber ruhig. JO SCHILLING
Ein Beitrag von: