Müssen die Arbeitnehmer die Globalisierung finanzieren?
Siemens hat es vor einigen Wochen vorgemacht: 4500 Beschäftigte arbeiten in Zukunft länger, ohne Lohnausgleich.Weitere Unternehmen wie DaimlerChrysler wollen nachziehen.Die Bilanz des Stuttgarter Automobilbauers belasten gleichzeitig aber auch milliardenschwere Engagements in den USA und in Japan.Müssen die Mitarbeiter nun die Folgen dieser globalen Strategie alleine tragen?Eine Umfrage bei Verantwortlichen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gewerkschaften.
Lohnsenkung birgt Gefahren in sich
VDI nachrichten, Würzburg, 23. 7. 04 – Kostenlose Mehrarbeit, wie sie gefordert wird, ist für das einzelne Unternehmen eine gute Sache.Für die Volkswirtschaft sehe ich aber die Gefahr, dass sich deflationäre Tendenzen entwickeln können, und dass wir auf diese Art und Weise den Ast absägen, auf dem wir sitzen.In Japan hat eine Politik der Lohnsenkung eine Deflation ausgelöst, aus der das Land bis heute nicht herausgekommen ist.“
Peter Bofinger, Wirtschaftsweiser und Professor für VWL, Geld und internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Würzburg
Binnenmarkt beeinflusst Tarifrecht
VDI nachrichten, Erfurt, 23. 7. 04 – Rechtliches Faktum ist, dass ein Tarifrecht immer einen Rechtsbinnenmarkt voraussetzt, der wiederum auf den ökonomischen Binnenmarkt aufbaut.Bricht dieser ökonomische Binnenmarkt weg, so ändern sich auch die Voraussetzungen für das Tarifrecht.
Klaus Armbrüster, Richter am Bundesarbeitsgericht in Erfurt
35 h-Woche ist ein Irrweg
VDI nachrichten, Leverkusen, 23. 7. 04 – Deutschland hat sich in den letzten 30 Jahren schwer getan.Dauerarbeitslosigkeit und schlechtes Wirtschaftswachstum kennzeichnen unser Land.Die Wettbewerbsfähigkeit früherer Jahre ging verloren.Wir haben zu viel verteilt und Regelungen geschaffen, die Deutschland in die Kostenfalle getrieben haben.Die 35-Stunden-Woche oder die Schichtzulagen in Sindelfingen sind solche Irrwege.Mit den neuen EU-Nachbarn hat sich die Kostendrift verschärft.Die Frage lautet also nicht, ob die Arbeitnehmer die Globalisierung bezahlen müssen.Die Frage lautet, ob wir es uns leisten können, in einer Kostenfalle zu verharren.Es gibt keine künstlichen Job-Garantien in unserer vernetzten Welt.Die einzige Jobsicherheit heißt Wettbewerbsfähigkeit.
Ferdinand Dudenhöffer, Marktforscher und Geschäftsführer der B&D-Forecast GmbH in Leverkusen
Auf extremen Kostendruck reagieren
VDI nachrichten, Berlin, 23. 7. 04 – Man kann es drehen und wenden, wie man will: Wir leben in einem neuen Wirtschaftsraum, in dem drei Milliarden erfolgshungrige Menschen zusätzlich auf die Märkte drängen.Als Verbraucher profitieren wir vom internationalen Wettbewerb, weil wir viel mehr Produkte zu einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis kaufen – egal, woher sie stammen.Der damit verbundene extreme Kostendruck ist die Herausforderung, der sich vor allem deutsche Unternehmen mit ihren Mitarbeitern stellen und gemeinsam Lösungen entwickeln müssen.Gelingt uns dies nicht, weil wir in der Realität nicht ankommen wollen, dann werden wir zu Verlierern der Globalisierung.
Martin Kannegießer, Präsident des Arbeitgeberverbandes in Berlin
Globalisierung demokratisch gestalten
Der Wettlauf um Standortvorteile droht zu einem Unterbietungswettkampf zu werden, bei dem die Arbeitnehmer am Ende die Verlierer sind. Aber so muss es nicht kommen. Steuer-, Lohn- und Sozialdumping sind weder Naturereignisse noch Erfolg versprechende Wege. Die Stärken des deutschen Standorts sind hoch motivierte und qualifizierte Arbeitnehmer, Qualitätsprodukte und die Fähigkeit zu Innovationen. Diese gilt es zu stärken. Hinzu kommen muss: Globalisierung braucht einen politischen Rahmen, der sich an Wertvorstellungen jenseits des Wirtschaftlichen orientiert. Sie muss demokratisch, sozial und gerecht gestaltet werden.
Jürgen Peters, erster Vorsitzender der IG Metall in Frankfurt
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