Der Innovationsprozess wird demokratisiert
Neue Produkte oder Dienstleistungen zu kreieren, wird immer teurer und riskanter. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Viele Firmen gehen deshalb dazu über, Forschung und Entwicklung zusammen mit externen Partnern wie Kunden, Zulieferern oder Wissenschaftlern zu betreiben. Der neue Trend heißt „offene Innovation“. VDI Nachrichten, Düsseldorf, 16. 1. 09, STA
Produktionsbetriebe und Dienstleister entwickeln ihr Angebot künftig in Kooperation mit ihren Kunden. Sie versprechen sich davon, dass das Ergebnis am Markt angenommen wird. Auch die Kunden profitieren: Sie bekommen Produkte, die sie bisher vermissten. Außerdem haben sie die Chance, sich innerhalb der Community einen Namen zu machen. Das ist ein zentrales Ergebnis einer aktuellen OECD-Studie. Der Titel lautet „Open Innovation in Global Networks“. Befragt wurden 59 Firmen aus zwölf Ländern. Der Fokus lag auf Großunternehmen mit Hightech-Fokus. So beschäftigt ein Dutzend der Teilnehmer über 100 000 Mitarbeiter, mehr als ein Drittel ist im Bereich Elektronik/IKT tätig.
Aktuell ist die Bereitschaft der Firmen, mit ihren Kunden zusammen zu arbeiten, im internationalen Vergleich recht unterschiedlich ausgeprägt: In Finnland beträgt die Quote 93 %, in Spanien 23 %. Deutschland liegt mit 51 % im Mittelfeld.
Zur Spitzengruppe zählt Deutschland, wenn es um Partnerschaften mit Hochschulen geht: 53 % der Firmen haben bereits entsprechende Erfahrungen gemacht. Andere öffentliche und private Forschungseinrichtungen sowie Lieferanten und Konkurrenten spielen als FuE-Partner derzeit nur eine Nebenrolle.
Die „offene Innovation“ ist für die meisten der Befragten bisher lediglich ein zusätzliches Geschäft. Fast drei Viertel der Firmen investieren rund 80 % ihres gesamten FuE-Etats in hausinterne Tätigkeiten.
Die Globalisierung hat die Anzahl möglicher Partner indes drastisch erhöht. Noch konzentrieren sich die FuE-Investitionen auf die USA, die EU und Japan. Doch China, Indien oder Russland mit ihren relativ gut entwickelten Bildungssystemen produzieren zahlreichen wissenschaftlichen Nachwuchs bei niedrigen Löhnen. 2006 gab es laut OECD in China bereits 1,2 Mio. Forscher, in der ganzen EU waren es 1,3 Mio. Knapp 70 % der befragten Unternehmen beabsichtigten, mehr FuE-Aktivitäten ins Ausland zu verlagern. Vor allem internationale Konzerne tun das, wobei die Nähe zu wichtigen Märkten und ausgelagerten Produktionsstätten entscheidend sei.
Die meisten Unternehmen, die „Open Innovation“ betreiben, kombinierten laut OECD-Bericht mehrere Innovationsquellen: Neben den bewährten Modellen der Zusammenarbeit mit Externen wie Vertragsforschung, Joint Ventures, strategische Allianzen sowie An- und Verkauf von Lizenzen, beteiligen sie sich zunehmend an Ausgründungen aus Hochschulen oder an Risikokapitalfonds.
In den Augen der OECD ist „offene Innovation“ nicht nur die Bereitschaft, externes Wissen zuzukaufen. Ein Unternehmen öffne sich auch, in dem es Partner suche, um Eigenentwicklungen zu vermarkten, die es selbst nicht nutzen könne. Einige internationale Konzerne hätten bereits globale Innovationsnetzwerke gebildet. Ein Beispiel sei Novartis. Der Pharma-Konzern unterhält FuE-Abteilungen in der Schweiz, Großbritannien, Frankreich, den USA, in Japan und Indien. Er kooperiert im Bereich Biotechnologie mit 120 Firmen und 280 Hochschulen. Die Kooperationsprojekte nehmen mehr als ein Drittel des gesamten FuE-Etats ein. Zusätzlich hat Novartis 150 VC-Investitionen in den letzten fünf Jahren getätigt.
Die Komplexität des Wissens, die kurzen technologischen Lebenszyklen, der globale Wettbewerb und die wachsenden Kosten und Risiken zwingen einige Branchen besonders stark zur „offenen Innovation“. Betroffen sind vor allem Telekommunikation, Elektronik, Pharma und Chemie. Die Fahrzeugindustrie, die Luftfahrt und die Produzenten schnelllebiger Konsumgüter geraten laut OECD aber ebenfalls zunehmend unter Druck.
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Gebremst wird der Trend zu Innovationskooperationen durch den Diebstahl geistigen Eigentums. Am stärksten gefährdet seien KMU, die mit großen Unternehmen zusammen arbeiten. Sie hätten meist weniger Ressourcen und Erfahrung mit dem Schutz von Marken und Patenten. Neben der Angst vor Industriespionage und Nachahmern fürchteten die Befragten Kontroll- und Qualitätsverlust und zu große Abhängigkeit von den Partnern.
Laut OECD streben die Unternehmen, die „offene Innovation“ praktizieren, andererseits einen großzügigeren Umgang mit dem geistigen Eigentum an. Statt es defensiv zu schützen und Patente brachliegen zu lassen, würden Patent-Portfolios getauscht, Lizenzen gegenseitig übertragen oder Patent-Pools gebildet.
Die gesamte Studie kann im Internet eingesehen werden.
M. JORDANOVA-DUDA/sta