Chamäleon soll neue Segmente im Speichermarkt eröffnen
der Streit zwischen Freunden des Storage Area Networks (SAN) und den Anhängern der Idee des Network Attached Storage (NAS). Als Friedensstifter tritt SAN-Marktführer EMC auf.
Unter dem Decknamen Chamäleon entwickelte schon Data General (DG) vorzeiten einen Hoffnungsträger für das Marktsegment des Network Attached Storage (NAS). Jetzt kommt das Speichersystem unter dem Namen Clariion IP4700 für einen Grundpreis von unter 100 000 Dollar auf den Markt – lanciert vom Speicherspezialisten EMC, der DG im letzten Sommer übernommen hatte.
In nur 10 min sollen damit bis zu 3,6 TByte Datenspeicher in einem Netzwerk installiert sein. EMC-Speicher wird damit erschwinglicher, ist die Firma doch bislang vor allem für die großen, durchaus Mio. Dollar kostende Speicherschränke der Symmetrix-Familie im Bereich Storage Area Network (SAN) bekannt. EMC wagt sich mit dem IP4700 aggressiv in den Markt preiswerterer NAS-Produkte, der bislang von der Network Appliance dominiert wird.
Der zweite Streich im NAS-Bereich: Den seit Jahren im Highend-Bereich angesiedelten NAS-Server Celerra koppelt EMC mit einem seiner Symmetrix-Speicherschränke – alles in einem Gehäuse. Der so entstandene Zwitter „Celerra SE File-Server“ soll in Verbindung mit der gleichfalls neuen Speichersoftware „Highroad“ die Standards des File-Sharing von NAS-Konzepten mit der Performance des Datenzugriffs in SANs vereinen. Das zumindest verspricht Werner Brockhagen, EMC-Deutschland-Chef.
EMC propagiert mit dem Celerra SE File-Server die Konvergenz von SAN und NAS – in einem Produkt. Der Symmetrixteil dient als Backend-Speicher den Celerra NAS-Server. Die Nutzer könnten erstens vom verteilten Datenzugriff über schnelle Kanäle profitieren, so Brockhagen, zweitens die Belastung ihres operativen Netzes spürbar senken und drittens bei Applikationen, die mit Zugriffen vieler Server auf große Dateien verbunden sind, eine hohe Performance erreichen. „Highroad wählt automatisch und transparent jeweils jene File-Sharing-Methode aus, die die höchste Performance bietet“, ergänzt Mika Kotro, Manager Marketing Programm bei EMC Deutschland.
Der Gesamtmarkt der SAN- und NAS-Lösungen ist in den letzten Jahren förmlich explodiert. Dataquest zufolge hatte er 1999 rund 4 Mrd. Dollar Umfang, doch 2003 soll allein der NAS-Teilmarkt 6,4 Mrd. Dollar erreichen. Beim NAS sollen allein die Systeme der oberen Leistungsklasse, wo vor allem Network Appliance aktiv ist, schon fast den halben Gesamtmarkt abdecken. Bis 2003 dürfte NAS laut Dataquest schon annähernd 12 % aller herkömmlichen Server auf Intel-Basis ersetzt haben.
Der SAN-Markt, der den Gesamtmarkt schon 1999 bei weitem dominiert hatte, soll es bis 2003 auf 27 Mrd. Dollar gestiegen sein. „Heute hat EMC am Gesamtmarkt bereits einen Anteil von etwa 35 %“, so EMC-Mann Kotro. „Doch unser jährliches Wachstum liegt sogar bei 320 %.“
Konkurrenz belebt EMC: Man fürchtet weder Dell noch Teufel
Zahlen wie diese machen verständlich, wieso Brockhagen sich von Herausforderern, wie neuerdings Michael Dell, dem Gründer und Chef des Dell-Konzerns, kaum beeindruckt zeigt – auch wenn dessen neu gegründete Speichergruppe jetzt sogar die US-Marine mit Speichersystemen beliefern wird. „Konkurrenz belebt doch bloß das Geschäft – und wir von EMC sind sowieso seit langem gewohnt, vielen Wettbewerbern gegenüberzustehen.“
„SAN ist besser geeignet bei transaktionsorientierten Systemen, die – wie etwa Flugplatzreservierungs-Anlagen – meist nur kleine Datenblöcke miteinander austauschen“, bemerkt EMCs Deutschland-Marketingleiter Malte Rademacher zur Abgrenzung SAN gegen NAS. „NAS eignet sich für Bereiche, in denen Informationen auf der Ebene kompletter Dateien genutzt werden – also etwa in der Autoindustrie mit ihren weltweit kooperierenden Konstrukteurs-Gruppen, die ja genau deshalb in Deutschland schon früh angefangen hat, mit NAS zu arbeiten.“
Bei NAS könne man sich ohne weitere Infrastruktur direkt ins Netz einklinken und Daten außerdem über beliebige Entfernungen austauschen, ergänzt Mika Kotro. Dabei sei bei NAS das gemeinsame Nutzen gespeicherter Informationen auch deshalb viel einfacher, weil die Dateien bei jedem Zugriff sofort gesperrt würden. Der Nachteil des traditionellen NAS: Beim gemeinsamen Nutzen von Dateien greifen sie stets über den File-Server auf die Informationen zu. „Dies begrenzt die Performance und die Skalierbarkeit“, betont Kotro.
