Fürs Leben lernen, nicht nur für den Betrieb
Ein Projekt in Bremen zeigt, wie Unternehmen ihre Beschäftigten und sich selbst für die schärferen Bedingungen des Marktes fit machen können.
Für Axel Kemna war es zunächst ein Schritt ins Ungewisse. „Mitten auf dem Betriebshof in ein Beratungsmobil zu steigen, kostet erst einmal Überwindung“, sagt der Elektromeister im Netzleitcenter des Bremer Versorgungsunternehmens swb AG. Doch bereut hat der 44-Jährige die Entscheidung nicht: „Es war der erste Schritt zu einem Seminar, in dem ich meine eigenen Stärken besser kennen gelernt habe.“ Bezahlt hat das Coaching sein Arbeitgeber.
„Neue Arbeit: Leben lernen“, kurz na:ll, heißt das Beratungsprojekt der Bremer Arbeit GmbH (BAG), an dem neben der swb AG sieben weitere, zum Teil kleine Unternehmen aus dem Raum Bremen beteiligt sind. „Die schärferen Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt haben zur Folge, dass Arbeitnehmer ein Leben lang lernen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben“, sagt Projektleiterin Gabriele Schneider. Im Mittelpunkt dürften aber nicht nur die harten, beruflichen Qualifikationen stehen: „na:ll soll auch heißen, für das eigene Leben zu lernen, Stärken und Schwächen zu erkennen, persönliche Perspektiven zu entwickeln.“
Für Uwe Schramm, Vorstand für Personal und Technik der swb AG, hat die Verbindung aus Arbeit und Lernen eine weitere, sehr konkrete Bedeutung: „Angesichts der gravierenden Umstrukturierungen auf dem Energiemarkt sollten Arbeitnehmer auch von sich aus neue berufliche Perspektiven entwickeln.“ Die können, müssen aber nicht zwingend im Haus des bisherigen Arbeitgebers liegen. In den vergangenen sieben Jahren reduzierten die früheren Stadtwerke Bremen ihr Personal um 1000 auf 2700 Beschäftigte der Abbau weiterer 200 Stellen steht noch an.
„Wir haben diesen Abbau bislang sozialverträglich gestaltet das soll auch so bleiben“, sagt Schramm. Gleich zu Beginn der Strommarkt-Liberalisierung holte sich die swb AG deshalb Hilfe von Wissenschaftlern der Universität Bremen, um die sich abzeichnende Stellenreduzierung im Kraftwerksbereich zu gestalten. Das Projekt Futura mit ersten Qualifikationsangeboten zeigte ein für den Vorstand verblüffendes Ergebnis: Obwohl der geplante Abbau von 200 Stellen doch nicht erforderlich wurde, verließen 40 Beschäftigte das Unternehmen. Sie hatten nach den Seminaren und Kursen neue berufliche Perspektiven für sich entwickelt. „Einer hat sogar seinen Surflehrerschein mit unserer Hilfe gemacht“, erinnert sich Schramm.
Das Projekt na:ll setzt auf diesen Erfahrungen auf, verzichtet aber bewusst auf Seminarmodule wie Existenzgründerseminare und Berufsumsteigerberatungen. Sowohl Schramm als auch Gabriele Schreiber betonen, dass na:ll nicht als verdeckte Aufforderung zur Kündigung gedacht ist. „In erster Linie geht es darum, ,normalen“ Arbeitnehmern vom Unternehmen aus jene Fortbildungen anzubieten, die bislang in erster Linie Führungskräften vorbehalten waren“, sagt die Projektleiterin.
Ähnlich wie Managerseminare ist auch das Kursprogramm der Bremer Arbeit aufgebaut: zunächst eine persönliche Beratung, dann vielleicht eine Stärken-Schwächen-Analyse, schließlich Einzelgespräche oder Gruppenseminare beispielsweise zu Themen wie Rhetorik oder Selbsteinschätzung. Die Perspektiven, die die Teilnehmer dabei für sich entwickeln, können im beruflichen wie im privaten Bereich liegen, können zu einer beruflichen Neuorientierung führen oder zum Start einer bislang nicht geplanten innerbetrieblichen Karriere. „Auf jeden Fall gewinnt das Unternehmen, weil die Mitarbeiter flexibler werden und Motivation gewinnen“, sagt Schramm. Wettbewerbsfähigkeit durch wettbewerbsfähige Arbeitnehmer lautet das Ziel.
Axel Kemna kann dies nur bestätigen. Rund 18 Jahre arbeitet er bereits bei der swb AG, auch nach der Beratung will er da bleiben. Parallel zur Arbeit studierte er Betriebswirtschaft die Teilnahme an na:ll habe ihm nun Mut gemacht, seine Doppelqualifikation aus Theorie und Praxis stärker in das Unternehmen einzubringen: „Wenn man seine Stärken und Schwächen erkennt, kann man auch Chancen und Risiken besser begegnen“, lautet sein Fazit.
Aus den acht Betrieben, die an dem Projekt beteiligt sind, haben inzwischen rund 180 die Beratungsangebote der Bremer Arbeit genutzt. Gabriele Schneider setzt aber nicht nur darauf, dass weitere Arbeitnehmer das „Aktivmobil“ der BAG zu einer Beratung nutzen: „Genauso wichtig ist es, dass auch Unternehmen ihren Mitarbeitern ermöglichen, sich auf die veränderte Situation auf dem Arbeitsmarkt einzustellen.“ Das Beratungsangebot koste je nach Umfang nur wenige hundert Euro pro Teilnehmer. Die Investition spart jedoch Geld: „Das merkt man spätestens bei den Kosten für eine Umstrukturierung“, sagt Schramm. WOLFGANG HEUMER
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