Wertschöpfung aus einem Guss, Know-how aus zwei Firmen
Ein Traditionsunternehmen im Werkzeug- und Formenbau steckt seine Kompetenzen mit einem technisch orientierten Beratungsunternehmen zusammen und heraus kommt der kleine, aber feine Dienstleister „Perform“. VDI nachrichten, Düsseldorf, 3. 7. 09, ws
Industrielle, standardisierte Fertigung im Formenbau? „Geht nicht“, heißt klassischerweise die Antwort eines jeden Formenbauers, jedes Einzelteil ist wie ein Originalteil.
Das Festhalten an dieser Überzeugung kommt sie teuer zu stehen, weiß Roland Siebenwurst, Mitgesellschafter und Leiter Projekt Management beim Werkzeug- und Formenbauer Christian Karl Siebenwurst im bayerischen Dietfurt. Allein die Konstruktionsstunden, die bei jeder Neuentwicklung ohne vorgegebene Standards notwendig sind, kosten Zeit und Geld, mögliche Fehler noch nicht eingerechnet.
Das Traditionsunternehmen, das beim letztjährigen Wettbewerb „Excellence in Production“ in der Kategorie „Externer Werkzeugbau über 100 Mitarbeiter“ den zweiten Platz belegte, geht andere Wege. Die gesamte Prozesskette von der Konstruktion bis zur Montage wurde durchforstet und optimiert.
„Template-Technik“: Dabei handelt es sich um Vorlagen, die viele, schnell individualisierbare Konstruktionselemente wie Verschraubungen, Befestigungselemente oder Verankerungen bereits enthalten. Dazu kommt eine eigens entwickelte Software, die so genannte „Tool-Datenbank“. Zwei Neuerungen von entscheidender Bedeutung. „Durch die Verwendung von Template-Bibliotheken mit assoziativ verbundenen Standardbauteilen konnten wir die Entwicklungszeit um rund 25 % reduzieren“, erläutert Roland Siebenwurst.
Erheblich verkürzt haben sich auch die Durchlaufzeiten bei der Werkzeugerstellung. Diese fallen durchschnittlich um 20 % geringer aus, da individuelle, auf Sicherheit ausgerichtete Fräseinstellungen der Maschinenbediener der Vergangenheit angehören.
Über Best-Practice-Methoden wurden in der Tool-Datenbank optimale Einstellungen für sämtliche Fräswerkzeuge berechnet und gespeichert. „Hier ist für alle Fräser hinterlegt, mit welchen Parametern sich welches Werkzeug bei welchen Materialien optimal fräsen lässt“, erläutert Siebenwurst.
Ein weiterer Vorteil: Die Einstellungen sind auf Knopfdruck reproduzierbar, Fehlerfreiheit ist garantiert. „Damit sind Fräszeiten erreichbar, die bis zu 20 % schneller als zuvor sind. Wenn man allein die Maschinenstunden bedenkt, bedeutet dies ein enormes Einsparpotenzial“, sagt Nicolas Pallis, Geschäftsführender Gesellschafter der Münchner Beratungsgesellschaft Pallis Associates, der das Unternehmen seit drei Jahren berät.
Das Know-how aus beiden Unternehmen soll nun in einem Dienstleister für Einzelfertiger im Werkzeug- und Maschinenbau zusammenfließen. „Perform“ heißt die in Regensburg angesiedelte Tochter, die mit einem vierköpfigen Ingenieur-Team mit Ludwig Gansauge, ehemaliger Leiter Prozess Management der Siebenwurst GmbH an der Spitze, jüngst an den Start ging.
Jobsuche für Ingenieure
Ziel ist es, Ressourcen effektiver zu nutzen, Fehlleistungen zu reduzieren und neue strategische Chancen zu generieren. Dafür ist eine neue Denkweise bezüglich der gesamten Wertschöpfungskette notwendig. Technik, Fertigungsabläufe und Mitarbeiterqualifikation müssen gerade in der Einzelfertigung aus Prozesssicht gesehen und neu harmonisiert werden. „So wird das Geschäftsmodell komplett optimiert“, ist Mitgesellschafter Pallis überzeugt.
Die Perform-Leistungspalette ist modular aufgebaut, sämtliche Technologien und Konzepte sind einzeln zu beziehen. „Unsere Kunden können ein fertiges Werkzeug kaufen, punktuell die Fertigung optimieren oder das Gesamtkonzept übernehmen und damit ihre Firma tatsächlich auf einen neuen technologischen Stand bringen“, so Pallis.
Das Standbein Werkzeugbau soll Perform sowohl einen „sanften“ Start ermöglichen – erste Aufträge der Siebenwurst-Mutter liegen vor – und gleichzeitig „Laborfunktion“ übernehmen. „Wir wollen die Erdung zur Produktion behalten und uns auch innerhalb der Produktion weiterentwickeln“, bekräftigt Mitgesellschafter Siebenwurst. Dabei sollen bis zum nächsten Jahr rund 25 weitere Ingenieure mithelfen.
Flexibilität ist Kunden bei der Finanzierung der Dienstleistungen garantiert. Niedriges Fixhonorar plus variable Vergütung, wenn die Maschinen laufen und die Einsparungen zum Tragen kommen, bis hin zur reinen variablen Honorierung seien mögliche Optionen, erklärt der beratende Maschinenbauer Pallis. „Die Lösung, Kosten durch Standortverlagerungen in den Griff bekommen zu wollen, macht keinen Sinn. Das ist eines Ingenieurs unwürdig.“ H. PAULUS