Kleines Einmaleins der Lebensversicherer – oder: Warum 4,5 % auch 4,75 % sind
Wie viel eine Lebensversicherung wert ist, weiß man erst bei der Auszahlung des Vertrages am Ende der Laufzeit. Ein Maßstab ist die jährlich von den Lebensversicherungsgesellschaften zu deklarierende Gesamtverzinsung. Die ist auch in Rankings, Ratings und vielen Presseveröffentlichungen als Messlatte beliebt – doch nicht immer wirklich vergleichbar. VDI nachrichten, Düsseldorf, 27. 3. 09, elb
Am Jahresende, spätestens in den ersten Wochen des neuen Jahres, deklarieren die Lebensversicherer die Überschussbeteiligung für das neue Geschäftsjahr. Das ist der Zinssatz, mit dem der Sparanteil einer klassischen Lebens- oder Rentenversicherung in dem Jahr verzinst wird. Dieser Zinssatz, und auch der daraus für den Kunden entstehende Ertrag, kann diesem nicht mehr weggenommen werden. Für 2009 beträgt die laufende Verzinsung einer Erhebung der Ratingagentur Assekurata zufolge über alle Tarifarten 4,26 % (2008: 4,34 %).
Diese laufende Verzinsung setzt sich zusammen aus dem garantierten Rechnungszins, den der Versicherer seinem Kunden bei Vertragsschluss verbindlich zugesagt hat, der Direktgutschrift und dem laufenden Überschusszins. Zusammen mit den Schlussgewinnanteilen, die nicht verbindlich sind, mit sonstigen Gewinnkomponenten und der Beteiligung an stillen Reserven für in dem Jahr fällige Verträge ergibt sich die Gesamtverzinsung.
Hat sich der Kunde erst einmal durch das Wirrwarr dieser oben genannten Begriffe, die teilweise auch noch unterschiedlich verwendet werden, hindurchgearbeitet, zeigt sich, dass sich selbst gleiche Definitionen nicht vergleichen lassen. Der Grund: Die Lebensversicherer dürfen den Zinsträger, also den Sparanteil der Verträge, bei der Berechnung ihrer Überschusszinsanteile selbst bestimmen. „Deklaration ist nicht gleich Deklaration“, kritisiert die Ratingagentur Assekurata daher schon seit Längerem.
Gesetzlich klar definiert ist der Zinsträger nicht, der Gesetzgeber spricht vom so genannten „maßgeblichen Kundenguthaben“. Die Versicherer definieren sich den Zinsträger daher selbst. In einer Marktstudie zeigte Assekurata, dass im Wesentlichen sieben Varianten vorherrschen: Dabei verwendeten von 67 befragten Lebensversicherern sechs Gesellschaften als Zinsträger das auf den Beginn des Versicherungsjahres abdiskontierte Deckungskapital zum Ende des vorangegangenen Versicherungsjahres, elf das Deckungskapital zu Beginn des Versicherungsjahres (ohne Sparprämie), sieben den mit einem Rechnungszins um ein halbes Jahr abgezinste Mittelwert des Deckungskapitals, sechs den Mittelwert des Deckungskapitals, 15 das abgezinste Deckungskapital am Ende des Jahres, vier das Deckungskapital am Ende des beginnenden Versicherungsjahres und eine Gesellschaft das Bilanzdeckungskapital am Ende des Vorjahres zuzüglich der Sparprämie. Damit nicht genug: 17 Gesellschaften rechneten nach ganz anderen Maßstäben.
Je zeitnäher der Zinsträger vom Unternehmen gewählt wird, desto höher ist im Normalfall die Summe, auf die die Zinsen gezahlt werden. 4,5 % Zinsen auf einen zeitnahen Zinsträger können beispielsweise genau so viel Ertrag bringen wie 4,75 % auf einen zeitfernen Zinsträger.
Wie groß die Unterschiede am Markt sind, zeigt die Studie beim Vergleich der jeweils vom Versicherer ausgewiesenen „individuellen Verzinsung“ mit einer so genannten „normierten Verzinsung“. Im Durchschnitt erreichte diese individuelle Verzinsung 4,37 %. Die normierte Verzinsung kam hingegen nur auf 4,17 %. Durchschnittlich rechneten sich die Gesellschaften also um 20 Basispunkte schöner – im Extremfall waren es gar bis zu 47 Punkte. Konkret waren die Zinssätze so bei 31 Gesellschaften optisch besser als in Wirklichkeit. Dabei können die Abweichungen sogar noch größer ausfallen: Nämlich dann, wenn weitere Überschusskomponenten – wie Kosten, Schlussgewinn und Beteiligung an den stillen Reserven – eingerechnet werden, was in dieser Untersuchung nicht vorgenommen wurde. Denn auch bei diesen Faktoren darf die Bezugsgröße frei gewählt werden.
Versicherer errechnet für die Ablaufleistung mehrere Szenarien
Der mangelnden Transparenz ist sich die Branche durchaus bewusst. So räumt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) auf Nachfrage ein: „Richtig ist, dass der Ausweis der Überschussbeteiligung von den Versicherern unternehmensspezifisch vorgenommen wird, und dabei unterschiedliche Bezugsgrößen für die Zinsüberschussbeteiligung verwendet werden. Dies begründet sich vor allem durch die am Versicherungsmarkt traditionell unterschiedlich gewachsenen Überschussbeteiligungssysteme.“
Der Verband empfiehlt den Blick auf die Beispielrechnungen bei Vertragsabschluss. Dort müssen die Lebensversicherer auf Grundlage ihrer aktuellen Deklaration mehrere Szenarien für die Ablaufleistung errechnen.
MONIKA LIER
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