Japaner sind wild auf die deutsche Expo-Show
VDI nachrichten, Aichi/Japan, 17. 6. 05 – Wer nach „Deutschland“ will, muss Schlange stehen. Zumindest dann, wenn der deutsche Pavillon auf der Expo 2005 im japanischen Aichi gemeint ist. Der entpuppt sich auf der diesjährigen Weltausstellung als Exportschlager – auch wenn keine Roboter die Hallen bevölkern, wie in den Shows der zahlreich vertretenen japanischen Industrieunternehmen.
Schlangen, Schlangen, Schlangen. Im deutschen Pavillon, vor dem deutschen Pavillon. Also vorbeimogeln. „Wir wollen doch nur ins Restaurant“, beteuern wir. Nützt nichts. „Da ist erst recht voll. Oder haben Sie reserviert?“, so der freundliche Information-Guide. Es ist voll vor „Deutschland“, vier Stunden Wartezeit sind locker drin.
Deutschland hat einiges zu bieten auf der diesjährigen Weltausstellung, der Expo 2005 in Aichi. Nicht nur das bei den Japanern so beliebte Restaurant. „Der Renner ist die Geisterbahn“, so Monica Conrady, Pressesprecherin des deutschen Pavillons.
Das sei keine Geisterbahn, klärt uns ein freundlicher Führer auf, das sei die „Bionis“-Bahn. Bionik – Konstruieren nach dem Vorbild der Natur – ist das Thema des deutschen Pavillons. „Nature“s Wisdom“, unter dem Motto steht die Expo in Aichi. „Wir sind nicht in erster Linie zur Erzeugung oder Änderung des deutschen Image hier, wir wollen zeigen, wie wir in der Technik von der Natur lernen“, erklärt Inka Pittscheidt von der Köln-Messe, die Ausstellungsleiterin des deutschen Pavillons.
„Geisterbahn“ ist natürlich nicht der offizielle Name. „Experience Ride“ heißt das richtig. Dahinter steckt ein hübsches Stück deutscher Ingenieurskunst der Firma Zierer, einem bayerischen Karussell- und Spezialmaschinenhersteller aus Neuhausen.
Endlich drin im deutschen Pavillon startet der Besucher seine Reise in der geheimnisvollen Atmosphäre einer finsteren Höhle mit loderndem Feuer, übergroßen Fledermäusen und Spinnen. Endlich brettert ein „Drop“ heran. Drop heißt der Wagen der Achterbahn, weil er einen Wassertropfen darstellen soll. Er fasst bis zu sechs Personen.
Um 500 Besucher pro Stunde soll die Bahn transportieren. Es sollen schon mal etwas weniger sein, wird gemunkelt, der Verspätungen wegen. „Über 90 % der Besucher sind Japaner“, erfahren wir, darunter viele Ältere. Die könne man ja nicht drängen, schneller in die Wagen ein- und auszusteigen.
Los geht der „Experience Ride“, über drei Stockwerke. Vorbei an Flüssen und Wäldern, dazu zu hören: Erklärungen zur Bionik. Die stören aber nicht sehr. Denn Geisterbahnen klappern nun mal gewaltig, übertönen manches. „Ganz Deutschland eine Achterbahn“, kommt das Gemoser von der deutschen Begleitung auf den Rücksitzen.
Meckern könnte sicherlich manchmal auch Ausstellungsleiterin Inka Pittscheidt. Es gab nämlich Schwierigkeiten, mit denen in dieser Intensität keiner gerechnet hat: Die Küche hatte Mühe und Not, deutsche Nahrungsmittel zu importieren.
„Der Lebkuchen hängt immer noch im Zoll“, sagt Pittscheidt. Bei der Wurst fand man eine Lösung. „Wir lassen die Würstchen aus japanischen Schweinen nach deutschem Rezept in Tokio herstellen.“ Das tut der Warteschlange nach deutscher Küche keinen Abbruch, das weiß nämlich hier kaum einer.
Wieder vor der Tür empfangen uns Hitze und Gedränge. Ganz Japan scheint auf der Expo zu sein: Rentner, Jugendliche in Schuluniformen, Gruppen kleiner Kinder mit gelben Hüten. An jeder Ecke grüngewandete Ordnungshüter. Langnasen – sprich Besucher aus USA, Australien oder Europa – sind selten im „Straßenbild“ der Expo.
Und heiß ist es hier Anfang Juni. Also ab auf den „Global Loop“, eine Art Fußgänger-Highway auf Stelzen, der die Höhepunkte der Expo in etwa einer viertel Stunde erreichbar macht. Auf dem „Global Loop“ gibt es Sonnenschutzdächer und eine Labsal: Feinster Wasserdampf wird versprüht und legt sich kühlend auf die Gesichter.
Wo auf der Expo eine Schlange steht, sind meist Roboter nicht weit. Bestes Beispiel in Aichi: der Pavillon von Toyota. „Die nächsten fünf Shows sind völlig ausgebucht“, steht auf einer Anschlagtafel. Das heißt, mindestens 2,5 Stunden Schlange stehen. Die Besucher, die es schon bis zum Eingangstor geschafft haben, „freuen“ sich, als wir „Vips“ passieren. Kein Murren. Freundliches Lächeln. Japanische Gastfreundlichkeit.
