Forscherin mit unternehmerischem Feingefühl
Meike Tilebein ist nicht wie viele ihrer Kolleginnen in Windeseile vom Studium über die Promotion an den Professorenschreibtisch gerauscht. Als zweifache Mutter musste sich die angehende Ingenieurin zunächst als Organisationstalent beweisen. Heute forscht die Leiterin des Instituts für „Diversity Studies in den Ingenieurwissenschaften“ der Universität Stuttgart an der Schnittstelle zwischen Technik, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.
Von professoraler Behäbigkeit keine Spur. Am Institut für „Diversity Studies in den Ingenieurwissenschaften“ der Universität Stuttgart sind noch immer die Handwerker zugange. Zwischen ein paar Umzugskisten steht Meike Tilebein, die Lehrstuhlinhaberin, zierlich, mit Kurzhaarschnitt. Bereits seit November letzten Jahres ist sie hier Institutsleiterin, doch Meike Tilebein weiß: Manche Dinge brauchen einfach etwas länger.
Diese Lektion lernte sie während des Studiums, das sie mit ihren zwei kleinen Kindern im Schlepptau meisterte. 16 Semester benötigte die Professorin, bis sie schließlich das Diplom in Technischer Kybernetik in der Tasche hatte. An ihren Studienort Stuttgart kam sie jetzt wieder zurück, mit dem Auftrag, den Lehrstuhl für Diversity Studies aufzubauen.
Zu den Besonderheiten gehört nicht nur der studentische Werdegang der Ingenieurin Meike Tilebein, sondern auch ihr akademischer Titel, der nicht „Dr.-Ing.“, sondern „Dr. rer. pol.“ lautet. Der Grund: Die frischgebackene Lehrstuhlinhaberin promovierte am Institut für Betriebswirtschaftslehre des Fachbereichs Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Diese interdisziplinäre Ausrichtung machte sie zur idealen Besetzung für den neuen Studiengang Diversity Studies.
Fächerübergreifendes Forschen und Denken in Systemen zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben von Meike Tilebein. Am Gymnasium hatte die gebürtige Osnabrückerin Mathematik und Deutsch als Leistungskurse belegt. Lange konnte sie sich nicht entscheiden, welches der Fächer sie studieren solle.
Einen Ausweg aus dem Dilemma wies ihr die Studienberatung des Arbeitsamtes. „Ich hörte damals zum ersten Mal etwas von Technischer Kybernetik. Da diese Fachrichtung nur in Stuttgart angeboten wurde, war der Studienort gleich mitgeklärt“, erinnert sich die Ingenieurin. „Was mich überzeugte, war die allgemeine Anwendbarkeit dieser Wissenschaftsdisziplin.“ Wie richtig sie lag, sollten die nächsten Jahre zeigen.
Während ihrer Promotion beschäftigte sie sich mit den Prinzipien komplexer adaptiver Systeme und damit, wie sie sich zur Unternehmensgestaltung nutzen lassen. An der privaten European Business School in Oestrich-Winkel, wo Meike Tilebein bis 2009 als Juniorprofessorin tätig war, forschte sie über Diversität und Innovationsfähigkeit von Teams.
Als Institutsleiterin für Diversity Studies bewegt sie sich nun erneut an einer Schnittstelle, die auch mit ingenieurwissenschaftlichen Methoden wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Probleme zu lösen versucht.
Die Untersuchungen sollen etwa Aufschluss darüber geben, wann ein Team so unterschiedlich zusammengesetzt ist, dass seine Mitglieder sich bei der Kommunikation gegenseitig behindern. „Wir suchen nach dem möglichst optimalen Grad an Diversität. Es stellt sich also die Frage, bis zu welchem Punkt Unterschiede innerhalb einer Gruppe nützlich sind, wann werden sie hinderlich und wie kann man diese Barriere abbauen“, erklärt die Professorin.
Jobsuche für Ingenieure
Mit solchen Themen bleibt man als Frau meist allein unter Männern. So erging es auch Meike Tilebein. Dieser Alleingang begann im ersten Semester und setzte sich in den darauffolgenden Jahren fort. „Das fand ich nicht einmal so schlecht jeder kannte mich und ich hatte immer den Eindruck, als würden alle ein bisschen auf mich aufpassen.“
Schon in der Schulzeit hatte sie sich als Klassensprecherin und in der Schülermitverwaltung engagiert. Die Gremienarbeit setzte sie an der Hochschule fort: „Ich wollte immer meine Umgebung mitgestalten.“ Ihr Bekanntheitsgrad sorgte dafür, dass sie bei Wahlen häufig überdurchschnittlich gut abschnitt.
Nein, benachteiligt habe sie sich nicht gefühlt, erklärt Meike Tilebein mit Überzeugung. Ihrem Doktorvater sei sie ewig dankbar, er habe ihr einen 9 Uhr- bis 17 Uhr-Job ermöglicht, um sich nach Feierabend um ihre Kinder kümmern zu können. Die sind inzwischen 17 und 19 Jahre alt und weitgehend selbstständig.
Mit Elan und Leidenschaft geht die 44-jährige Professorin jetzt daran, ihr Institut Schritt für Schritt auszubauen. Im Moment wird sie von zwei angehenden Ingenieuren unterstützt. Demnächst erhält das Team Verstärkung von zwei weiteren wissenschaftlichen Mitarbeitern aus dem Bereich Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.
Meike Tilebein ist zufrieden. „Ich habe es geschafft, Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen“, sagt sie. Das klingt, als sei sie ein wenig stolz darauf. Wen wundert“s. MONIKA ETSPÜLER
In der Reihe „Erfolgreiche Ingenieurinnen“ sind bisher erschienen: Christine Wolff (URS Ausgabe 17/2010) Marion Weissenberger-Eibl (Fraunhofer ISI 19/2010) Rita Forst (Opel 21/2010).
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