Keine Angst vor heißen Themen
Die Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg ist erfolgreich und anerkannt, dennoch wurde ihr Etat kräftig gekürzt. Im Mai werden die Ergebnisse einer Bewertung durch den Wissenschaftsrat vorgestellt.
Ein Grund zum Jubeln sieht anders aus. Zum 10-jährigen Bestehen der Stuttgarter Akademie für Technikfolgenabschätzung (TAA) eröffnete deren leitender Direktor, Professor Ortwin Renn, der Öffentlichkeit, dass drei von vier Direktorenposten seit langem unbesetzt sind.
Auch Etatkürzungen habe das Haus hinnehmen müssen, berichtete Renn. Von den einst 5,3 Mio. l, die die baden-württembergische Landesregierung pro Jahr zur Verfügung stellte, sind in diesem Jahr nur 4,55 Mio. l geblieben, ein Minus von 14 %.
Dennoch gehört Klagen nicht zum Naturell Renns. Die vergangenen zehn Jahre seien Ansporn, künftig weiterhin „heiße Themen wie Klonen, Nanotechnologien oder Innovationen in der Kommunikationstechnik aufzugreifen“, betonte der Soziologe beim Festakt im Haus der Wirtschaft in Stuttgart.
Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) war nicht gekommen, wohl aber sein Vorgänger Lothar Späth, auf dessen Initiative das Institut eingerichtet wurde. Es stellt sich die Frage: Wie steht die Landesregierung zu ihrem Kind, das in der Wissenschaft inzwischen einen hervorragenden Ruf genießt? Die Antwort ist einfach: Sie weiß es nicht so recht. Noch läuft eine Evaluation des Wissenschaftsrates, deren Ergebnis im Mai veröffentlicht werden soll. Bis dahin währt auch der Stellenstopp.
Bereits vor der letzten Landtagswahl hatte das Wissenschaftsministerium darauf gedrängt, die Struktur der Akademie zu ändern. Statt, wie in der Satzung vorgesehen, vier gleichberechtigte Vorstandsmitglieder, die einen Sprecher wählen, wollte das Ministerium einen Präsidenten an der Spitze sehen. Doch das entsprach nicht dem „Prinzip der interdisziplinären Vielfalt“, betont Renn. Über diese Diskussion blieben die nach und frei werdenden Vorstandsposten unbesetzt.
Unabhängig davon genießt die Akademie mit ihren 100 Mitarbeitern einen guten Ruf, und das nicht nur aufgrund ihrer wissenschaftlichen Arbeit (280 Studien, Gutachten und Projekte, darunter regelmäßige Umfragen zur Risiko- und Technikakzeptanz). Es ist ihr gelungen, den in der Satzung vorgeschriebenen Auftrag „den gesellschaftlichen Diskurs über die Technikfolgen zu initiieren und zu koordinieren“, mit Leben zu füllen.
Es gab Verfahren, bei denen Bürger an bestimmten politischen Entscheidungen beteiligt wurden (z. B. regionale Abfallentsorgung), und es gab so genannte Bürgerforen zu Gentechnik oder Klimapolitik. Es gab runde Tische, Fokusgruppen und Internet gestützte Diskurse. Sie dienten der Gestaltung, der Abwägung oder der reinen Wissensvermittlung – insgesamt fast 50 verschiedene Projekte.
In den ersten Jahren dominierten die so genannten Gestaltungsdiskurse, berichtet Renn. Sie dienten der politischen Entscheidungsfindung in einer Stadt oder Region. Heute dominieren so genannte Orientierungsdiskurse. In ihnen werden die Teilnehmer aufgefordert, mögliche Entwicklungspfade neuer Techniken aufzuzeigen.
Doch auch sie können zur politischen Entscheidungsfindung beitragen, wie der jüngste Diskurs über die elektronische Demokratie belegt. Darin sprach sich eine Mehrheit der Beteiligten für mehr elektronische Bürgernähe aus. Gerade die Kommunalpolitik solle das Internet mehr zur Information und Bürgerbeteiligung nutzen, fordern sie. HELENE CONRADY