Blaue Phase macht bessere Displays möglich
Für die Entwickler von Flüssigkristalldisplays, sogenannten LCDs, ist blau nicht nur eine Farbe, sondern auch ein Zustand. Doch während im allgemeinen Sprachgebrauch blau mit Ruhe assoziiert wird, steht blau im Zusammenhang mit Flüssigkristallen für extreme Schnelligkeit. LCDs auf Basis so genannter Blue-Phase-Materialien sind wohl die zurzeit schnellsten, verfügbaren Flachdisplays. Marktreif sollen sie allerdings erst ab 2011 sein. VDI nachrichten, Düsseldorf, 20. 3. 09, swe
Vor wenigen Jahren noch erzeugten Flüssigkristallanzeigen (LCDs: Liquid Crystal Displays) bei schnellen Filmsequenzen einen verwaschenen Bildeindruck. Das lag an der Trägheit, mit der sich die Flüssigkristalle ausrichteten. Heute sind selbst LCDs mit Diagonalen von 2,75 m mit höchster Auflösung möglich – ohne Verwaschungen.
Kontrast, Helligkeit, Farbbrillanz, Winkelunabhängigkeit und die Geschwindigkeit, mit der die Flüssigkristalle ihre Lagen verändern – alle Parameter eines Displays beeinflussen sich gegenseitig. Technologiesprünge in einer Größe haben in der Regel direkte Konsequenzen auf die anderen Displayeigenschaften.
Entscheidendes Display-Merkmal ist noch immer die Switching-Time, also die Schaltzeit. „1998 lag sie bei 27 ms, heute beträgt sie nur noch 7 ms. Erste Geräte mit 4 ms sind indes bereits angekündigt“, berichtet Kazuaki Tarumi, Abteilungsleiter der Sparte Liquid Crystals beim Darmstädter Merck-Konzern, dem Weltmarktführer für Flüssigkristalle.
Nun bleiben die Kristalle immer so lange ausgerichtet, bis ein neues Signal kommt. Dies ist meistens nach 16 ms oder 20 ms der Fall, je nachdem, ob die Bildwechselfrequenz 50 Hz oder 60 Hz beträgt. Für schärfere Bilder, die mit 100 Hz oder 120 Hz daherkommen, sind noch kürzere Schaltzeiten erforderlich.
Merck entwickelte daher in den letzten Jahren neue Flüssigkristalle, die schneller schalten als alle bisherigen: „Blue Mode“ oder „Blue Phase“ heißt diese Substanzklasse. „Die Blue Phase ist seit Jahren bekannt, doch haben wir dazu jetzt die entscheidenden Patente“, erklärte Tarumi auf einer Euroforum-Veranstaltung zur Displaytechnologie.
„Blue Phase-LCDs funktionieren anders als alle bisherigen Flüssigkristall- arten“, erläuterte Tarumi. Die kubisch aufgebauten und optisch doppelt drehenden Moleküle wirken selbst polarisierend. So kann auf die Ausrichtungsschicht der LCDs und optische Bildverbesserungsmaßnahmen verzichtet werden. Entscheidend aber ist die Reaktionszeit – unter 1 ms soll sie liegen.
Erste Displays mit der Blue-Phase-Technik hat Samsung angekündigt – für 2011. Da soll eine Bildwechselfrequenz von 240 Hz möglich sein, die eben nicht – wie bisher üblich – mit einer elektrischen Overdrive-Technik erreicht wird.
Wichtiger Vorteil für Blue Phase-LCDs ist für den deutschen Displayspezialist Norbert Frühauf, Professor an der Universität Stuttgart, die Effizienzsteigerung. „Stecken wir in ein LC-Display hinten 100 % Photonen rein, gehen 60 % allein durch die Polarisatoren verloren. Davon schlucken die Farbfilter nochmals 66 %. Am Ende kommen vorne nur noch 6 % bis 7 % raus“, so Frühauf.
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Um das Farbfilter zu ersetzen – es ist mit 10 % des Modulpreises die teuerste Einzelkomponente eines Displays – könnten die Hersteller LEDs aus der Hintergrundbeleuchtung einsetzen, die farbsequentiell arbeiten.
Auch könnten sich zwei Drittel der Spaltentreiber einsparen lassen. Entscheidend aber: „Wir erhöhen die Energieeffizienz um 300 %“, freut sich Frühauf. Leitungskreuzungen entfallen, ein weiteres Plus. Doch neben schnell schaltenden LEDs müssten dafür superflinke Flüssigkristalle verfügbar sein. Dafür bieten sich die neuen Blue-Phase-Materialien gut an. RAINER BÜCKEN