Hingegen erlaubten traditionelle SAN zwar den Direktzugriff auf zentrale Datensammlungen, doch unterstützen sie wiederum das File-Sharing nicht. „Das leistet erst Highroad, mit dem gleichzeitig im SAN die Skalierbarkeits-Begrenzung aufgehoben wird“, so Kotro.
Bei Highroad beschleunigen laut Kotro separate Mechanismen für Kontrollfunktionen und den Datentransfer das Geschehen. Dabei erfolge zunächst von der Anwendung her eine Info-Anfrage über das IP-Netz an den Dateien-Server. In Schritt Nummer zwei gelange die gewünschte Information dann über ein schnelles Fibre-Channel-SAN zurück an die Anwendung. Inwieweit High-road in der jetzigen Form eine Zukunft hat, bleibt abzuwarten. Im November hatte EMC den Softwarespezialisten Crosstor übernommen, der sich mit Hochleistungs-Software für vernetzte Speichersysteme einen Namen gemacht hat.
EMC-Deutschland-Chef Werner Brockhagen wagt den Blick in die Zukunft. Er prophezeit, dass 2005 angesichts weiter sinkender Preise Speicherkapazität praktisch unbegrenzt verfügbar sein werde. Auch die Kosten pro Übertragungsbandbreiten-Einheit, also pro Baud würden um Faktoren kleiner sein als heute. Weltweit allenfalls ein paar Tausend großer Datenspeicher-Zentralen mit professioneller Verwaltung werde es noch geben. Die würden „Kunden“ das Aufbewahren ihrer Daten quasi als Dienstleistung abnehmen. E. SCHMIDT
Kontrahentenporträt
EMC versus Network Appliance
VDI nachrichten, 15. 12. 00 – Bislang haben sich die beiden Speicherhersteller EMC und Network Appliance (Netapp) die neuen gewinnträchtigen Speichermärkte gütig aufgeteilt. EMC gilt als Primus im Bereich Storage Area Network (SAN), Netapp dominiert das Segment Network Attached Storage (NAS). Die Produkte unterschieden sich bislang allein schon in der Preisklasse. Bei EMC waren 1 Mio. Dollar schnell überschritten, bei Net-app war es die Schallgrenze.
Doch in den letzten Wochen haben sich beide als Kontrahenten im Revier des anderen aufgestellt. Mit dem Clariion IP4700, einem Erbstück aus der Data General Ära, stellt EMC ein 100 000 Dollar NAS-System vor – Stand-alone, schnell installierbar. Im November übernahm EMC Crosstor, eine auf NAS-Software spezialisierte Firma, die an der Kopplung von NAS- und SAN-Systemen arbeitet.
Network Appliance hingegen kündete bereits im September NAS-Speicherschränke mit Speicherkapazitäten bis 12 TByte an – Größenordnungen, die bislang SAN-Systemen wie EMCs Symmetrix vorbehalten waren. Anfang Dezember verkündete Netapp Unterstützung für IBM Main–frames und Database Software, die klassische Highend-Welt von EMC. Die Börse goutiert beide Hersteller als Protagonisten eines Wachstumsmarktes. Seit den Kriegserklärungen steigen die Kurse. swe