Jedem Schreibtisch seine Workstation
Die Abgrenzung verschiedener Desktop-Oberflächen voneinander und von ganzen Betriebssystemen auf einem Rechner war bisher eine Sache spezieller Software für Hochleistungscomputer. Der Chipgigant Intel will diese Möglichkeiten mit Hilfe der Vanderpool-Technologie nun in die Prozessor-Hardware integrieren und die PCs von morgen so deutlich leistungsstärker machen.
Nutzer professioneller Workstations mit Betriebssystemen wie Solaris von Sun sind schon seit langem daran gewöhnt, mehrere virtuell voneinander getrennte Arbeitsumgebungen zur Verfügung zu haben. Vollkommen unabhängig voneinander lassen sich auf den einzelnen simulierten Desktops Programme starten und Prozessorleistungen in Anspruch nehmen. Mit einem Klick wandert man zwischen den unterschiedlichen Ebenen hin und her, so dass die Übersicht zwischen einzelnen Applikationen und geöffneten Fenstern erhalten bleibt.
Auch Start-ups wie VMware aus dem Silicon Valley haben in dieser so genannten Virtualisierung von Prozessorenkraft einen Geschäftszweig entdeckt und verkaufen Software, die Server künstlich in mehrere Partitionen aufteilt.
Der Chipgigant Intel will nun einen Schritt weiter gehen und Fähigkeiten zum Aufziehen einzelner Arbeitsplattformen gleich in das Silizium integrieren. Einen Ausblick auf die entsprechende Technik, welche die Kalifornier unter dem Codenamen Vanderpool vorantreiben und in spätestens fünf Jahren zur Standardausrüstung von Rechnerherzen machen wollen, gab Intels Präsident Paul Otellini Mitte September auf der Entwicklerkonferenz des Konzerns in San Jose.
Die reine Hardwarelösung wird seiner Meinung nach „die Virtualisierung deutlich verbessern, mehr Robustheit und eine höhere Flexibilität beim Konfigurieren des Rechners mit sich bringen“. Zum Beweis startete der Impresario in seiner Vorführung eine Partition eines Computers mit einem Vanderpool-Prototypen an Bord neu, während er sich gleichzeitig weiter mit den staunenden Zuschauern auf demselben Rechner eine Folge der „Simpsons“ zu Gemüte führte. Das Video lief unbeschadet vom Hochfahren des Betriebssystems in einer zweiten Arbeitsumgebung weiter.
Anwendungsmöglichkeiten der Technik, die aus einem Chip viele Routinerechenschritte gleichzeitig herausholt, sieht Otellini auf zahlreichen Ebenen. „Im Verbraucherbereich lässt sich eine geschützte Umgebung für Spiele einrichten, eine andere für einen persönlichen Videorekorder.“ Zudem könnten die Nutzer zwischen einzelnen Betriebssystemen fast nahtlos wechseln oder einfach nur ihre Finanzangelegenheiten vor den Augen ihrer Kinder verbergen. „Unternehmen wird es möglich“, so Otellini weiter, „eine reine Administratorebene auf einer Partition aufzuziehen, während die restlichen Angestellten ihre Spielwiese auf einer anderen erhalten.“
In enger Verbindung sieht Otellini die Vanderpool-Technik mit den Bemühungen seines Hauses, Fähigkeiten zum Parallel-Rechnen – bei Intel „Hyper-Threading“– von den Servern in alle PCs bringen. Es ist also davon auszugehen, dass die Computer der Zukunft noch viel besser Multitasking beherrschen als die heutige Generation.
Ein weiterer Mosaikstein in der technologischen Hardware-Aufrüstung Intels ist das LaGrande-Projekt, mit dem der Prozessorgigant Teile eines Computersystems vor Hackerattacken abschotten will. Heute ist es für Angreifer recht einfach, mit Hilfe von Schadsoftware wie Trojanischen Pferden Monitordarstellungen oder Tastatureingaben mitsamt der dabei verwendeten Passwörter abzufangen. Mit LaGrande soll die Informationsverarbeitung über Keyboards, Grafikkarten oder Speicherchips in sich geschlossen ablaufen und über verschlüsselte Kanäle verknüpft werden.
Doch während Anhänger dieses Vorstoßes und die mit ihm verbundene Initiative für „vertrauenswürdige“ Hardware, die Trusted Computing Alliance (TCPA), immer wieder den Sicherheitsaspekt betonen, hagelt es bereits Kritik. Hardware-Verschlüsselungs- und Identifikationstechniken dieser Art dienten vor allem dem Kopierschutz, argwöhnen Fachleute. Für sie stärkt auch LaGrande die Medienindustrie und ihre Bestrebungen, flächendeckend Techniken zur Kontrolle der Nutzer wie das umstrittenen Digital Rights Management einzuführen.
STEFAN KREMPL