Im ersten Teil der mehr als 30-Minuten-Schau begrüßt die „Partner Roboter Band“ die Gäste. Humanoide, „menschliche“ Roboter“ laufen auf zwei Beinen wie Menschen durch die Halle, setzen mit ihren Armen Blasinstrumente an den Mund, spielen mit den Fingern die Ventile von Trompete, Tuba und Horn, die weichen Lippen der Robotergesichter vibrieren.
Einen Roboter, der läuft, hat so etwas nicht auch Honda? „Asimo macht andere Kniebewegungen, hat einen anderen Steueralgorithmus“, antwortet Tagaki, Manager der Toyota Partner Robot Development Division. Und: „Unsere Steuerung basiert auf Anwendungen, wie wir sie im Auto haben, die Distanzsensoren etwa und das Videosystem.“
Star der Show aber ist der Roboter namens I-Foot. Nach dem Vorbild der Vögel sind seine beiden Beine konstruiert. „Damit erhebt er sich besser als mit einer menschlichen Bein-Knie-Konstruktion“, sagen Konstrukteure. Dieser Personen-Einsitzer erkennt den Boden, erkennt Stufen, klettert sie hoch.
Soya Takagi: „Wir wollen Roboter intelligenter machen, damit sie mit Menschen interagieren, kommunizieren können, ihre Sprache verstehen. Auch im Auto.“ Da wird dann aber – vorerst – nur ihr elektronisches Gehirn samt Sensoren eingebaut.
Das Ziel dieser extrem publikumswirksamen Schau: zeigen, was die Ingenieure des Konzerns können. Toyota, so die Botschaft, will intelligente Technik liefern, die Menschen hilft.
Richtig bunt geht es im Pavillon des eher als grundsolide geltenden Druckerherstellers Brother zu. Zwei kleine Roboter, ifbots genannt, bestreiten mit zwei Clowns eine Bühnenshow. Was das mit Brother zu tun hat? Man kann von sich Fotos schießen lassen, zusammen mit Clowns und Robotern, ein Schnelldrucker stößt dann kurz darauf im Sekundentakt die Bilder aus.
Dem japanischen Nachwuchs hat es der Brother-Pavillon angetan. Kaum ist die Tür auf, stürmen hunderte von Steppkes mit gelben Hüten den Raum – Technik muss unterhalten. Das gilt auch für die T-Shirt-Stickmaschine, den T-Shirtdruck oder die Herstellung von Namensschildern samt Foto.
Die Technik ist nicht nur für die Ausstellung gedacht. „Den ifbot gibt es zu kaufen: etwa für 500 000 Yen“, so Yoshihiro Yasui, Chairman von Brother. Im Schnelldrucker steckt ein Prototyp eines neuen Tintenstrahldruckverfahrens, das der Hersteller zurzeit zur Marktreife entwickelt. „Eine energiesparende und damit umweltfreundliche Technik“, erklärt Yasui.
Genug Roboter gesehen. Wo ist nur die Natur? Wir versuchen es am anderen Ende des Expo-Geländes, im Süden. Dort begegnen wir Paul Molloy, dem Verantwortlichen für den australischen Pavillon. Molloy könnte als freundlicher australischer „Sheriff“ durchgehen, mit Hut und „Bewaffnung“: Das Handy ist immer im Halfter, griff- und kommunikationsbereit.
Natur steht bei den Australiern oben auf der Agenda. Das Land will sich als moderne Mischung präsentieren: Hightech arbeitet im Hintergrund, im Vordergrund steht der Einklang mit der Natur – und in Japan ein frisches Image. Aus gutem Grund: Japan, so Molloy, ist extrem wichtig für das Land „down under“. „Kulturell wie wirtschaftlich“, betont er. Japanisch ist Schulfach.
Zwischen 14 000 und 16 500 Leute schleust Molloys Crew jeden Expo-Tag durch die Ausstellung, die ohne Technik vom Feinsten nicht auskommt. Im ersten Teil sorgt eine ausgefeilte Bildprojektion dafür, dass beim Ausflug in die Vergangenheit Australiens der „Boab Tree“ förmlich im Raum steht.
Danach, im „Data Forest“, wie Molloy es nennt, bilden 80 Plasmabildschirme mehrere meterhohe „Datentotems“, die Australiens Natur zeigen. Im Serverraum des Pavillons stehen 19 G4-Macintosh-Server, um den Datenwust zu bändigen. Fazit: ohne Technik auf der Expo kein Naturerlebnis.
Genug geredet, genug gesehen, ab über den „Global Loop“ retour zum Expo-Ausgang. Der Bus fährt gleich. „Wartezeit 60 min“ heißt es auf der grünen Anzeigetafel für den Deutschen Pavillon. „Nur noch“, denken wir, und grüßen die grün Uniformierten am Ausgang: domo arigato. rus/swe
Expo 2005
– Dauer: 25. 3. 05 bis 25. 9. 05
– Ort: Aichi, 20 km östlich von Nagoya, Japans viertgrößter Metropole
– Thema: „Nature“s Wisdom“
– Besucher: Avisiert sind 15 Mio., darunter 10 % aus dem Ausland, vor allem aus Asien. In der Praxis sind vor allem Japaner auf der Expo 2005.
– Anreise: Per Flugzeug über den neuen Flughafen von Nagoya. In Japan nur per Zug und Bus. Parkplätze für Privat-Pkw gibt es nicht am Gelände, sondern nur an Park-&-Ride-Stationen.
– Aussteller: 122 Nationen, sechs internationale Organisationen und eine Reihe japanischer Firmen.
– Eintritt: Tagesticket für Erwachsene 4600 ¥
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