Gute Chancen für Konstrukteure mit Software-Know-how
Maschinenbau-Ingenieure mit Software-Kenntnissen können heute oft unter mehreren Stellenangeboten auswählen.
Bernd Richter kann nicht genug bekommen. „Mehr Leistung“, fordert der Leiter der Abteilung Berechnungsmethoden bei VW in Wolfsburg immer wieder von seinen Computerlieferanten. Egal ob Crashsimulationen, Karosserieberechnungen oder Umformsimulation: Kein Schritt in der Entwicklung eines Autos kommt mehr ohne leistungsstarke Rechner aus, die immer ausgefeiltere Konstruktions- und Simulationsprogramme antreiben.
Das Ziel ist die „durchgehende Digitalisierung der Produkt-Entstehung“, wie Frank-Lothar Krause es umschreibt, Direktor des Bereichs Virtuelle Produktentwicklung am Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) in Berlin. Krause: „Spätestens in 30 Jahren wird in der Konstruktion niemand mehr mit Stift und Lineal arbeiten.“
Das Herzstück der digitalen Produkt-Entstehung sind die CAD-Systeme, an denen Ingenieure einzelne Bauteile, wie Radaufhängungen, Lager und Karosserieteile entwerfen. Hier wird das Bild erzeugt, mit dessen Daten dann Berechnungen der statischen und dynamischen Haltbarkeit durchgeführt werden. Anschließend lässt sich prüfen, ob die Einzelteile sich miteinander montieren lassen (Digital Mock Up) und ob die einzelnen Baugruppen richtig zusammenspielen. Crashtests können sich anschließen, und auch in Produktions- und Montageplanung fließen die Daten ein.
Triebfeder dieser Entwicklung ist der Wunsch nach noch kürzeren Zeiten von der Planung bis zum Verkauf eines Produktes. „Darum werden die Konstrukteure in Zukunft immer stärker über elektronische Medien miteinander zusammenarbeiten“, spinnt Krause den Gedanken der digitalen Konstruktion weiter. Und durch die veränderten Hilfsmittel änderten sich nicht nur die Arbeitsweisen in der Konstruktion, sondern auch die Anforderungen an die Konstrukteure. Die Industrie sucht heute Leute, bei denen zu einem fundierten Wissen in der Konstruktion Grundkenntnisse in der Anwendung und Programmierung von Konstruktionssoftware kommen.
Für sie gibt es verschiedene neue Aufgaben: in den Betrieben genau wie in den Firmen, welche die Programme entwickeln. „Wir suchen für die Entwicklung von Standardsoftware nicht nur Informatiker, sondern auch Konstruktions-Ingenieure“, sagt Anja Pfeiffer, Personalreferentin der Zenit AG Systemhaus in Stuttgart. Denn wer die Konstruktions-Programme entwickelt, sollte auch wissen, welche Funktionen die Konstrukteure brauchen. Gefragt sind vor allem Absolventen, die schon im Studium kleinere Programme geschrieben haben und Sprachen wie C, C++ oder Java anwenden können. Alles weitere bringt Zenit seinen Mitarbeitern in den ersten drei bis sechs Monaten per Schulung und Projektarbeiten bei.
Auch die Anwender suchen Konstrukteure mit Kenntnissen in der Informatik. Allerdings sieht Bernd Richter von VW in Wolfsburg deren Aufgabe nicht darin, eigene Software in der Konstruktion zu programmieren. „Wir sind nicht dazu da, Software zu entwickeln, sondern Fahrzeuge.“ Statt dessen suchen die Mitarbeiter seiner Abteilung Berechnungsmethoden die notwendige Software und die Rechner zusammen mit den Ingenieuren in der Konstruktion aus. Sie testen die Leistungsfähigkeit der Programme auf verschiedenen Rechnersystemen und überprüfen die Schnittstellen zu den vorhandenen Programmwelten. Gewünschte Qualifikation: vor allem solide Konstruktionskenntnisse. Die notwendigen Informatikkenntnisse werden in Schulungen vermittelt.
