Veredeltes Magnesium wird zum Gewicht sparenden Designelement
Magnesium lässt sich jetzt galvanisch beschichten. Das schafft neue konstruktive Möglichkeiten für Automobil-Designer. Mit dem festen und gut gießbaren Metall steht nun eine leichte, aber robuste Alternative zu Kunststoffen im Pkw zur Verfügung.
Im Vergleich zu dem etablierten Material hat das Magnesium einige Vorteile: Seine mechanischen Kennwerte wie Festigkeit und Elastizitätsmodul sind wesentlich höher. Bei galvanisch beschichtetem Magnesium ist durch die Metall-Metall-Bindung die Haftfestigkeit und Temperaturbeständigkeit des Überzugs deutlich besser als bei galvanisch beschichteten technischen Kunststoffen. Hinzu kommt, dass solche Magnesiumteile in der Herstellung inzwischen teilweise kostengünstiger sind als solche aus galvanisierten Kunststoffen.
Die Magnesium-Bauteile werden im Druckgießverfahren hergestellt. Damit steht dem Konstrukteur auch die Möglichkeit der Konzipierung von tragenden Strukturbauteilen mit glänzendem Oberflächendekor offen.
Für Bernhard Happe, Leiter Vertrieb und Entwicklung bei HDO, kommt noch ein weiterer Punkt hinzu: „Entscheidender Doppelvorteil des Magnesiums ist die Kombination von hoher Festigkeit bei geringem Gewicht.“ Für den Automobilentwickler, der einem ständigen Zwang zur Verringerung des Gewichts unterliegt, sei dies ein ganz wesentliches Kriterium.
Als leichtestes aller großtechnisch verwendeten Metalle wiegt Magnesium nur 1,74 g/cm3. Zum Vergleich: Aluminium bringt es auf 2,7 g/cm3 und Stahl bzw. Eisen auf 7,85/cm3. Besonders attraktiv ist diese „Leichtigkeit“ für Teile im oberen Bereich eines Fahrzeugs, um damit den Fahrzeugschwerpunkt im Interesse der Fahrdynamik möglichst tief zu halten. Im Vergleich mit Kunststoffen zeichnet es sich zudem bei den Festigkeitswerten aus. Mechanisch hoch beanspruchte Strukturen wie Handgriffe im Dachbereich können mit Magnesium daher in Abmessungen hergestellt werden, an die mit Kunststoff nicht zu denken wäre.
„Auch unter Kostengesichtspunkten ist Magnesium äußerst attraktiv“, so Happe. Das gelte vor allem beim Vergleich mit gefüllten technischen Kunststoffen. Dabei sei es wichtig zu beachten, dass ein Magnesiumteil in der Regel deutlich dünnwandiger und damit oft auch leichter ausgeführt werden könne als ein Kunststoffteil gleicher Stabilität. Noch attraktiver werde Magnesium, wenn die aufgrund seiner guten Recycelbarkeit geringen Entsorgungskosten berücksichtigt werden. Recycling ist durch die Altautoverordnung inzwischen Pflicht.
Heinz Herberhold, Leiter der Prozesstechnik bei HDO, kennt den Werkstoff gut: „Bei Strukturteilen hat sich Magnesium in den letzten Jahren im Auto bereits rasant ausbreiten können.“ Schon seit Jahren bewähre sich Magnesiumguss z. B. bei Sitzgestellen, Türmodulen, Schalthebelkonsolen oder Armaturenbretthalterungen. Bei Sichtteilen habe es bisher jedoch aufgrund der nicht dekorativen Oberfläche nur wenige Einsatzmöglichkeiten gegeben.
Mit dem neuen Verfahren stehe dem nützlichen Konstruktionswerkstoff jetzt auch ein „Karrieresprung“ in die Domäne der Designelemente mit edler Hochglanzoberfläche offen. Zwar habe man Magnesium schon in der Vergangenheit zumindest im Labormaßstab galvanisieren können, doch habe sich dieser Prozess in der Praxis als ziemlich störanfällig erwiesen. Genau dieser Punkt ist nun das Entscheidende an der neuen Entwicklung: HDO verfüge jetzt über eine Prozesstechnologie, mit deren Hilfe die Anforderungen der Automobilindustrie sowohl bezüglich der Losgrößen als auch in puncto Prozesssicherheit voll erfüllt werden können. Dies sei vor allem dadurch begründet, dass HDO alle Prozesse selbst betreibt und somit die Erfahrung besitzt, diese präzise zu steuern.
„Zu den wesentlichen Verfahrensschritten gehören u. a. eine wässrige Entfettung als Alternative zur häufig eingesetzten Behandlung mit organischen Lösungsmitteln sowie eine spezielle Aktivierungsbehandlung“, verrät Herberhold. Der Übergang zwischen Entfettungs- und Aktivierungsstufe erfolgt dabei „nass in nass“. Bei der Aktivierungsbehandlung wird die Oberfläche von störenden Oxidschichten befreit. Anschließend wird eine hauchdünne Metallschicht aufgebracht, welche die Reaktivität der hoch sauerstoffaffinen Magnesiumoberfläche soweit herabsetzt, dass sie sich nicht sofort wieder mit einer Oxidschicht „abschottet“.
Damit sind die Teile bereit für die weitere „Reise“ durch die große vollautomatische Galvanikanlage von HDO, die aus insgesamt 150 Tauchbecken mit jeweils 4000 l bis 8000 l Inhalt besteht. In weiteren Schritten werden zunächst Kupfer-, Nickel- und abschließend Chromschichten abgeschieden. Bei Teilen, die statt mit Chrom mit anderen Metallen wie z.B. Ruthenium oder Palladium überzogen werden sollen, erfolgt das Aufbringen der jeweiligen Deckschichten in separaten Anlagen.
„Das eigentliche Geheimnis unseres Erfolgs liegt nicht nur in der Rezeptur für dieses oder jenes Galvanikbad, sondern in der sorgfältigen Abstimmung aller Einzelschritte der Prozesskette“, sagt Happe. Eine einwandfreie Qualität der Oberfläche stehe oder falle schon mit den richtigen Parametern beim Gießprozess: Dort könne es beispielsweise zu Fehlern kommen, die beim Rohgussteil nicht zu sehen sind, jedoch am galvanisierten Teil äußerst unschön ins Auge fallen.
Auch das Schleifen und Polieren seien wesentliche Prozessschritte, die erheblichen Einfluss auf Erfolg oder Misserfolg der galvanischen Beschichtung haben. Wer etwa versuchen wolle, Magnesiumgussteile irgendwo im Lohnauftrag „billigst“ gießen, schleifen, polieren und schließlich beschichten zu lassen, werde früher oder später unangenehme Überraschungen erleben. Das entscheidende Know-how liege in der ganzheitlichen Optimierung aller wesentlichen Prozessschritte. Deshalb legt HDO großen Wert darauf, alle für den Erfolg maßgeblichen Prozesse im eigenen Hause durchzuführen. K. VOLLRATH
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