Computerkauf nach sozialen und ökologischen Aspekten
Wie können Unternehmen und Behörden beim Kauf soziale und ökologische Aspekte besser berücksichtigen? Aufschluss gibt eine Broschüre mit Tipps zur Ausschreibung von Rechnerkäufen. VDI nachrichten, Düsseldorf, 3. 7. 09, jdb
Namhafte Computerhersteller weigern sich bislang mit Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen zusammenzuarbeiten. Über eine sozial-ökologische Beschaffung könnten jedoch Käufer direkt verbindliche Maßnahmen einfordern. Deshalb hat die Organisation World Economy, Ecology & Development (Weed) den Beschaffungsleitfaden „Buy it Fair“ entwickelt.
www.weed-online.org/publikationen/arbeitspapiere/2353772.html Er berücksichtigt den Lebenszyklus von Computern nach sozial-ökologischen Aspekten: Angefangen bei den Produktionsbedingungen und den verwendeten Giftstoffen über den Energieverbrauch der produzierten Rechner bis hin zum später entstehenden Elektroschrott definiert Weed Mindestanforderungen für die Beschaffung.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi, Franz Bsirske, fordert: „Wir müssen für verbindliche politische Instrumente eintreten, mit denen transnationale Unternehmen, ihre Tochterunternehmen und Zulieferer verpflichtet werden, die Menschenrechte sowie international anerkannte soziale und ökologische Normen einzuhalten.“
Computer werden heute vor allem von jungen Frauen in Sonderwirtschaftszonen in Asien und Mexiko zu niedrigen Löhnen gefertigt. Eine Untersuchung von Weed deckte im vergangenen Jahr dramatische Verhältnisse bei chinesischen Zulieferunternehmen von Markenunternehmen wie Fujitsu Siemens Computers, Dell und Lenovo auf: Etwa 370 h im Monat betragen die monatlichen Arbeitszeiten der Zulieferer Compeq Technologies und Excelsior Electronics in Stoßzeiten. Sie werden erzwungen, vorgeschriebene Zuschläge nicht bezahlt. Der Arbeitsschutz ist außerdem unzureichend, so dass die Arbeiterinnen Hautverletzungen und Schädigungen der Augen riskieren. Charakteristisch für die Branche sind Vergiftungen durch Chemikalien, die Behinderung gewerkschaftlicher Organisierung sowie ein hoher Anteil von Leiharbeit.
Befolgen Käufer den jetzt von Weed und der Gewerkschaft Verdi gemeinsam vorgestellten Leitfaden für IT-Beschaffungen, kann er durchaus Wirkung erzielen – immerhin sind es öffentliche Einrichtungen, die jährlich etwa ein Fünftel aller in Deutschland verkauften IT-Geräte beschaffen.
Bereits seit 2004 räumt das EU-Recht explizit die Möglichkeit ein, soziale und ökologische Kriterien bei der Auftragsvergabe zu berücksichtigen. Das im Februar 2009 in Kraft getretene neue deutsche Vergaberecht führt explizit die Möglichkeit auf, soziale Kriterien im Rahmen der sogenannten Auftragsausführungsbestimmungen aufzuführen.
Obwohl es klare Mindestanforderungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gibt, lässt sich ihre Einhaltung in der Praxis aber nur schwer überprüfen. Unabhängige Prüfsiegel fehlen bislang in der Computerindustrie, während es etwa im Einzelhandel bereits Fair-Trade-Zertifikate gibt. Der Leitfaden empfiehlt deshalb, bestimmte, ausführlich beschriebene Zwischenschritte zur Einhaltung besserer Arbeitsbedingungen einzufordern.
Anders als bei der Einhaltung von Arbeitsrechten gibt es bei Ressourceneffizienz und Umweltverträglichkeit bereits schon länger ausführliche Kriterienlisten wie das „GPP Training Toolkit“ der Europäischen Kommission oder der „UNEP-Leitfaden für nachhaltige Beschaffung von ICT-Geräten“, die angewandt werden können.
Die Autoren des Leitfadens glauben, dass sich die Kriterien durchsetzen lassen, und verweisen auf den Erfolg der „grünen Beschaffung“: „Auch die Anwendung ökologischer Kriterien war vor wenigen Jahren noch nicht rechtssicher umzusetzen. Mittlerweile ist grüne Beschaffung europaweit fest etabliert.“
Der Leitfaden kommt für den öffentlichen Bereich zur rechten Zeit: Ende 2008 hatten rund 130 Städte und Gemeinden in Deutschland beschlossen, keine Produkte mehr aus Kinderarbeit zu kaufen.
CHR. SCHULZKI-HADDOUTI
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