Amerikanisch geprägt
Die Online-Vermarktung von Software. Ihr Unternehmen Element 5 beschäftigt mittlerweile 20 Mitarbeiter.
Die Testversion aus dem Internet machte Lust auf mehr. Die beiden Kölner Studenten Gerrit Schumann (25) und Christopher Reimold (24) wollten die Software, die sie nicht im Laden auf CD-Rom gekauft, sondern über das World Wide Web direkt vom amerikanischen Anbieter heruntergeladen hatten, auch weiterhin nutzen und mußten sich deshalb dort registrieren lassen. Doch statt der Bestätigung ernteten sie nur großes Schweigen. Die beiden wurden nachdenklich. Handelte es sich hier etwa um eine Marktlücke?
Schnell stellte sich heraus, daß auch andere Software-Kunden große Probleme mit den US-Anbietern hatten. Den europäischen Markt hatte man jenseits des Atlantiks offenbar gar nicht eingeplant. Viele berichteten über Registrierungen und Schecks, die ebenfalls scheinbar im Niemandsland verschwunden waren und damit den rechtmäßigen Kauf der Software unmöglich machten. „Abgesehen davon sind die meist geforderten Gebühren amerikanischer Banken von bis zu 50 DM schon ein Armutszeugnis“, findet Clemens Roth (31), mittlerweile Vorstandsmitglied der Element 5 AG in Köln, „und das erst recht, wenn die Software gerade mal 29 Dollar kosten soll.“ Die Probleme waren in der Szene längst bekannt, und niemand reagierte.
Anders die Kölner Studenten. Zusammen mit Olaf Arlt (27) entschlossen sie sich vor drei Jahren, eine eigene Firma zu gründen, die künftig als zentrale Nahtstelle zwischen Autoren von Software auf der einen und Anwendern auf der anderen arbeiten sollte. Gute Software professionell und online vermarkten, das war die Idee des Shareware-Registrierungsdienstes „Shareit“.
„Am Anfang waren wir ein sehr kleiner Dienst mit nur wenigen Autoren“, erinnert sich Roth an den Beginn 1996, „doch ein Jahr später explodierte die Sache plötzlich.“ Mit einem Mal hatte sich der Dienst herumgesprochen und wurde so rege nachgefragt, daß sich der Traum der vier Jungunternehmer, zwei Informatiker, ein Diplom-Kaufmann und ein Soziologe, innerhalb kürzester Zeit erfüllt hatte: Wie Schatzsucher waren sie auf Gold gestoßen. Mittlerweile ist Element 5 auf diesem Sektor mit rund 1 500 beteiligten Software-Entwicklern aus 65 Ländern bereits zu einem der europäischen Marktführer aufgestiegen. Nach wie vor freut man sich bei „Shareit“ über zweistellige Zuwachsraten – jeden Monat.
Zweites Standbein des Unternehmens sollen nun die Kiosk-Systeme werden. Dahinter verbergen sich Informations- und Verkaufsterminals für Firmen, die damit ihre Kunden personalunabhängig in den Geschäftsräumen bedienen können. Während die Hardware von einem mittelständischen Partner geliefert wird, hat Element 5 dafür eine spezielle Software entwickelt, die auf ganz unterschiedliche Zielgruppen zugeschnitten werden kann.
Doch wer als Jungunternehmen wachsen will, braucht Kapital. Längst liefen die Verhandlungen mit Risikokapital-Gesellschaften. Der Wechsel in die Aktiengesellschaft war hier bereits ein erster Schritt, der jedoch in Deutschland gar nicht so leicht war. Da bereits in den USA eine eigene Niederlassung aufgebaut wurde, lief die AG-Gründung parallel in beiden Ländern. Roth: „Während wir hier Monate und einen enormen Aufwand investieren mußten, ging der exakt gleiche Vorgang für unsere amerikanische Niederlassung sehr unbürokratisch in wenigen Wochen über die Bühne.“ Sogar das neue Firmenbriefpapier, ein eigenes Siegel sowie gedruckte Firmenaktien waren in dem US-Service-Paket der Behörden enthalten.
Kein Wunder, daß die weiteren Pläne von Element 5 amerikanisch geprägt sind. „Wir werden die Kiosk-Systeme in eine eigene amerikanische Firma überführen, um von der unbürokratischen Verfahrensweise der USA zu profitieren“, so Roth.
In spätestens zwei Jahren will Element 5 an die Börse, „egal ob an die amerikanische Technologiebörse Nasdaq oder an den Neuen Markt, denn mit diesem Schritt stoßen wir in neue Dimensionen vor“, so der Vorstandssprecher.
Manchmal muß er noch lächeln, wenn Clemens Roth sich als Manager vorstellt. „Alles geht so schnell, schließlich ist es noch gar nicht lange her, daß wir selbst wie unsere Mitarbeiter heute als Studenten bei Software-Firmen gejobbt haben.“ Nun habe man Verantwortung und den Druck, Geld zu verdienen, um die Gehälter zu zahlen. „Das verändert einen schon“, bestätigen ihm auch seine Freunde, „aber trotzdem bemühen wir uns, nicht jetzt plötzlich den Chef herauszukehren, sondern mit guter Laune zusammenzuarbeiten.“
Voraussetzung dafür sind talentierte und motivierte Mitarbeiter, die jedoch auf dem gesamten Markt gesucht werden. Deshalb will Element 5 seine Leute schnellstmöglich über Mitarbeiteraktien an der Entwicklung des Unternehmens beteiligen.
Denn die Konkurrenz schläft nicht. „In der IT-Branche gibt es zur Zeit rund 80 000 offene Stellen, Tendenz steigend. Da ist es keine Seltenheit, daß Großunternehmen junge Informatiker mit Anfangsgehältern von 9000 DM pro Monat ködern – der helle Wahnsinn“, so Roth, der bei diesem Poker nicht mithalten kann und will. Und nicht ohne Stolz registriert er, daß der eigene Laden trotzdem glänzend läuft. Die meisten Mitarbeiter kommen von der Uni und sind nicht älter als 30 Jahre. Dienst nach Vorschrift macht dort keiner, jeder fühlt sich persönlich herausgefordert. „Schließlich wären wir mit einer 9-bis-17-Uhr-Mentalität sicher nicht so weit gekommen.“
Überhaupt sind die vier bereits früh ihren eigenen Weg gegangen. So brach Clemens Roth schon nach drei Semestern sein Maschinenbaustudium ab, „weil mir das viel zu langweilig war“, ging für ein Informatikstudium in die USA, bevor er in Köln noch ein Soziologie-Studium anschloß.
Seine Vorstandskollegen weisen eine ähnlich bunte Biographie auf, wie ein roter Faden ziehen sich frühe eigene Gewerbeeröffnungen durch die Lebensläufe. „Davon profitieren wir heute“, so Roth, den seine Freunde oft fragen, warum er sich für einen so unsicheren, arbeitsreichen Weg entschieden habe und sein ganzes Geld in diese Firma stecke. „Es ist ein Kick, so zu arbeiten“, antwortet er dann – und lächelt dabei.
ANDREAS LEIMBACH
Ein großer Sprung für eine kleine Firma: Element 5 weiß das positive Gründerklima in den USA zu schätzen.
Erfolg macht Laune. Die jungen Chefs von Element 5: Christopher Reimold, Olaf Arlt, Gerrit Schumann und Clemens Roth.
In der Domstadt nahm die Karriere der Gründer von Element 5 ihren Anfang.
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