Globalisierung 08.05.2009, 19:41 Uhr

„Trend zu Subventionen und Importzöllen bedroht die Globalisierung“  

Leere Container im Hafen, Schiffe auf der Reede, Autos auf Halde: Wie abhängig Exportweltmeister Deutschland vom Ausland ist, wird in diesen Wochen deutlich. Überschätzen Ökonomen die Vorteile der Globalisierung? Hat freier Welthandel eine Zukunft? Fragen an Rolf Langhammer, Vizepräsident des Instituts für Weltwirtschaft Kiel und einer der führenden Welthandelsexperten. VDI nachrichten, Düsseldorf, 8. 5. 09, ps

Langhammer: Nein, Deutschland wird die Dynamik des Weltmarktes nie durch eine Dynamik des nationalen Marktes ersetzen können. Dafür ist unser Land schlicht zu klein und unsere Bevölkerung im demografischen Sinn zu alt. Dynamisches Wachstum kann in einer reifen Volkswirtschaft wie der unseren nicht aus dem Binnenmarkt, sondern nur von außen kommen.

Die Offenheit hat aber auch Kehrseiten. Angesichts des lauffeuerartigen Flächenbrands stehen Ökonomen unter Erklärungsdruck: Haben Sie die Vorteile der Globalisierung überschätzt?

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Nein, überschätzt wurden die Beherrschbarkeit der Risiken, die von den neuen Finanzmarktprodukten ausgingen, und die Qualität der Finanzmarktregulierung. Beide waren im Nachhinein völlig unzureichend, in den USA wie in Europa.

Alle zeigen mit dem Finger auf die Finanzmärkte. Gibt es nicht auch Mängel auf den immer stärker globalisierten Gütermärkten, die die Weltwirtschaftskrise mit verursacht haben?

Natürlich gibt es diese Mängel, das sind die Hindernisse für den freien Handel wie Zölle oder Subventionen. Die Krise ist aber nicht das Resultat dieser protektionistischen Reste im Welthandel.

Diese Handelshindernisse abzubauen, hat die Welthandelsorganisation WTO zum besten Rezept erklärt, um aus der Krise wieder herauszukommen. Verhalten sich die Staaten dementsprechend?

Leider ganz im Gegenteil. Wir beobachten seit November, dass die Industrieländer ihre Schlüsselindustrien subventionieren und Schwellenländer ihre Zölle erhöhen. Das bedroht die Globalisierungsfortschritte der vergangenen Jahre.

Gibt es gegen diesen Protektionismus nicht bereits internationale Regeln?

Ja, aber die greifen nicht. In den guten Jahren der Globalisierung haben viele Länder ihre Zölle stärker gesenkt, als sie dazu verpflichtet waren. Es gibt daher eine Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen Protektionsniveau, das häufig niedrig ist, und dem laut Regelwerk gestatteten, das viel höher liegt.

Brasilien beispielsweise hat derzeit ein Zollniveau von durchschnittlich 13 % – das letzte WTO-Abkommen aus den 90er-Jahren gestattet dem Land aber 30 %. Viele Länder könnten dadurch ihre Zölle auf Importe leicht mehr als verdoppeln, ohne irgendeine Regel zu verletzen. Einige Schwellenländer machen davon schon Gebrauch. Das ist ein Riesenproblem.

Die Industrieländer erhöhen ihrerseits die Hilfen für ihre Unternehmen. Hat die WTO die geeigneten Instrumente, den Subventionswettlauf zu stoppen?

Das ist eine Schwäche im Regelwerk. Nur Subventionen, die nachweisbar den Handel verzerren, können zurzeit geahndet werden. Der Nachweis ist aber im Einzelfall sehr schwierig, vor allem wenn die Subventionen nicht direkt zur Verbilligung von Exporten, sondern für die heimische Produktion gezahlt werden.

Angenommen, Opel bekommt Steuergeld: Wie stark wird das den Auto-Außenhandel verzerren? Oder im Fall der USA, die behaupten, ihre Stützen für die Baumwollindustrie seien nicht handelsverzerrend, weil es keine Exportsubventionen sind. Das ist sehr fadenscheinig, aber schwer zu widerlegen. Hinzu kommt, dass bei ärmeren Ländern und deren Subventionen oft beide Augen zugedrückt werden, also keine Klagen bei der WTO eingereicht werden. So entsteht keine weltweite Regeldisziplin für Subventionen.

Um derartige Regellücken geht es in der aktuellen WTO-Welthandelsrunde. Auf ihrem Krisengipfel im April verkündeten die G20-Staaten, wieder Schwung in die Freihandelsgespräche zu bringen, die sich seit 2001 dahinschleppen. Wie stehen die Erfolgsaussichten?