Schutz vor der Wahl einer falschen Software
Wer sich nicht direkt bei einem Softwarehersteller eine Stelle sucht, wird in seinem Berufsleben kaum noch programmieren. „Wir wollen vor allem fertige Standards nutzen und so wenig wie möglich selbst machen“, sagt auch Heinrich Wohlleber, Personalleiter für den Bereich Steuer- und Regelsysteme bei der Mannesmann VDO AG, die in Schwalbach Steuerungen und Regelungen für Pkw und Lkw entwickelt. Eigene Programme als Erweiterung von Standardsoftware sollten nur ausnahmsweise geschrieben werden. Denn die Eigenentwicklungen können oft nur von den Leuten genutzt werden, die sie geschrieben haben. Außerdem sei nicht sicher, dass sie auch nach dem Update der Basissoftware noch funktionieren.
Dennoch hat Mannesmann VDO eine eigene Abteilung „CAD Betreuung“. „Da arbeiten Konstrukteure und Informatiker, die eine Brücke zwischen den Anwendern und ihrer Software schlagen“, sagt Wohlleber. 25 Mitarbeiter sind dafür zuständig, neue Software zu testen und zu installieren, die Konstrukteure per Telefon zu unterstützen, wenn sie mit einer CAD-Anwendungen ein Problem haben und Schulungen im Betrieb durchzuführen.
Neben diesen internen Funktionen arbeiten die EDV-Betreuer mit den Herstellern der Software zusammen, um die Anforderungen der eigenen Konstrukteure zu formulieren. Und um eine reibungslose Zusammenarbeit mit den Automobilherstellern zu gewährleisten, konvertieren sie die in der Produktentwicklung erzeugten Daten für die fremden Computersysteme. Denn in der Entwicklung (Autos, Züge und Flugzeuge) setzen die meisten Firmen auf die CAD-Software verschiedener Hersteller.
„Alle großen Firmen haben unterschiedliche CAD-Welten und die Zulieferer müssen ihre Daten daran anpassen“, sagt Sandor Vajna, Professor für Maschinenbauinformatik an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und Leiter der Gruppe „Informationsverarbeitung in der Produktentwicklung“ der VDI-Gesellschaft EKV. Absolventen mit guten CAD-Kenntnissen würden aber nicht nur gebraucht, um die Schnittstellen zu überwinden. „Die Studenten müssen viele verschiedene CAD-Systeme im Studium kennen lernen, damit sie diese Technik später optimal in der Produktentwicklung einsetzen können“, sagt Vajna.
Der Einsatz der mächtigen Softwarepakete kranke oft daran, dass die Anwender in kleinen und mittleren Betrieben nicht wissen, welche Programme für welche Probleme am besten geeignet sind. Dadurch würden falsche Programme eingesetzt oder die vorhandenen Programme nicht richtig ausgenutzt. Vajna: „Das ist so, als würde jemand die Tabellenkalkulation Excel nur für Additionen benutzen.“
Für Absolventen mit guten Softwarekenntnissen, Studenten der Informationstechnik im Maschinenwesen und seine Studenten der Maschinenbauinformatik sieht Vajna daher gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Zwar weiß niemand, wie viele Ingenieure auf der Schnittstelle zwischen Produktentwicklung und Informatik in Deutschland arbeiten. Doch offene Stellen scheint es genug zu geben. „Unsere Abgänger können sich ihre Stelle meist unter fünf Angeboten aussuchen“, sagt Vajna MARCUS FRANKEN
Krause: Die Zeit, in der mit Stift und Lineal konstruiert wurde, neigt sich dem Ende zu.
Ein futuristischer Anblick: Eine sogenannte Workbench für virtuelle Konstruktionen.
Ein Beitrag von: