Deckelung von Managergehältern: „Dem Fuchs den Hühnerstall anvertraut“
Die Schweizer Bevölkerung hat ein klares Signal gesandt: Managergehälter sollen gedeckelt werden. Doch der Berliner Wirtschaftsethiker Ulrich Thielemann, der lange Zeit an der Universität St. Gallen arbeitete, bezweifelt, dass es tatsächlich zu einer Begrenzung kommt. Denn künftig sollen Aktionäre und damit auch große Fonds über die Vergütung bestimmen. Und die Vergütung des Managements sei der Hebel, mit dem Aktionäre die Unternehmen gefügig machen und ihren Renditeforderungen unterwerfen konnten.

Nach dem Willen der Schweizer sollen Managergehälter zukünftig gedeckelt werden. Der Wirtschaftsethiker Ulrich Thielemann bezweifelt, dass es tatsächlich zu einer Begrenzung kommt.
Foto: Uni St. Gallen
Thielemann: Einerseits überhaupt nicht. Der Unmut über die Vergütungen jenseits aller Plausibilität in Sachen Leistungsgerechtigkeit und fairer Gleichbehandlung ist auch in der Schweiz groß. Gegen die „Abzocker“ und ihre Gier wurde ein kraftvolles Signal ausgesandt. Andererseits wundert mich, dass diese deutliche Mehrheit kaum verstanden hat, dass sie mit der Vorlage das genaue Gegenteil einer Deckelung der Managergehälter bewirken dürfte. Man hat den Füchsen, den gierigen Aktienfonds, den Hühnerstall anvertraut. Schließlich sind die als „Anreize“ ausgestalten Millionenboni letztlich der Hebel, mit denen diese die Unternehmen vollständig ihren unstillbaren Renditewünschen gefügig machen konnten. Nun sollen die Aktionäre noch unmittelbarer als bislang über die Boni befinden.
Im Grundsatz ja. Über die krachende Absage an die „Abzocker“ wurde überall in der Welt breit berichtet. Denn überall in der Welt reklamieren die Top-Manager die teilweise Milliarden messende Wertschöpfung der Unternehmen, denen sie vorstehen, als ihre eigene Leistung. Und dies erzeugt berechtigten Zorn aufseiten der Normalbürger, die als Beschäftigte den Druck zu spüren bekommen und mit ansehen müssen, wie das Management für seine ökonomische Radikalität fürstlich entlohnt wird.
Doch ist es nur dann ein Fanal gegen unverhältnismäßige Vergütungen, wenn die Intention ausstrahlt, nicht, wenn der sogar noch direktere Zugriff der Aktionäre und der Fonds zum Vorbild genommen wird. Es dürfte nun wohl ein Streit überall in der Welt über die Auslegung der Initiative einsetzen. Schon melden sich Marktlibertäre zu Wort, etwa Rainer Brüderle, der sehr dafür ist, dass „die Eigentümerrechte gestärkt werden“.
Die Drohungen, die dort von den Kreisen aufgebaut wurden, die für die Millionenboni verantwortlich sind, sind grotesk, jedenfalls in der Größenordnung. Es wurde argumentiert: Wenn am Standort Schweiz den Managern nicht mehr unbeschränkt Millionen hinterhergeworfen werden könnten, dann würden diese Manager die Investoren dazu überreden, den Firmensitz in Länder zu verschieben, in denen dies noch erlaubt ist, und die Schweiz würde verarmen. Abgesehen davon, dass sich diese Drohungen nur auf gewisse Strafrechtsnormen beziehen können, die die Initiative ebenfalls vorsieht, so mag dies für einzelne Unternehmen durchaus zutreffen. Gerade auch darum ist es wichtig, dass der Impetus der Initiative international aufgegriffen wird. Damit das Ausspielen der Standorte ein Ende hat.
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Statt die Durchgriffsrechte der Aktionäre und der Fonds noch weiter zu stärken – als hätte man das Kapital nicht schon genügend hofiert –, müsste die Sache ordnungsrechtlich angegangen werden. Mein Vorschlag: Den Anteil, den das Kapital dem Management in Form variabler Vergütungen entrichten kann – diese sollen ja, als „Anreize“ ausgestaltet, den Shareholder Value maximieren, – zu begrenzen. In diese Richtung geht ja der jüngste Beschluss des EU-Parlaments mit Blick auf die Bankenregulierung: Die Boni der Banker dürfen im Regelfall nicht höher ausfallen als das Festgehalt.
Laut einer Studie sind die deutschen Vorstände großer börsennotierter Unternehmen hinter Großbritannien die Spitzenreiter in Sachen Vergütung. Man muss beachten: Diese Managervergütungen sind nur ein sichtbares Zeichen für eine generelle Fehlentwicklung, der Abkehr vom Wohlstand für alle. Das eigentliche Problem sind die gewachsenen Gewinneinkommen, von denen die Boni letztlich nur ein Teil sind, ein eher kleiner zumal. Das Wachstum der letzten Dekade in Deutschland ist komplett zum Kapital gewandert. Und dies konnten die Rentiers nur erreichen, indem sie sich der Boni bedienten. Durch diese wurde das Management zum „Agenten“ des Kapitals, und die Unternehmen wurden in Giermaschinen verwandelt.
Es wird gesagt: Ohne Millionenboni bekommen wir nicht die „besten“ Leute. Aber worin sind diese Leute gut? Die Antwort: im Kostensenken, Outsourcen, Restrukturieren, im Verdichten von Arbeit, im Abstoßen von Unternehmensteilen, die unterhalb der Benchmark-Rendite liegen, in der Kurspflege oder im Verdrängen von anderen Unternehmen. Dies alles kostet Arbeitsplätze und Einkommen anderer. Über diese fragwürdigen Fähigkeiten verfügen eine ganze Menge Leute, nämlich im Kern solche, die ein BWL-Studium absolviert haben.
Dies ist berechtigter Unmut. Natürlich soll und darf es Einkommensdifferenzen geben. Eine Gesellschaft darf sich aber auch fragen, ob die Differenzen, die sich im „freien“ Spiel der Kräfte einspielen, noch als leistungsgerecht zu beurteilen sind. Kann jemand mehrere hundert Mal leistungsfähiger sein als ein anderer und damit einen um diesen Faktor höheren Beitrag zur allgemeinen Wertschöpfung geleistet haben, aus der auch er sein Einkommen bezieht? Diese Bezüge repräsentieren nicht Wertschöpfung, sondern Abschöpfung. WOLFGANG SCHMITZ
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