Ich sehe nicht, dass den G20-Appellen Taten folgen. Die Willenserklärungen zur Doha-Runde sind in vielen Fällen Lippenbekenntnisse. Diese Liberalisierungsrunde ist – gemessen am derzeitigen Zustand der Weltwirtschaft – wahrscheinlich zu ambitioniert. Es wäre besser, eine neue Runde mit einem viel bescheideneren Ziel zu beginnen, z. B. mit der Festschreibung des derzeitigen Niveaus des Marktzugangs.

Sie empfehlen, die siebenjährigen Verhandlungen der Doha-Welthandelsrunde abzubrechen?

Ich rechne nicht mit einem Abschluss der Verhandlungen. Die Runde hat zu viele Baustellen. Zu den drei großen Blöcken Industrie-, Agrargüter und Dienstleistungen kommen jede Menge kleinere Themen, und es gilt das Prinzip: Nichts ist entschieden, bevor nicht alles entschieden ist. Ein Land und ein Thema kann daher alles blockieren.

Indien z. B. ließ das letzte Treffen wegen Agrarfragen scheitern. Ich sehe nicht, wieso gerade jetzt, wo die Agrarpreise sinken und sich die Bauern beklagen, es zu größeren Zugeständnissen im Agrarsektor kommen soll als damals. Länder wie Indien haben viel größere Interessen in der Landwirtschaft als wir.

Stattdessen befürworten Sie eine Art Welthandelsabkommen light?

Ja, denn ich wäre schon froh, wenn die Industrieländer die Subventionen für ihre nationalen Schlüsselindustrien einstellen und die Schwellenländer nicht ihre Importzölle auf das zulässige Maß erhöhen würden. Beide verzerren die Wettbewerbschancen zulasten ausländischer Konkurrenz. Diese Punkte sollten vertraglich fixiert werden.

Schon auf dem ersten Treffen im Herbst beschworen die G20-Politiker den freien Handel. Seitdem haben 17 der 20 handelsbeschränkende Maßnahmen ergriffen. China hat beispielsweise Einfuhrvorschriften für Lebensmittel verschärft, während die EU Exporthilfen für Milchprodukte wieder eingeführt hat. Wie kommt es zu dieser Diskrepanz zwischen öffentlichem Bekenntnis und praktischem Tun?

Diese Diskrepanz ist möglich, weil die Politik die einzelnen Maßnahmen nicht mit dem Schutz einheimischer Hersteller begründet, sondern mit anderen Begründungen verteidigt. Keiner gibt zu, dass er nur seine Industrie schützen will. Konjunktur hat derzeit z. B. der Schutz der Konsumenten vor gesundheitsgefährdenden Produkten.

Was ist verwerflich an der Abwehr schädlicher Produkte?

Sie mag im Einzelfall gerechtfertigt sein, man denke an das Spielzeug aus China. Aber in vielen Fällen wird die Gefahr übertrieben – und dahinter stecken Anbieterinteressen. Thailand hat beispielsweise mal vor der WTO eine schwere Niederlage einstecken müssen, als es Zigarettenimporte aus Gesundheitsgründen verbieten wollte, die heimische Zigarettenproduktion aber völlig unangetastet weiterlaufen ließ.

Statt auf die Handelserleichterungen für alle zu warten, schließen exportorientierte Länder seit einigen Jahren untereinander Sonderabkommen ab. Die EU verhandelt gerade mit mehreren Ländern. Ist dies ein Ausweg aus der WTO-Blockade?

Die Regionalabkommen sind kein Teil der Lösung, sondern des Problems. Sie stellen die größte Disziplinlosigkeit des Regelwerks dar. Diese Abkommen, von denen es inzwischen rund 300 gibt, basieren auf einer Ausnahmeregel, die exzessiv ausgelegt wird. Die meisten verfehlen das Ziel einer kompletten und vollständigen Zoll- und Handelsunion, sind stattdessen gespickt mit Sonderregeln, Ausnahmen und Beschränkungen. Sie verletzen allesamt das WTO-Prinzip der Meistbegünstigung, also der Vorteilsgewährung nicht für wenige, sondern für alle.

Japan hat beispielsweise ein Abkommen mit Thailand über den zollfreien Import japanischer Autos geschlossen. Das bringt für die deutschen Montagefabriken in Thailand, die Autos zusammensetzen, erhebliche Nachteile. Ihre Autos sind nicht mehr wettbewerbsfähig. Die WTO hat keine Möglichkeit, diese Abkommen zu verbieten oder auch nur zu prüfen.

Wie verhält sich die Bundesregierung im Welthandelspoker? Das Thema Welthandel spielt zumindest in politischen Debatten des mehrmaligen Exportweltmeisters Deutschland eine merkwürdig kleine Rolle.

