Völlig hemmungslos zum Darlehen – „Mr. Nobody“ macht“s möglich
In Minutenschnelle überprüfen Automaten in Japan die Bonität ihrer Kunden. Wer einen guten Eindruck auf die Maschine macht, bekommt sofort eine Kreditkarte.
Das Konzept ist simpel. Vor allem in guten Lauflagen finden sich die automatischen Kreditbearbeiter: in kleinen, eigens für sie konstruierten Kiosken. Der Kunde betritt den etwa sechs Quadratmeter großen Raum und wird umgehend aufgefordert, Platz zu nehmen. Indem sich der Kunde setzt, wird die Türe zum Kiosk verriegelt. Gleichzeitig werden Kameras und Mikrophone aktiviert. Ihre Aufgabe ist es, mögliche Betrüger zu entlarven, zumindest aber außerordentliche Nervosität oder sonstige Auffälligkeiten des Kunden fest zu halten.
An Stelle eines Beraters aus Fleisch und Blut bildet ein größerer Bildschirm das Gegenüber des Kunden. Jetzt ertönen über Lautsprecher die Fragen, auf die der Antragsteller per Knopfdruck reagieren kann. Müssen schriftliche Unterlagen vorgelegt werden? Kein Problem: Ein Scanner steht dienstfertig bereit, die Papiere einzulesen.
In der Regel prüft die Maschine zunächst, wer sich da überhaupt um ein Darlehen bemüht. Mittels Führerschein oder Pass muss sich der Kunde ausweisen. Weiter geht es wie am normalen Bankschalter: Arbeitsplatz, Einkommen und Adresse müssen eingegeben werden. Mit wechselnden Stimmen wird der Antragsteller aufgefordert, auf dem Bildschirm den Kreditantrag auszufüllen.
Nun kommen weitere Fragen, beispielsweise nach der Telefonnummer zu Hause, am Arbeitsplatz, des Handys. Unmittelbar nach der Eingabe wählt das System die Nummer des Mobiltelefons, das nun eigentlich in der Tasche des Antragstellers klingeln müsste. Der Anrufer ist dabei eine Person aus dem zentralen Kontrollraum des Systems, die später auch zu Hause und am Arbeitsplatz anrufen wird.
Während der kurzen Wartezeit gleicht das Rechnersystem die Kundendaten mit der Zentralorganisation der 4800 in Japan tätigen Konsumentenkredit-Gesellschaften ab. Hier sind alle Kreditfälle der Vergangenheit gespeichert.
Nach längstens 15 Minuten erfährt der Kunde, ob er das Darlehen bekommt oder nicht. Noch eine kleine Weile, und der Automat spuckt die fertig geprägte Plastikkarte aus, mit deren Hilfe Geld abgehoben oder vielfach auch direkt bezahlt werden kann.
Mit Kreditautomaten locken eine Reihe japanischer Konsumentenkredit-Firmen mittlerweile immer mehr Kunden. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Kreditanträge werden zügig abgewickelt, und der Kunde läuft nicht Gefahr, bei Ablehnung seines Wunsches das Gesicht zu verlieren. Ein weiterer Reiz für die Nutzer liegt darin, dass sie in den meisten Fällen rund um die Uhr einen Kreditantrag stellen können. Für die Institute sind die Automaten interessant, weil sie erheblich billiger als Menschen am Schalter arbeiten.
Vorreiter in dieser Entwicklung war Acom Co., die die ersten Automaten mit dem Namen „Mujin-kun“ – übersetzt „Mr Nobody“ – schon 1993 aufstellten und damit einen Hit landeten. Inzwischen betreibt Acom 1509 Kreditautomaten. Die fünf Großen der Branche, Tekefuji Corp., Acom Co., Promise Co. und Aiful Corp sowie Sanyo Shinpan Finance Co., hatten bis zum Frühjahr dieses Jahres zusammengenommen 5400 Kreditautomaten installiert.
Das Geschäft brummt offenbar. Zusammen genommen hätten sie im zurückliegenden Geschäftsjahr 1998/99 rund 1,8 Millionen neue Kunden gewonnen, berichten die fünf Gesellschaften. Den Großteil der neuen Kundschaft verdanke man der Beliebtheit der Kreditautomaten.
Doch auch die „Wundermaschinen“ haben Grenzen. Etwa bei der Kredithöhe: In der Regel zahlen die Automaten höchstens den Gegenwert von 5000 Dollar aus.
Ach ja, und noch ein Nachteil: die Zinsen. Die sind mit 25,5 % bis 29 % nicht ganz unerheblich… BARBARA ODRICH / mav
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