Visionär der PC-Architektur
die legendäre Z3. In Berlin gibt“s jetzt einen speziellen Nachbau.
Rechnen ist nicht jedermanns Sache. Selbst Ingenieure haben nicht immer Lust dazu. Der Bauingenieur Konrad Zuse beispielsweise wollte sich und andere Mitte der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts von den sturen statistischen Berechnungen befreien. Ingenieure und die „Rechenknechte“ der damaligen Zeit – auch Computatoren genannt – die in großer Anzahl in Instituten oder der Industrie ihr Geld verdienten, sollten maschinelle Hilfe erhalten.
Zuse zählte eins und eins zusammen: Am 12. Mai 1941 präsentierte er einer kleinen Öffentlichkeit in der Kreuzberger Werkstatt seine Z3. Sie bestand aus etwa 2500 Relais und wog annähernd 500 kg . Bereits in der Vorgängerin Z1 waren die Grundlagen der Rechner-Architektur Zuses gelegt. Zuse baute die Z1 aus ca. 30 000 Metallblättchen, die die binäre 0 und 1 repräsentierten. Die Maschine Z1 arbeitete unzuverlässig und er konstruierte 1938 die Maschine Z2, bestehend aus dem Speicher der Z1 aber einem Festkommarechenwerk mit 800 Telefonrelais. Da ihn die Relaistechnik überzeugt hatte, baute er die Z3 vollständig aus Relais (ca. 600 im Rechenwerk, 1600 im Speicher). Die Z3 konnte die arithmetischen Grundoperationen inkl. der Quadratwurzel in beliebigen Kombinationen per Programm ausführen. Der Speicher der Z3 konnte 64 Zahlen fassen.
Die Darstellung einer Zahl erfolgte als Gleitkommadarstellung (Vorzeichen, Exponenten, Mantisse). Der Vorteil dieser Darstellung liegt darin, dass so sehr große und sehr kleine Zahlen verarbeitet werden können. Andere Maschinen waren nur in der Lage, mit ganzen Zahlen zu operieren. Für die Darstellung eines jeden Bit wurde exakt ein Relais benötigt. Nach Aussage von Konrad Zuse erforderte eine Multiplikation zweier Gleitkommazahlen drei Sekunden Rechenzeit. In heutiger Terminologie wird die Z3 fast einhellig als erster funktionsfähiger, programmgesteuerter und frei programmierbarer Rechner in binärer Gleitpunktrechnung anerkannt. Die Architektur des Z3 ähnelt der eines modernen Computers: Steuerwerk, Speicher, arithmetische Einheit (Rechenwerk) sowie Ein- und Ausgabeeinheiten. Moderne Computer arbeiten in binärer Schaltungslogik und mit binären Gleitkommazahlen.
Es gibt also eine Reihe von Gründen, Zuse und seine Z3 zu feiern. Ein besonderes Projekt haben Dr.-Ing. Horst Zuse (TU Berlin), Sohn des Berliner Erfinders , und Prof. Raul Rojas (Freie Uni Berlin) ins Leben gerufen. Im Rahmen eines Symposiums zum Thema „60 Jahre Computergeschichte“, das sich mit Zuses Leben, Wirken und Werk beschäftigt, präsentierten sie einen (noch nicht ganz fertig gestellten) Nachbau der Z3, der didaktischen Nutzen bringen soll. Denn: Der Datenfluss wird durch kleine Leuchtdioden angezeigt. So wird Interessierten vermittelt, wie die Maschine funktioniert – und somit auch die Grundfunktionen eines modernen Computers sichtbar werden.
Dazu wurden, wie im Original, Relais verwendet – natürlich viel kleinere. „Erstens, weil es diese Original-Relais nicht mehr gibt – zweitens, weil wir eine transportable Z3 bauen wollten, die auf Ausstellungen, Messen etc. gezeigt werden kann“, erklärte Horst Zuse. Der Clou: Jedes Relais wurde zusätzlich mit einer Leuchtdiode versehen. Der Datenstrom zwischen den Komponenten der Maschine wird ebenfalls durch Leuchtdioden dargestellt. Schaltungen, die eine besondere Funktion haben, beispielsweise die Ermittlung einer Speicheradresse (Tannenbaumschaltung), sind optisch gut erkennbar angeordnet. Und noch etwas ist anders: Die nachgebaute Z3 wurde aus zwei Platinen erstellt. „Es war niemandem zuzumuten, 20 000 Leitungen diskret zu legen und zu verlöten“, sagt Horst Zuse. Die Rechner-Architektur und deren Eleganz sei deutlich gemacht, die Logik der Maschine beibehalten worden. Bis Mitte des Jahres sollen die Schrittschalter eingebaut sein, ebenso die von Schülern gebauten Lochstreifenleser und Lochstreifenstanzer.
Die Konstruktion der beiden Platinen für den Speicher und das Rechenwerk haben Frank Darius (FU Berlin) und Georg Heyne (Fritz-Haber-Institut) übernommen. Sie analysierten in mühevoller Kleinarbeit seit April 2000 die Schaltungen der Maschine und versuchten, die Leitungsverbindungen zwischen den ca. 2000 Relais optimal unterzubringen. Für den Biologen Frank Darius war das ganze Unterfangen nicht zuletzt interessant, weil Zuse mit der Z3 aus bereits bekannten Materialen durch neue Kombination eine neue Maschine erfunden hatte.
Die Z3 rechnete einige Zeit für die Henschel Flugzeugwerke, wurde aber durch Bomben 1943 zerstört. Zuse hatte aber zum Zeitpunkt der Zerstörung bereits einen Nachfolgeauftrag für die Z4 in der Tasche, die er zwischen 1942–45 baute. Der Prototyp wurde unter schwierigsten Bedingungen in den Kriegswirren aus Berlin gerettet. Im Jahr 1945 traf Konrad Zuse Wernher von Braun im Allgäu, verließ die Gruppe aber nach einigen Tagen. Während von Braun und seine Truppe von den Amerikanern für die Forschung rekrutiert wurden, blieb Zuse in Deutschland. Hier formulierte er später die erste Computersprache „Plankalkül“ und gründete die Zuse KG, die erfolgreich war, in den 60er Jahren aber dann von Siemens übernommen wurde. Die Z4 kam 1950 an die ETH Zürich. Ob Konrad Zuse als Erfinder des Computers gelten muss, ist in der Fachwelt Grund für Auseinandersetzungen. Prof. Raul Rojas: „Es gibt keinen ersten, es gibt die ersten.“ Zuse hat – bedingt durch den Krieg – isoliert von den Entwicklungen in den USA (Atanasoff, Aiken etc.) – einen entscheidenden Schritt ins Computerzeitalter getan. C. HANTROP