Fehlende Sprachkenntnisse sind ein K.o.-Kriterium
Das sind typische Merkmale für Ingenieure, an denen der Arbeitsmarkt für Ingenieure trotz allseits proklamierten Fachkräftemangels scheinbar spurlos vorbeizieht. Häufig haben die Problemgruppen fachliche und vor allem sprachliche Defizite.
Andrea Altmann heißt in Wirklichkeit anders. Dass sie knapp über 50 Jahre alt ist und in der ehemaligen DDR Maschinenbau studiert hat, stimmt allerdings. Anschließend arbeitete sie zwölf Jahre im Werkzeugbau und in der Konstruktion. Doch gleich nach der Wende wurde der Betrieb abgewickelt.
„Ich war die Vorletzte, die ging“, sagt sie mit Wehmut in der Stimme. Aus Mangel an beruflichen Perspektiven zog sie gleich nach den Wende in den Westen, ihr Studienabschluss aus dem Osten wurde anerkannt. Nun trägt sie den Titel Diplom-Ingenieur (FH). „Bei der Jobsuche hat mir das nicht geholfen“, erinnert sie sich und gibt offen zu: Wir haben am Reißbrett konstruiert, während hier CAD-Programme schon längst Standard waren.“ Fachlicher Anspruch der Unternehmen und persönliche Fähigkeiten der Bewerberin passten nicht zusammen.
So nahm sie an einer CAD-Weiterbildung teil, gefördert von der Bundesagentur für Arbeit, bei der sich Andrea Altmann arbeitslos gemeldet hatte. Das war 1992. Daraufhin fand sie einen Job, arbeitete vier Jahre, dann machte auch dieser Betrieb dicht. Es folgte wieder eine CAD-Schulung, daraufhin fand sie einen Arbeitsplatz bei einem Ingenieur-Dienstleister. „Zeitarbeitsunternehmen haben kein Problem damit, wenn man eine Frau ist und um die 50. Bei vielen Personalchefs in herkömmlichen Firmen ist das ein Manko und man bekommt nicht einmal die Chance auf ein Vorstellungsgespräch“, berichtet sie aus eigener Erfahrung.
Alter und Geschlecht sind zwei der wesentlichen Ausschlusskriterien für Arbeitgeber, ein Migrationshintergrund der dritte.
Doch das zu sagen, davor scheuen sich viele, seit das Gleichbehandlungsgesetz in Deutschland gilt. Es ist im August 2006 in Kraft getreten. Auch Oleg Böhmer heißt in Wirklichkeit anderes. Aber auch ihn gibt es, allerdings unter einem anderen Namen.
Der 56-Jährige stammt aus der Ukraine und hat an einer Universität im ehemaligen Russland Hüttenwesen studiert und als Ingenieur abgeschlossen. „25 Jahre Berufserfahrung hatte ich auf dem Buckel, als ich wegen der Perestroika meinen Job verlor und deshalb mit meiner Familie nach Deutschland übersiedelte“, berichtet er. Er fand keinen Job, weil seine Fachrichtung hierzulande nicht sonderlich gefragt ist und er zu alt, so seine Meinung. Seine Frau, eine studierte Informatikerin, hatte es deutlich einfacher: Sie konnte aus mehreren Angeboten auswählen. „Ich kenne mehrere Landsleute, die Ingenieure sind und hier keine Anstellung bekommen“, sagt Böhmer. Der Grund sei trivial: Es sind vor allem die mangelnden Deutsch- und Englischkenntnisse.
Deshalb besuchte Böhmer eine Sprachschule und orientierte sich zugleich fachlich um, vom Hüttenwesen hin zur Konstruktion. In einer ebenfalls staatlich geförderten Maßnahme qualifizierte er sich zum Spezialisten für das Konstruktionsprogramm ProEngineer – und landete nach ebenfalls einer Zwischenstation und weiterem staatlich finanzierten CAD-Seminar beim selben Unternehmen wie Andrea Altmann, der Expectra Deutschland GmbH mit Zentrale in Deutschland und mehreren Standorten deutschaland- und europaweit. Das Unternehmen schult im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit Arbeitslose in ProEngineer und Catia.
