Forschung 30.07.2024, 11:37 Uhr

Wie UV-Licht Bakterien zu leistungsstarken Zellulosefabriken macht

ETH-Wissenschaftler haben Bakterien mit UV-Licht so verändert, dass sie bis zu 70 % mehr Zellulose produzieren, indem sie Tausende von Varianten erzeugen und die produktivsten selektieren.

Zellulose

Die bakterielle Zellulose im Nasszustand.

Foto: Peter Rüegg / ETH Zürich

Bakterien können Materialien wie Zellulose, Seide oder Mineralien produzieren, die für den Menschen von Interesse sind. Der Vorteil der bakteriellen Herstellung liegt in ihrer Nachhaltigkeit, da sie bei Raumtemperatur und in Wasser erfolgt. Ein Nachteil ist jedoch die lange Zeit, die die Bakterien benötigen, und die relativ geringen Mengen, die sie produzieren – was für eine industrielle Nutzung nicht ausreicht. Daher bemüht sich die Forschung seit Langem darum, Mikroorganismen zu lebenden Minifabriken zu entwickeln, die größere Mengen eines gewünschten Produkts schneller herstellen können.

UV-Licht steigert Zelluloseproduktion in Bakterien

An der ETH ist es Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen gelungen, Bakterien durch Bestrahlung mit UV-Licht so zu verändern, dass sie mehr Zellulose produzieren., sodass sie mehr Zellulose herstellen. Diese Methode basiert auf einem neuen Ansatz, mit dem Tausende von Bakterienvarianten erzeugt werden können, um anschließend die produktivsten zu selektieren.

André Studart, Professor für Komplexe Materialien an der ETH Zürich, und sein Team zeigen am Beispiel des zelluloseproduzierenden Bakteriums Komagataeibacter sucrofermentans, wie sich evolutionäre Prinzipien der natürlichen Selektion auf ihre Methode übertragen lassen. Dadurch können die Wissenschaftler zehntausende Varianten dieses Bakteriums in kürzester Zeit erzeugen und diejenigen auswählen, die die größte Menge an Zellulose herstellen.

70 % mehr Zellulose hergestellt

Komagataeibacter sucrofermentans stellt von Natur aus hochreine Zellulose her, ein Material, das unter anderem in der biomedizinischen Anwendung, der Verpackungsherstellung und der Textilindustrie stark nachgefragt wird. Diese Zellulose trägt beispielsweise zur Wundheilung bei und hilft, Infektionen zu verhindern. „Doch die Bakterien wachsen langsam und produzieren nur begrenzte Mengen des Materials. Wir mussten also einen Weg finden, die Produktion anzukurbeln“, erklärt Julie Laurent, Doktorandin in Studarts Gruppe. Durch den von ihr entwickelten Ansatz ist es gelungen: Einige Varianten von K. sucrofermentans produzieren bis zu 70 % mehr Zellulose als die ursprüngliche Form.

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Die Materialforscherin begann, neue Varianten des ursprünglichen Bakteriums, des so genannten Wildtyps, herzustellen. Dazu bestrahlte sie die Bakterienzellen mit UV-C-Licht, das die DNA der Bakterien zufällig schädigt. Danach ließ Julie Laurent die Bakterien in einer Dunkelkammer ruhen, was verhinderte, dass sie die Schäden reparieren konnten, und so entstanden Mutationen.

Anschließend verkapselte sie jede einzelne Bakterienzelle in einem winzigen Tropfen Nährlösung und ließ sie Zellulose produzieren. Nach der Inkubationszeit überprüfte sie mithilfe von Fluoreszenzmikroskopie, welche Zellen viel Zellulose herstellten und welche nur wenig oder gar keine produzierten.

Sortieranlage selektiert die besten Zelluloseproduzenten unter Bakterien

Mit einer von ETH-Chemiker Andrew DeMello entwickelten Sortieranlage konnte Studarts Team automatisch die besten Zelluloseproduzenten unter den Bakterienzellen aussortieren. Diese Anlage arbeitet sehr schnell und vollautomatisch. In nur zehn Minuten kann sie eine halbe Million Tröpfchen mit einem Laser scannen und die Zellen aussortieren, die die meiste Zellulose enthalten. Am Ende bleiben vier Varianten übrig, die 50 bis 70 Prozent mehr Zellulose produzieren als der ursprüngliche Wildtyp.

Die weiterentwickelten Zellen von K. sucrofermentans können in Reaktionsgefäßen an der Grenze zwischen Luft und Wasser Zellulosematten herstellen. Normalerweise wiegt eine solche Zellulosematte zwischen zwei und drei Milligramm und ist 1,5 Millimeter dick. Die Matten aus den verbesserten Varianten sind jedoch fast doppelt so schwer und dick.

Julie Laurent und ihr Team haben die vier verbesserten Varianten genetisch untersucht, um zu verstehen, welche Gene durch das UV-C-Licht verändert wurden und wie diese Veränderungen die Zelluloseproduktion beeinflussten. Dabei fanden sie heraus, dass alle Varianten dieselbe Mutation in einem Gen hatten, das für eine Protease, ein eiweißspaltendes Enzym, verantwortlich ist. Zu ihrer Überraschung stellten sie fest, dass die Gene, die direkt für die Zelluloseproduktion zuständig sind, nicht verändert wurden. „Wir vermuten, dass diese Protease Proteine abbaut, die die Zelluloseproduktion regulieren. Ohne diese Regulation kann die Zelle den Prozess nicht mehr stoppen“, kommentiert die Wissenschaftlerin.

Wie geht es weiter?

Diese neue Plattform ist vielseitig einsetzbar und kann für Bakterien genutzt werden, die verschiedene Materialien herstellen. Ursprünglich waren solche Plattformen dafür gedacht, Bakterien zu erzeugen, die spezifische Proteine oder Enzyme produzieren. „Wir sind die ersten, die mit einer solchen Plattform die Produktion von Nicht-Protein-Materialien verbessern“, kommentiert ETH-Professor André Studart, diese Arbeit bezeichnete er als „ein Meilenstein“.

Die Forschenden haben sowohl die Plattform als auch die genetisch veränderten Bakterien zum Patent angemeldet.
Jetzt möchten sie mit Unternehmen zusammenarbeiten, die bereits bakterielle Zellulose herstellen, um die neuen Mikroorganismen unter realen industriellen Bedingungen zu testen.

Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Redakteurin beim VDI-Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin unterwegs.  Sie schreibt über Karriere und Technik.

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