In der Tat verhält sich die deutsche Regierung in Sachen freier Handel defensiv und zeigt nicht eindeutig Flagge. Das Bundeswirtschaftsministerium ist zwar zuständig für dieses Politikfeld, davon merkt man aber kaum etwas. Über ihre Ziele in der Handelspolitik äußerst sich die Regierung in der Öffentlichkeit sehr zurückhaltend – und wenn, dann allenfalls mit dem Ansinnen, Absatzmärkte für deutsche Industrien öffnen zu wollen.

Die Öffnung des hiesigen Marktes, die für die Konsumenten und die Innovationskraft der Unternehmen mindestens genau so wichtig ist, kommt dabei viel zu kurz. Es fehlt so etwas wie ein Außenhandelsbeauftragter im Kanzleramt, der diesem Politikfeld mehr Durchschlagskraft verleihen könnte, so wie es ursprünglich in den Koalitionsverhandlungen erörtert worden war.

Die Lobbytätigkeit vieler Industrien wäre weniger erfolgreich, wenn die staatliche Rettung ganzer Branchen – z. B. der Autoindustrie – nicht populär bei vielen Wählern wäre. Warum ist Protektionismus populär?

Protektionismus stößt häufig auf latente Zustimmung, weil die Kosten und die Gewinne asymmetrisch verteilt sind. Der Konsument sieht nicht, dass es sich bei Protektionismus um eine Besteuerung seines Einkommens handelt, weil die Pro-Kopf-Beträge im Dunkeln bleiben – und der Konsument hat keine Lobby. Der heimische Produzent kann sich dagegen – häufig im Schulterschluss mit den Gewerkschaften – durchsetzen, weil er mit Arbeitsplatzverlusten drohen kann.

Das zeigt sich an Ministerpräsidenten wie Rüttgers, Koch und Althaus, in deren Ländern Opel Standorte hat. Die sind alle sehr dafür, dass dem Unternehmen geholfen wird. Die Argumentation mit diesen auf dem Spiel stehenden Arbeitseinkommen zieht auf dem politischen Marktplatz, wo über Subventionen entschieden wird, eher als die geschädigten Konsumenteneinkommen. Nach Schätzungen verlieren in den USA Leute mit Niedrigeinkommen rund 3 % davon durch amerikanischen Protektionismus im Konsumgüterbereich.

Ein Abschluss der kompletten Doha-Runde würde die WTO-Staaten um 150 Mrd. $ Zolleinnahmen im Jahr bringen. Warum sollten die hochverschuldeten Finanzminister ausgerechnet jetzt darauf verzichten?

Die Zolleinnahmen spielen für die Finanzierung der Budgets der Industriestaaten keine Rolle mehr – das sind Peanuts. Sie entsprechen in Deutschland nicht einmal 1 % der gesamten Steuereinnahmen. Bei den ärmsten Staaten sieht das anders aus. Sie sind mangels anderer Steuern auf die Zolleinkünfte angewiesen. Bei einem Verzicht auf Zölle würden die ärmsten Länder aber eine Kompensation verlangen und auch erhalten. Das fiskalische Interesse ist daher kein Hindernis für eine Einigung auf mehr freien Handel.

Vereinbart haben die G20 immerhin, in den beiden nächsten Jahren 250 Mrd. $ für die Finanzierung des Welthandels auszugeben. Wieso ist „Aid for Trade“, sind Subventionen für Handel nötig?

Leider hat sich vor allem für ärmere Länder die Finanzierung des Handels – z. B. durch Vorfinanzierungen oder Bankgarantien – erheblich verteuert, weil die Finanzmärkte in ihrer Risikoscheu jetzt deutlich übertreiben. Die hohen Zuschläge wirken verheerend, weil viele Exporteure nicht mehr exportieren können. Hier sind Liquiditätshilfen vorübergehend angebracht.

Wird die Finanzmarktkrise den Außenhandel dauerhaft beeinträchtigen?

Ich vermute, dass der Außenhandel indirekt von der strengeren Regulierung des Finanzmarkts betroffen sein wird. Wenn die Finanzmarktakteure, die sich im Ausland die Finger verbrannt haben, sich stärker auf ihre Heimatmärkte konzentrieren und damit de facto deglobalisieren, dann wird Außenhandel teurer werden. Die exportierenden Anbieter müssen dann für Auslandsgeschäfte Risikozuschläge zahlen, damit sind die heimischen Güteranbieter de facto im Vorteil. Durch die Finanzmarktregulierung werden aber in erster Linie die Finanzmärkte schrumpfen, nicht so sehr der Welthandel. THILO GROSSER

 

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