Arbeitsmarkt 31.01.2003, 18:23 Uhr

Auf Augenhöhe mit Entwicklern sprechen

Unternehmensberatungen suchen „die Besten der Besten“, um ihren ständigen Bedarf an neuen Consultants zu stillen.

Diesen vorwurfsvollen Kommentar kennt Wolfram Stein nur zu gut: „Kind, jetzt hast Du was Anständiges studiert, und nun wirst Du Berater“. Für den Partner der Beratung McKinsey drückt sich darin ein gängiges Vorurteil aus: „Die Ablehnung kommt aus Unwissen heraus, weil die Tätigkeit eines Unternehmensberaters nicht so leicht zu erklären ist wie die eines Bäckers oder Maurers.“ Dabei ähnelt die Aufgabe eines Strategieberaters sehr der eines Ingenieurs. Es geht um die präzise Analyse komplexer Probleme und um kreative Lösungswege. Um ausgetretene Pfade zu vermeiden, stellt McKinsey seine Beraterteams bewusst aus Absolventen mit unterschiedlicher Erfahrung zusammen.
Betriebswirte arbeiten neben Physikern, Ärzten, Lehrern, Biologen oder eben Ingenieuren. „Mir gefällt, dass ich ständig neue Menschen kennen lerne“, sagt Katja Obergfell. Vor zwei Jahren stieg die gelernte Maschinenbauerin bei McKinsey in Stuttgart ein.
Statt also das Thema ihrer Promotion – „Lasersysteme zum Randschichthärten von Stählen“ – weiter zu verfolgen, kümmerte sich die 32-Jährige um Probleme der Autoindustrie, der Metallverarbeitung und der Hightech-Branche. „Ich werde meistens in Projekte mit Industrie-Background geholt, weil meine Ausbildung da zum Tragen kommt“, sagt Obergfell. Auch wenn McKinsey keine Technologie-, sondern Managementberatung bietet, hilft die gediegene Fachbildung weiter. „Ich kann mit den Produktentwicklern auf Augenhöhe sprechen und ernte viel Anerkennung“, erklärt die Ingenieurin. Als Frau mit einer technischen Ausbildung ist sie es gewohnt, allein unter Männern zu arbeiten. „Das ist eine grundsätzliche Entscheidung, man muss akzeptieren, allein auf weiter Flur zu sein“, sagt Obergfell, die nach eigener Einschätzung nie mit Akzeptanzproblemen zu kämpfen hatte. „Die Klienten haben viel weniger Vorurteile, als man denkt.“
Ohne ein Mindestmaß an Kenntnissen der Betriebswirtschaft kommt kein Berater klar, deshalb schleust McKinsey alle Nicht-BWLler durch einen Crash-Kurs, der wie eine Art Mini-MBA die Grundlagen der Finanzwirtschaft und Strategieberatung erklärt. Schließlich müssen Consultants sich in allen Branchen zurechtfinden. Wolfram Stein betont, dass Ingenieure als Berater nicht nur in der Industrie, sondern auch bei Dienstleistern, z. B. Versicherungen oder Banken, eingesetzt werden. „Wenn bei einem Klienten die Optimierung einer Anlage ansteht, müssen unsere Berater Verständnis für Technik mitbringen. Doch das wichtigste ist die Methodik“, betont Stein. „Wer abstrahieren kann und sein mathematisches Handwerkszeug beherrscht, ist bei uns richtig.“ Außerdem fordert Stein „eine gewisse Liebe zur Breite“, die absoluten Spezialisten sind weniger gefragt.
Ähnlich definiert Just Schürmann, Recruiting-Director bei der Boston Consulting Group, seine Anforderungen an den Nachwuchs. „Wir stellen ganz bewusst neben Wirtschaftswissenschaftlern auch 50 % andere Absolventen ein, darunter etwa 15 % Prozent Ingenieure“, erklärt Schürmann. Bei rund 200 Neubesetzungen in 2003 also rund zwei Dutzend Dipl.-Ings. Hinzu kommen knapp 20 Wirtschaftsingenieure. „Wir suchen für die Strategieberatung Menschen, die Probleme aus einer anderen Sicht betrachten“. Ingenieure zeichnen sich seiner Meinung nach durch „sehr ausgeprägte analytische Fähigkeiten“ und „starken Pragmatismus“ aus. Letzterer ist gefragt, damit die Vorschläge der Boston Consulting Group beim Kunden auch umsetzbar sind. Schürmann sucht Jahr für Jahr die besten Absolventen jedes Jahrgangs, wobei er außerdem Praxiserfahrung, Auslandsaufenthalte und „den Blick über den Tellerrand“ fordert.
Ein Ingenieur, der ein Jahr Entwicklungshilfe in Afrika geleistet hat, qualifiziert sich damit genauso wie jener, der ein Semester an einer Eliteuni in den USA verbrachte. „Wir prüfen, ob die Bewerber gut zuhören und sich klar ausdrücken können“, präzisiert Schürmann weiter. „Kontinuierlicher Bedarf“ an Diplom-Ingenieuren besteht auch bei der Unternehmensberatung Roland Berger, erklärt Christiane Bien, HR-Referentin des Unternehmens. Bewerber müssen neben hervorragenden Studienleistungen wirtschaftliches Wissen mitbringen, beispielsweise aus einem MBA-Aufbaustudium oder aus Praktika. Internationale Gewandtheit ist auch hier gefragt. Doch wer keinen MBA mitbringt, kann bei Roland Berger nachlegen. Nach zwei Jahren bietet die Consulting die Möglichkeiten, am hauseigenen MBA- oder Doktorandenprogramm teilzunehmen. „Exzellente Leistung wird honoriert“, verspricht Bien, „nach oben sind der Karriere keine Grenzen gesetzt.“ C. SCHMITZ

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