Düsentrieb und Dukaten vereint
Erfinderisches und finanzielles Potenzial in Deutschland müssen zusammenfinden, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Kontaktmöglichkeiten gibt es viele.
Deutschland zählt zu den reichsten Ländern der Erde: Bankentürme der internationalen Finanzmetropole Frankfurt zeugen von hoher Finanzkraft. Deutschland ist auch das „Land der Dichter und Denker“: Mit Erfindungsreichtum und Unternehmermut fanden Goethes Erben immer wieder Eingang in die Geschichtsbücher.
In jüngerer Zeit nun wachsen die gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen Kapital und Know-how: Unsere hoch technisierte Gegenwart lässt keine bahnbrechende Erfindung mehr zu, ohne entsprechendes „Kleingeld“ in der Hinterhand. Selbst sparsame „Düsentriebs“ müssen nicht selten ein Vermögen in die Umsetzung ihrer Ideen investieren. Umgekehrt suchen Vermögende zwischen Flensburg und Oberammergau nach rentablen Innovationen, um Fuß in neuen Märkten zu fassen.
Beide Seiten mussten in der Vergangenheit oft auf eigene Faust zueinander finden. Auf dem beschwerlichen Weg der Kontaktaufnahme gingen Chancen für die Zukunft verloren. Liquide Mittel versickerten in überholten Technologien, interessante Anregungen zu Produktinnovationen erreichten nie einen Adressaten und verliefen im Sande – eine vor dem Hintergrund kürzer werdender Produktlebenszyklen bedrohliche Entwicklung: Die internationale Konkurrenz könnte ehemaligen Branchenführern den Rang ablaufen. Träge Unternehmen verlieren den Anschluss an den Stand der Technik. Dortige Arbeitsplätze sind gefährdet, die Schaffung neuer wird vereitelt.
Dabei gibt es inzwischen zahlreiche Informations- und Kontaktstellen. Der Deutsche Industrie- und Handelstag etwa unterhält im Internet die „Technologiebörse“. „Jährlich veröffentlichen wir etwa 2000 bis 2500 Offerten“, erklärt Hans-Hermann Jürgensmann, im DIHT für Mittelstandspolitik und -förderung sowie Existenzgründung und Unternehmensberatung zuständig. „Angesprochen sind sowohl Firmen, die nach Lösung eines konkreten Problems suchen, als auch Erfinder, die ihre schöpferische Leistung anbieten wollen.“ Der Service sei kostenlos und führe in etwa 15 % aller Fälle zum Erfolg: Die jeweilige Idee werde zur Marktreife geführt oder ein Problem mittels Innovation aus der Welt geschafft.
Für Ideen- und Kapitalgeber gleichermaßen interessant ist außerdem der „Innovation Market“, ein gemeinsamer Web-Service von Deutscher Börse AG und Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Innovative Unternehmen, Gründer und Forschungseinrichtungen auf der Suche nach finanzieller oder unternehmerischer Unterstützung finden hier eine geeignete Plattform für ein Inserat. Engagierten Geldgebern wird ein „maßgeschneiderter Zugang zu renditeträchtigen Innovationsvorhaben“ geboten. Jürgen Köstner, KfW-Referent für Innovations- und Beteiligungsförderung, verrät Zahlen zur Akzeptanz des Angebots: „In der Regel registrieren wir pro Monat etwa 1500 Zugriffe auf die durchschnittlich 100 Erfindungsportraits.“ Im vergangenen Jahr seien sieben Verwertungen eingeleitet worden. „Entweder wurden Lizenzen verkauft, oder der Erfinder erhielt finanzielle Unterstützung.“
Zwischen Wissenschaft und Wirtschaft vermitteln will auch Insti. In dem vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln betreuten und vom Ministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt wurde ein bundesweites Netzwerk von regionalen Anlaufstellen geknüpft. Knotenpunkte sind Patentanwälte, Patentinformations- und Erfinderförderzentren, Unternehmensberater sowie Technologieagenturen in allen Teilen des Landes. Erfinder und Unternehmer können sich durch Nutzung der angegliederten Patent- und wissenschaftlich-technischen Datenbanken vor Ort über Innovationen informieren und somit Doppelentwicklungen und Fehlinvestitionen vermeiden.
Natürlich leistet auch das Deutsche Marken- und Patentamt als Hüter der guten Ideen einen Beitrag zur Innovationsförderung: Ralf, der „Rechtsstand-Auskunft und Lizenz-Förderungs-Dienst“, bietet einen Überblick über geschützte Erfindungen mit der Möglichkeit zur Lizenznahme.
Trotz der vielen Vermittlungsstellen – die hier genannten geben nur einen Überblick über die Großen am Markt – fließt den Erfindern das Geld nicht automatisch zu. Benjamin Roloff beispielsweise sucht seit Monaten nach einem Investor für sein aufblasbares Handy. Der 29-jährige Student des Industriedesigns an der Kieler Muthesius Hochschule hat zwar bereits einen Verwertungsvertrag mit der Technologiestiftung Schleswig-Holstein abgeschlossen. „Das TTZ hat ein Werbefaltblatt herausgegeben, das Produkt auf Veranstaltungen vorgestellt und es in den Innovation-Market eingestellt.“ Ergeben habe sich bisher aber noch nichts.
„Solche Erfinder sollten sich auch direkt an Unternehmen der jeweiligen Branche richten“, rät Norbert Haugg, Präsident des Deutschen Patentamtes in München. Internet basierte Vermittlungsstellen fänden vielfach nur eine geringe Resonanz. Grund dafür könnten mangelnde Kenntnisse von Unternehmern zur effizienten Nutzung modernster Informationsmedien sein. Schuld träfe aber auch die Erfinder selbst: „Ihre Angebote im Internet sind vielfach zu undetailliert. Sie müssten ihre Produkte besser erklären. Auch Preisvorstellung und angedachtes Produktionsvolumen sollten von vornherein offen gelegt werden.“
Am einfachsten sind Wirtschaft und Erfinder nach Ansicht Hauggs im Rahmen echter Kontaktbörsen – also abseits des Internets – an einen Tisch zu bringen. Die vom 28. bis 31. Oktober in Nürnberg stattfindende Internationale Ausstellung „Ideen, Erfindungen, Neuheiten“ beispielsweise sei ein Schritt in die richtige Richtung. Im direkten Gespräch könnten Erfinder hier Kontakte zu Industrie, Handel, Handwerk oder Dienstleistungsbereich knüpfen. „Denkbar wären aber auch Verhandlungen im Umfeld von Fachmessen, beispielsweise der Materialica oder der Systems.“ Hier träfe eine branchenspezifische Nachfrage auf ein spezialisiertes Angebot. „Problematisch für junge Erfinder könnten dabei allerdings die teilweise recht hohen Messegebühren sein.“
Eine solche Erfinderbörse wäre nach Ansicht Roloffs hilfreich. „So etwas könnte dazu beitragen, die Wege erheblich zu verkürzen.“
STEFAN ASCHE
Papiergewordene Erfindungen, von skurril bis bahnbrechend, lagern im Deutschen Patent- und Markenamt in München. Präsident Norbert Haugg könnte sich für deren Vermarktung Börsen am Rande von Fachmessen vorstellen.
Für das aufblasbare Handy von Benjamin Roloff wird noch ein Investor gesucht