Thixoforming bringt filigrane Stahlbauteile schnell im Form
VDI nachrichten, Hannover, 11. 1. 08, kip – Etliche Werkstoffe lassen sich gießen oder schmieden – sie können aber auch im teilflüssigen Zustand verformt werden. Das Verfahren nennt sich „Thixoforming“. Es wird von Wissenschaftlern des Instituts für Umformtechnik und Umformmaschinen (IFUM) im Produktionstechnischen Zentrum (PZH) der Leibniz Universität Hannover speziell für Stahl weiterentwickelt und verspricht Vorteile für die deutschen Hochtechnologiebranchen und ihre Zulieferer.
„Thixoforming“ könnte hier den richtigen Weg weisen, glauben die Wissenschaftler in Hannover. Denn: „Hier werden die Vorzüge des Gießens mit denen des Schmiedens vereint und die jeweiligen Verfahrensnachteile vermieden“, erläuterte Behrens. Bei dieser Umformtechnik wird das Material, das ein geeignetes Gefüge haben muss, so weit erhitzt, dass es eine teigähnliche Konsistenz annimmt. In diesem Zustand zwischen fest und flüssig lässt es sich optimal verformen – vergleichbar dem Kneten von Teig. Wie beim Gießen lassen sich auch mittels Thixoforming filigranere und dünnwandigere Bauteile herstellen als mit der klassischen Schmiedetechnik, so die IFUM-Wissenschaftler.
Doch anders als gegossene Bauteile sind thixogeformte Produkte poren- und lunkerfrei. „Was bedeutet, dass diese Fertigungstechnologie zukünftig auch für sicherheitsrelevante oder stark belastete Bauteile eingesetzt werden könnte“, ergänzte Behrens. Solche Komponenten lassen sich derzeit konventionell nur schmieden, wobei häufig mehrere, kostenintensive Prozessschritte erforderlich seien. „Beim Thixoforming hingegen ist – ähnlich wie beim Gießen – nur ein einziger Formgebungsschritt notwendig. Da die Werkstoffe bei dieser Umformtechnik deutlich fließfähiger sind als beim Schmieden, müssen die Pressen auch nicht so viel Kraft aufbringen, wodurch Energie eingespart werden kann“, sagte Werkstoffexperte Behrens. Ein weiterer Pluspunkt für ihn: “ Wenn die Bauteile aus der Presse kommen, haben sie bereits die gewünschte Endkontur. Sie müssen nicht mehr entgratet, allenfalls noch an den Funktionsflächen nachbearbeitet werden.“
Für die Fertigung von Leichtmetallbauteilen setzen die Zulieferer der Automobilindustrie das Thixoforming bereits industriell ein. Scharniere, Strukturbauteile für Fahrzeuge oder Gehäuse für Einspritzpumpen sind typische Produkte, die mit diesem Verfahren serienmäßig aus Aluminium gefertigt werden. Weitere Beispiele sind thixogeformte Magnesiumgehäuse für Kameras, Notebooks und andere elektronische Geräte.
Doch gerade bei Stahl, dem industriell wichtigsten Werkstoff, bestehe noch großer Forschungsbedarf, hebt man in Hannover hervor. Ein Problem liege hier vor allem in der Verarbeitungstemperatur. Während für Aluminium nur etwa 500 °C notwendig sind, muss Stahl zwischen 1350 oC und 1450 °C heiß sein, um ihn thixoformen zu können. Bei diesen Temperaturen beginnen aber herkömmliche Schmiedewerkzeuge aus Warmarbeitsstahl weich und rissig zu werden, was zu schnellem Verschleiß führt. Doch auch dieses Problem soll in Hannover gemeistert werden. Behrens: „Wir fügen Einsätze aus Keramik in die stählernen Grundkörper der Umformwerkzeuge ein. Keramik ist hitzebeständig und verfügt über eine große Härte und Druckfestigkeit“. Außerdem könnten die Einsätze bei Bedarf ausgetauscht werden, was die Lebensdauer der Werkzeuge entscheidend verlängere.
Eine Schwierigkeit bringt allerdings die geringe Zugfestigkeit von Keramik mit sich sowie die Anfälligkeit für Korrosion bei Kontakt mit dem teilflüssigen Stahl. Doch auch hier ist der IFUM-Leiter optimistisch: „Wir sind dabei, die Konstruktion der Werkzeuge und die Werkstoffeigenschaften der Keramikeinsätze zu optimieren, und haben bereits gute Erfolge erzielt.“ Thixoforming von Stahl könnte auf längere Sicht eine technisch und wirtschaftlich hochinteressante Alternative zum Gießen und Schmieden, speziell beim Fertigen hochbelastbarer dünnwandiger Bauteile werden – „das industrielle Potenzial ist enorm.“ KIP
Beim Stahl besteht noch großer Forschungsbedarf
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