Aus dem Arbeitsamt in den Chefsessel
Verschiedene Förderprogramme von Bund und Ländern helfen beim Weitsprung aus der Arbeitslosigkeit in das Unternehmerlager.
Beate Wiebe strotzt vor Selbstbewusstsein. Sie hat allen Grund dazu: Die 38-jährige Hamburgerin hat den Weitsprung aus der Erwerbslosigkeit in die Selbständigkeit gemeistert. Und sie hat nicht nur sich selbst mit Arbeit versorgt. Sie ist inzwischen Geschäftsführerin von zwei Unternehmen und beschäftigt sieben Angestellte.
Die Ausgangssituation im Jahr 1996: „Ich war arbeitslos und hatte einfach keine Lust mehr, nochmal als Assistentin der Geschäftsführung zwischen allen Stühlen zu sitzen. Seitens des Arbeitsamts sollte ich mich auf Stellen bewerben, für die ich überqualifiziert bin.“ Auf einer Messe fällt der Hanseatin eine Broschüre des Arbeitsamtes in die Hand: „Transfer: Wege in die Selbständigkeit“. Sie bewirbt sich, absolviert fünf Wochen Intensivseminare und macht sich Mitte Februar 1997 mit „Büro Kompakt“ selbständig. Sie bietet Büroassistenz und Telefonmarketing an. Mit Erfolg. Das Geschäft floriert. Ende 1998 gründet sie „Paadas“, ihre zweite Firma für aktives Telefonmarketing. Anfang nächsten Jahres will sie hier 20 Mitarbeiter beschäftigen und in anderen Städten Filialen gründen.
Wie Beate Wiebe träumen viele Arbeitslose davon, einmal Herr oder Frau im eigenen Betrieb zu sein. Keine gute Startvoraussetzung ist es allerdings, wenn Erwerbslosigkeit als einziges Motiv für die Existenzgründung dient. „Der Wunsch nach dem eigenen beruflichen Standbein sollte schon vor Eintritt der Arbeitslosigkeit da sein. Wer einzig und allein wieder einen Job will, unterschätzt die Anforderungen, die mit der Selbständigkeit verbunden sind“, sagt der Berliner Unternehmensberater Karsten Noack, der arbeitslose Gründer auf ihrem Weg begleitet. Und der ist häufig steinig.
Die Probleme beginnen mit der Finanzierung. Oft steht kaum Eigenkapital zur Verfügung. Erste Hilfe leistet das Arbeitsamt mit dem Überbrückungsgeld, das in den ersten sechs Monaten die Lebenshaltungskosten abdecken soll. Im vergangenen Jahr wurden bundesweit 92 600 Menschen damit unterstützt. Gezahlt wird, wenn der Gründer mindestens vier Wochen Arbeitslosengeld oder -hilfe bezogen hat und in einem Gutachten von der IHK oder Fachverbänden nachweisen kann, dass die geplante Firma tragfähig ist.
Banken reagieren auf die Arbeitslosigkeit ihrer Kunden grundsätzlich fast panisch. Unverzüglich werden Dispositionskredite gesperrt, und wenn erwerbslose Kontoinhaber dann auch noch Unternehmer werden wollen, ernten sie fast immer nur Kopfschütteln. Bernd Rucktäschel vom Hamburger Gründungsnetzwerk Enigma: „Von den Akzeptanzproblemen abgesehen sind Kreditkunden für Banken ohnehin erst ab einer Summe von 50 000 DM interessant. Unsere Gründer brauchen aber kleinere Kredite.“ Daher gibt es bei Enigma die „Siebte Säule“, ein Finanzierungs-Ansatz, der „Mikrokredite“ von bis zu 25 000 DM ermöglicht.
Auch andere Bundesländer helfen mit speziellen Finanzspritzen. Berlin gewährt arbeitslosen Unternehmensgründern zum Beispiel Darlehen von 30 000 DM, Mecklenburg-Vorpommern unterstützt mit einer Beihilfe, wenn die Finanzquelle Überbrückungsgeld versiegt, Sachsen bezuschusst aus dem Topf des europäischen Sozialfonds mit maximal 12 600 DM.
Allen Zweifeln zum Trotz sind Gründungen aus der Arbeitslosigkeit überaus erfolgreich. „70 % aller Betriebe sind nach drei Jahren immer noch am Markt“, bestätigt Dr. Frank Wießner vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, der die Überlebensrate in einer Studie untersucht hat. Grund genug, den motivierten Gründungswilligen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Zahlreiche Förderprogramme und Einrichtungen wurden aus der Taufe gehoben. In Hamburg gibt es Enigma, in Münster bietet das Gründungsnetzwerk Phönix Seminare an, in denen Erwerbslose drei Monate lang die Basics des Unternehmensaufbaus lernen. Der Run auf das Angebot ist groß: „Wir begleiten jährlich rund 300 Gründungen“, sagt Phönix-Geschäftsführer Norbert Attermeyer. Auch die NRW-Gründungsoffensive Go! greift Arbeitslosen unter die Arme. Über das ganze Bundesgebiet verteilt gibt es Initiativen wie den Göttinger Verein zur Erschließung neuer Beschäftigungsformen e.V. oder die Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung G.I.B. in Bottrop, die sich für die Belange erwerbsloser Gründer einsetzen. MARTINA RIEKEN
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