„Gründerelan wird totgewalzt“
VDI nachrichten, Berlin/Potsdam, 21. 11. 08, sta – Die aktuelle Finanzkrise war eines der Top-Themen auf dem jüngsten Deutschen Business Angels Tag in Berlin und Potsdam. Die Auswirkungen auf den Wagniskapitalmarkt und die Wirtschaft insgesamt werden unterschiedlich eingeschätzt. Kapitalgeber wünschen sich Steuererleichterungen.
Wir steuern auf eine Situation zu, die keiner von uns je gesehen hat“, mahnt der erfahrene Business Angel Peter Jungen. „Jeder Gründerelan wird von den Entwicklungen auf dem Kapitalmarkt und den Folgen in der Realwirtschaft totgewalzt. Die ohnehin rückläufigen Gründerzahlen werden dramatisch abstürzen.“ Schmerzlich spürbar werde dies in einigen Jahren. „Uns wird dann die Dynamik und Innovationskraft einer ganzen Gründergeneration fehlen.“
Die Politik muss laut Jungen dringend handeln. Falsch sei es, jetzt etablierten Konzernen öffentlichkeitswirksam große Summen zu versprechen. „Diese Firmen werden zur wirtschaftlichen Dynamik in der Zukunft nichts beitragen. Die werden eher Arbeitsplätze abbauen.“ Gefragt seien stattdessen bessere Rahmenbedingungen für Gründer und deren Finanzierer. „Deutschland hat aus Sicht von privaten Wagniskapitalgebern noch immer die schlechtesten Steuerregelungen in ganz Europa.“
Die jüngst auf den Weg gebrachte Steuererleichterung sei nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Hintergrund: Laut §20 des Wagniskapitalbeteiligungsgesetzes sollen Engel bei Veräußerungsgeschäften in den Genuss eines steuerlichen Freibetrags in Höhe von bis zu 200 000 € kommen, je nach Größe des veräußerten Anteils an der Zielgesellschaft. Der volle Freibetrag wird allerdings nie zum Zuge kommen, da die Beteiligungshöchstgrenze pro Engel auf 25 % festgesetzt wurde. Tatsächlich beträgt der maximale Freibetrag somit 50 000 €. Wegen einer Abschmelzungsgrenze wird er bei größeren Deals sogar wieder kleiner.
Johannes Velling, Leiter des Referats „Gründungsfinanzierung, Kompetenzcluster“ im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie verteidigt den Entwurf. „Für kleine Business-Angel-Engagements ist die Regelung sehr attraktiv. Sie ermutigt neue Kapitalgeber dazu, erste Deals zu tätigen.“ Was der Neuregelung lediglich noch fehle, sei grünes Licht von der EU-Kommission. „Das wird aber voraussichtlich Anfang kommenden Jahres gegeben.“
„Das ist doch nicht mehr als Hartz 4 für Business Angels“, spottet Jungen. „Damit gibt man gestandenen Privatinvestoren bestimmt nicht das Gefühl, in Deutschland willkommen zu sein.“ Der Kölner schlägt vor, sich etwa an Großbritannien ein Beispiel zu nehmen. Dort können 20 % eines Investments in Jungunternehmen direkt steuerlich geltend gemacht werden. „Leider aber befürchtet die Politik, dann Steuermindereinnahmen hinnehmen zu müssen. Dabei verkennt sie, dass es ohne ein Entgegenkommen gar keine Steuereinnahmen geben wird.“ Es gehe nicht darum, reichen Managern Steuergeschenke zu machen. Ziel müsse es sein, Leute dazu zu ermutigen, ihr Kapital in Start-ups zu investieren.
Laut Velling ist die britische Regelung nur schwer mit der Systematik des deutschen Steuerrechts vereinbar. Er lädt die Finanzierer ein, zunächst von den modifizierten Regelungen Gebrauch zu machen. „Die Chancen des Systems sollten genutzt werden, bevor neue Forderungen gestellt werden.“ Weitergehende Zugeständnisse seien in absehbarer Zeit unwahrscheinlich.
So bleibt auch wohl ein Vorschlag von Roland Kirchhof ungehört. Der Vorstand des Business Angels Netzwerk Deutschland (BAND) pocht seit langem auf eine „Roll-over“-Lösung. Danach blieben Veräußerungsgewinne dann steuerfrei, wenn sie innerhalb einer bestimmten Frist erneut in ein Jungunternehmen investiert würden.
Privatinvestor Joachim Conrads aus Garbsen kann der Finanzkrise auch positive Aspekte abgewinnen: „Wir sehen das Ende des Gaga-Kapitalismus.“ Übertrieben risikofreudige Finanzakrobaten würden jetzt tief fallen. „Das tut der Gesellschaft sehr gut.“ Für Business Angels werde es allerdings schwerer, ihre Beteiligungen zu veräußern. „Ich denke, die Investoren müssen sich auf längere Haltefristen einstellen.“ Trotzdem gelte: „Wer auf Innovationen setzt, wird Erfolg haben.“ Und: „Wer klug ist, investiert antizyklisch.“
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Horst Linn, erfahrener Business Angel aus Nordbayern, sieht die Krise pragmatisch: „Jetzt muss eben meine alte Philosophie wieder greifen – viel kleine Beiträge im Freundesnetzwerk einsammeln und so Finanzierungen starten.“ Business Angels seien gerade jetzt wichtiger denn je. „Der Beratungs- und Betreuungsbedarf ist bei den Gründern nun besonders hoch.“
Gelassenheit vermittelt Bernhard Böhm, Chef des Business Angels Clubs Berlin Brandenburg: „Business Angels waren immer die konstante Variante im Investitionsgeschehen. Das wird so bleiben. Die Ausschläge werden sich auch jetzt in Grenzen halten.“
Ähnlich entspannt ist auch Alexander von Frankenberg, Geschäftsführer des halbstaatlichen Hightech-Gründerfonds. „Wir haben bisher keine großen Auswirkungen der Krise verspürt. Der Dealflow ist weitgehend konstant. 2008 wollen wir 40 Unternehmen finanzieren – genauso viel wie im Vorjahr. Im nächsten Jahr sollen es 40 bis 50 sein. Auch einen Finanzierungsstau sehe ich bei Jungunternehmen derzeit nicht. Im Gegenteil. Uns wurden jüngst gute Deals von privaten Wagniskapitalgebern von der Schüppe genommen. Und bei Folgefinanzierungen herrscht gerade eine starke Dynamik. Wir werden in diesem Jahr rund 40 entsprechende Deals mit Dritten zugunsten unserer Portfoliounternehmen abschließen. Wir wissen allerdings, dass die Zyklen für Folgefinanzierungen künftig länger werden.“ S. ASCHE
„Ausschläge werden sich in Grenzen halten“
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