Nagelprobe bestanden
Seit fast 150 Jahren gibt es Weltausstellungen, und immer spielte Holz als Baustoff eine große Rolle. Die umfassende Bedeutung, die ihm allerdings auf der Expo 2000 zugewachsen ist, ist neu und elementar. Symbol dafür ist das „ExpoDach“.
Getreu dem Ausstellungs-Motto „Mensch – Natur – Technik“ wird die Nutzung von Holz auf der Expo 2000 exemplarisch als Modell für einen verantwortlichen Umgang mit Ressourcen verstanden und als lebenswichtige Option für die Zukunft dargestellt. Holz steht für die Ansicht von Experten, dass künftig nachwachsenden Rohstoffen eine immer größere Bedeutung zufällt.
Die deutsche Forst- und Holzwirtschaft hat sich deshalb erstmalig aktiv an einer Weltausstellung beteiligt. Im Herzstück der Expo, dem Themenpark, vermittelt sie in einer erlebnisorientierten Ausstellung die Praxis der nachhaltig betriebenen Forstbewirtschaftung und propagiert einen verstärkten und phantasievollen Gebrauch von Holz als Baustoff.
Ein reales Beispiel dieser Art kann der Besucher gleich um die Ecke bewundern: Unter finanzieller Beteiligung der Forst- und Holzwirtschaft entstand hier das weltweit größte Holzdach, das als „ExpoDach“ nach Ansicht seiner Erbauer zum heimlichen Wahrzeichen der Weltausstellung geworden ist.
Wer sich auf den langen Weg über das Ausstellungsgelände begibt, wird feststellen, dass Holz allgegenwärtig ist. Als leichter und preiswerter Baustoff ist Holz gut geeignet für temporär genutzte Gebäude. So ist für den Fachmann vereinzelt an Details erkennbar, dass die bewährten Regeln des Holzbaus nicht immer konsequent befolgt wurden. Allerdings sind auch mehrere Bauten auf der Expo zu finden, die nach Beendigung der Weltausstellung weitergenutzt werden – allen voran das Holzdach, das von Anfang an als fester Bestandteil des Messegeländes in Hannover geplant wurde. Der Pavillon des Vatikans beispielsweise wird wiederauferstehen als Gemeindezentrum in Lettland.
Das ExpoDach gilt als einer der spektakulärsten Beiträge für die Verwendung des Baustoffes Holz auf der Weltausstellung. In zentraler Lage des Geländes überdeckt es eine Fläche von 16 000 m2, die durch vier kleinere Pavillons sowie grachtenartige Wasserflächen gegliedert ist. Das Bauwerk beeindruckt auf den ersten Blick nicht nur wegen seiner erstaunlichen Abmessungen, sondern auch aufgrund seines skulpturalen Erscheinungsbildes. Dem Entwurf gelingt es, das Expo-Leitthema „Mensch – Natur – Technik“ zu verdeutlichen und gleichzeitig die bisherigen Grenzen des Ingenieurholzbaus zu überschreiten.
Das ExpoDach besteht aus zehn, jeweils 39 m x 39 m großen Holzschirmen, die insgesamt eine Fläche von mehr als zwei Fußballfeldern abdecken. Das Tragwerk ist für den Holzbau neuartig: doppelt gekrümmte Gitterschalen ruhen auf mächtigen Kragträgern, die ihre Kräfte – immerhin 250 t je Schirm – über Stahlformteile in mächtige Stützen aus Rundholzstämmen führen. Die dafür benötigten Weißtannen von fast einem Meter Durchmesser wurden bereits im letzten Jahr im südlichen Schwarzwald gezielt für das Bauvorhaben ausgewählt und eingeschlagen. Die Stämme trennte man anschließend aus Gründen des Schwindens mittig auf und brachte sie mittels Abstands-Bindehölzern und Passbolzen in ihre endgültige Form.
Die Holzschirme setzen sich aus jeweils vier Bauteilen zusammen, deren Größe keine Vorfertigung in einem Holzbaubetrieb zuließ, da sie nicht transportierbar gewesen wären. Deshalb entschied man sich, die Schirme im vergangenen Herbst und im Frühjahr dieses Jahres von 200 Zimmerern neben der eigentlichen Baustelle im Schutz der Messehalle 25 fertigen zu lassen. Dafür wurden sieben gleiche Lehrgerüste in der Halle errichtet, um im Schichtbetrieb die 40 Einzelschirme zusammenzumontieren. Trotz der ungewöhnlichen Dimensionen erwies sich bei der Montage die Maßhaltigkeit der Bauteile als äußerst genau. Durch die Abdeckung der gesamten Dachfläche mit einer transluzenten, recycelbaren Folie wurde der Einsatz chemischer Holzschutzmittel nicht erforderlich. Die Entwässerung des Daches erfolgt über mittig in den Stützfüßen angebrachte Edelstahlrohre, die das Wasser direkt in die „Grachten“ leiten.
Das ExpoDach ist, wie auch viele andere Bauwerke auf der Expo, für eine Nachnutzung vorgesehen. Die Bauherrin betrachtet schon heute das Dach als wesentlichen Bestandteil des Messegeländes von Hannover. Es demonstriert die faszinierenden Möglichkeiten moderner Holzkonstruktionen und ist bleibendes Symbol der Weltausstellung weit über das Jahr 2000 hinaus. wip