Derzeit nehmen rund 60 Ingenieure an solchen Veranstaltungen in mehreren Städten Deutschlands teil, darunter Bielefeld, Hamburg und Stuttgart. „Nach erfolgreichem Abschluss finden drei Viertel der Teilnehmer innerhalb weniger Wochen einen Job. Einen Teil der Absolventen stellen wir selbst ein, wenn wir gerade Bedarf haben“, sagt Norbert Heinicke. Der Maschinenbau-Ingenieur ist Geschäftsführer von Expectra Deutschland, und Ingenieur-Dienstleistungen sind das erste Standbein des Unternehmens.
„Weil Ingenieure insbesondere für die Konstruktion mit den Programmen Catia und ProEngineer aktuell gesucht sind, ist es meist kein Problem, dass die Teilnehmer nach erfolgreichem Abschluss einen Arbeitsplatz finden“, ist Heinickes Erfahrung. Allerdings würden die Unternehmen überwiegend super ausgebildete, junge Ingenieure mit praktischer Erfahrung vorrangig einstellen.
„Weibliche Ingenieure, Wiedereinsteiger oder mit Migrationshintergrund haben es deutlich schwerer“, weiß er aus der Erfahrung. Dabei hat der Verein Deutscher Ingenieure im August 2008 rund 97 000 offene Ingenieurstellen beklagt.
Dieser von der Industrie beklagte Mangel ist aber nach der Erfahrung von Expectra und anderen kein Grund dafür, dass die Unternehmen Ingenieure einstellen, die nicht optimal passen und in die eventuell in Weiterbildung investiert werden müsste.
Wie wenig beliebt Ingenieure aus Ost-Europa und dem ehemaligen Russland in Deutschland sind, zeigt eine Zahl der Bundesagentur für Arbeit: Seit dem vergangenen November wurden exakt 131 Arbeitsgenehmigungen ohne Vorrangigkeitsprüfung für Ingenieure erteilt.
Dabei handelt es sich nicht um Migranten, die auf Dauer in Deutschland leben wollen, sondern um ausländische Arbeitnehmer, die in Deutschland lediglich eine Beschäftigung suchen. Zur Erinnerung: Seit November 2007 dürfen Maschinenbau- und Elektroingenieure aus den zwölf neuen EU-Staaten ohne den bürokratischen Akt der so genannten Vorrangigkeitsprüfung eingestellt werden. Vorher war das nur möglich, wenn weder ein Deutscher noch ein anderer EU-Bürger für den Job zu finden war.
„Vor dem Hintergrund, dass es im Laufe des Jahres 2007 rund 9100 offene Stellen für Elektroingenieure und doppelt so viele für Maschinenbauingenieure gab, ist die Zahl wohl eher gering“, urteilt Judith Wühllerich aus der Arbeitsmarktberichterstattung der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Sie begründet es damit, dass „viele Fachleute auch in ihren Heimatländern gefragt, gut bezahlt und dort auch verwurzelt sind“. „Polnische Ingenieure sind genau so wenig mobil wie ihre deutschen Kollegen“, weiß Hans-Peter Kleitsch. Er ist Personalchef der MTU Aero Engines in München. Das Unternehmen entwickelt und fertigt Triebwerke für Flugzeuge – und ab 2009 wird MTU in Polen Flugzeugtriebwerke produzieren. Mehrere hundert Mitarbeiter wird das Unternehmen einstellen. Von denen soll jeder Zehnte ein Ingenieur sein. Kleitsch ist davon überzeugt, nicht nur genügend Mitarbeiter zu finden, sondern, dass sie auch noch gute Qualität abliefern werden. Und das bei wohl deutlich niedrigeren Gehältern als in Deutschland.
Einen Mitarbeitertourismus zwischen den Ländern lehnt er für MTU jedenfalls völlig ab. Deshalb werden die für Polen eingestellten Ingenieure nur zur Ausbildung für einige Monate nach München kommen, dann zurückgehen. PETER ILG
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