Das läuft: Ultraschall ermittelt Bierstand
Sie entwickelten eine Systemlösung für die Messung des Durchflusses in Schankanlagen – bei gleichzeitig höchsten Hygienestandards.
Wie peinlich: Der Wirt versucht schnell ein paar Biere zu zapfen – und heraus kommt nichts als Schaum. Thomas Will und Martin Deutscher haben die Lösung: „Flowmax“ heißt das Produkt der beiden Existenzgründer, das nun den ersten Riesen-Praxis-Test bestanden hat: In Europas modernstem Fußballstadion, „Auf Schalke“. In der multifunktionalen Arena wurden 124 Durchflussmesser montiert, die ihre Daten an acht Auswerte- und Verwaltungseinheiten senden. Die Catering-Abteilung wird in Echtzeit informiert, wie viel „Flüssig-Brot“ jeder der 32 Kioske verkauft.
Als Thomas Will und Martin Deutscher 1999 die Messtechnik- und Industrieberatung GmbH (mib) in Ihringen bei Freiburg gründeten, wollten sie eine Marktlücke schließen: Kostengünstige Systemlösungen für die Messung des Durchflusses in Schankanlagen zu bieten und gleichzeitig höchsten Hygienestandards zu genügen. Denn das war genau das, was sie bei ihrem vorherigen Job im Produktmarketing bei Endress & Hauser Deutschland in Gesprächen mit Kunden aus der Lebensmittelbranche immer wieder hörten.
„Wir konnten unseren damaligen Arbeitgeber nicht von diesem Segment überzeugen, haben aber einen attraktiven Markt gesehen“, so Martin Deutscher, der als Elektrotechniker noch ein VWA-Studium in BWL aufgesattelt hat. Zusammen mit seinem Kollegen Thomas Will, Diplom-Ingenieur Nachrichtentechnik und Diplom-Betriebswirt, sah er die Chance, den Traum eines eigenen Unternehmens zu verwirklichen.
Mit ihrem technischen und kaufmännischen Know-how hatten sie die besten Voraussetzungen – und auch eine zündende Idee: Ultraschall-Messtechnik, die dafür sorgt, dass der Volumenstrom in den Rohrleitungen von außen, ohne Berührung, ermittelt werden kann. Ein Pluspunkt gegenüber herkömmlichen „Wasseruhren“: Es gibt keine Turbinenräder oder andere bewegte Teile mit Ecken und Kanten, an denen sich Ablagerungen bilden können. Das Messgerät ist vergleichbar mit einem Schlauch – verhält sich daher wie die Rohrleitung – und kann problemlos mitgereinigt werden. „Wir mussten gleich mehrere Anforderungen erfüllen: Zum einen sollte das Verfahren absolut hygienisch sein, zum anderen wartungsfrei und sehr leicht selbst zu säubern. Außerdem wollten wir ein Gerät anbieten, das nach dem Prinzip ‚plug and play’ funktioniert“, so der 36-jährige Thomas Will.
„Flowmax“ arbeitet mit dem so genannten Laufzeit-Differenzverfahren. Dahinter steht eine einfache physikalische Tatsache: Schwimmt man durch einen Fluss mit der Strömung, geht’s schneller, gegen die Strömung dauert’s länger und braucht mehr Kraft. Hier empfangen nun zwei gegenüberliegende Sensoren wechselweise Ultraschallsignale, deren „Laufzeit“ sich bei „stehendem Bier“ auf dem Hin- und Rückweg nicht unterscheidet. Anders ist es hingegen, wenn gezapft wird: Dann gibt es eben jene Laufzeitdifferenz, die proportional zur Fließgeschwindigkeit ist. Die Menge, die durchläuft, wird aus dieser Geschwindigkeit und dem Querschnitt der Leitung berechnet.
Als i-Tüpfelchen gehört die Auswertungs- und Verwertungseinheit Flowview dazu, an die bis zu zehn Durchlaufmesser angeschlossen werden können. Damit können die Daten visualisiert und mittels einer speziellen Software auf einen Computer oder gar auf“s Laptop übertragen und ausgewertet werden. So kann beispielsweise ein Gastronom, der vier Kneipen hat, ständig den Verbrauch – und somit auch den Umsatz – im Blick behalten und die Logistik planen.
Um ganz sicher zu gehen, nicht aufs falsche Pferd zu setzen, gaben die beiden Geschäftsführer vorm Startschuss eine Machbarkeitsstudie beim Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik in Auftrag. Als die dortigen Forscher bestätigten, dass der präzisen Messung auch kleiner Durchflussmengen per Ultraschall nichts entgegenstünde, ging’s los. Auf Basis einer Marktanalyse entstand das „Pflichtenheft“ mit allen Anforderungen, das dann an ein technisches Partnerunternehmen weitergereicht wurde, mit der der „Hightech-Max“ dann gemeinsam entwickelt wurde. Rund zwei Jahre dauerte es, bis das erste verkaufsfertige Produkt auf dem Tisch stand.
„Wir sind wie die Spinne im Netz“, so Martin Deutscher. Der 37-Jährige, der seinen Schwerpunkt im Vertrieb hat, steht in ständigem Kontakt zu potenziellen Kunden, das sind in erster Linie Hersteller von Schankanlagen. Aber auch der Draht zu deren Betreibern ist wichtig, um am Puls der Zeit zu bleiben und Kundenwünsche einzubeziehen. Auf der anderen Seite gilt es, die Produktion und technische Weiterentwicklung mit den Partnerunternehmen zu organisieren – eine Aufgabe, die Thomas Will federführend betreut. „Martin Deutscher und ich ergänzen uns hervorragend, aber in einem kleinen, flexiblen Unternehmen muss jeder letztendlich alles können und machen“, sagt der Ingenieur.
„Man muss einmal mehr aufstehen, als man hinfällt“ oder „Durchhalten wird belohnt, nicht das Anfangen“ – das sind zwei Leitsprüche der Existenzgründer. Das eigene berufliche Kind großzuziehen sei eine tolle Sache. Das Ziel, ein erstes großes Standbein aufzubauen, hätten sie erreicht – aber es wären nicht jene Vollblut-Unternehmer, wenn es nicht schon neue Pläne gäbe: Bis zur Nürnberger Braumesse im Herbst will das mib-Team das Gerät um weitere Features, beispielsweise automatische Temperaturmessung, ergänzen. „Full Quality Management“ heißt die Devise. Und dann wären da ja auch noch ganz andere Märkte, wie die Halbleitertechnik, die von der Ultraschallmessung profitieren könnten. Etwas Zukunftsmusik muss sein.
ANDREA BEHNKE
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