Tankstellen halten nicht dicht
Fahrverbote bei erhöhten Ozonwerten – bringt das was? Viel wichtiger aber wäre die Frage: Wer tut was gegen undichte Tankstellen?
Unbestritten ist, daß Schadstoffe wie Kohlenwasserstoffe und Stickoxide, die zum Sommer-smog führen, zu einem erheblichen Teil durch den Verkehr verursacht werden. Nach Angaben des Umweltbundesamts stammt rund ein Drittel der Emissionen an flüchtigen Kohlenwasserstoffen (VOC) aus dem Straßenverkehr.
Doch während Automobilbauer in den vergangenen Jahren viel dafür getan haben, daß Autos den Kraftstoff besser nutzen und damit sauberer werden, bleibt eine andere Emissionsquelle aus dem Verkehrssektor nahezu unbeachtet: die Tankstellen selbst. „Bei der Verteilung und Gewinnung von Kraftstoffen entweichen immer noch große Mengen an Benzindämpfen“, betont Dr. Láshló Kacsóh von der Universität Mainz.
Daran hat auch die Einführung sogenannter Gasrückführsysteme („Saugrüssel“) wenig geändert. Messungen des TÜV Südwest an rund 400 Tanksäulen in Baden-Württemberg haben gezeigt, daß bei jeder dritten Betankung die Dämpfe ins Freie gelangten. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen der TÜV Rheinland nach einer Untersuchung von 60 Tankstellen in Nordrhein-Westfalen und das Landesumweltamt NRW bei Überprüfung von 15 Tankstellen. „Die vom TÜV 1990 prognostizierte Reduzierung der Betankungsemissionen um bis zu 75 % bis 1995 ist mit dem festgestellten Zustand des umgerüsteten Tankstellennetzes nicht zu erwarten,“ so Kacsóh.
Die Prüfer stießen auf hohe Ausfallquoten der Pumpen, zu niedrige Förderraten und undichte Schläuche. Neben mangelhaften Saugrüsseln bergen viele Tankstellen noch andere Schlupflöcher für Benzin- und Dieseldämpfe. „An vielen Tankstellen gelangen die aufgefangenen Dämpfe nicht in die Erdtanks zurück, sondern über deren Entlüftungsmast ins Freie“, weiß Fritz Curtius, Leiter eines Büros für Umwelt- und Verfahrenstechnik in Lindau. Denn bisher sieht die entsprechende „Verordnung zur Begrenzung der Kohlenwasserstoffemissionen bei der Betankung von Kraftfahrzeugen“ (21. BImSchV) nicht vor, daß regelmäßig geprüft wird, ob die Gase auch tatsächlich dem unterirdischen Lagertank wieder zugeführt werden. Curtius bemängelt daher vor allem meßtechnische Defizite. „Die Gasrückführung fällt in hohem Maße praktisch unbemerkt aus, weil die Verordnung nur sporadische Kontrollen vorschreibt und die Systeme bei der Eignungsprüfung offensichtlich nicht auf Dauerbelastung getestet werden.“ Ein von der Mineralölbranche favorisierter Schnelltester, mit dem Tankstellenpächter selbst die Saugrüssel überprüfen können, ist seiner Meinung nach ungeeignet. „Bei jeder Messung steht das Personal in giftigen Dämpfen“.
Das UBA schätzt, daß rund 4 % der Straßenverkehrsemissionen aus der Gewinnung und Verteilung von Kraftstoffen, überwiegend Ottokraftstoffe, stammen. Nicht berücksichtigt sind dabei die rund 10 % bis 20 % an Tankstellen, die keine Gasrückführung haben, weil sie weniger als 100 m3 Benzin pro Jahr verkaufen und ihnen der Gesetzgeber die Kosten für die Umrüstung – die nach Angaben des Mineralölwirtschaftsverbands bei durchschnittlich 100 000 DM liegen – nicht zumuten will.
Wieviel entweicht, hängt von vielen Faktoren ab: dem Einfüllstutzen, der Tankkonstruktion, vor allem aber auch von der Art des Fahrzeugs. Da moderne Einspritzerfahrzeuge sich schneller und höher aufheizen, kann das Benzin beim Betanken des betriebswarmen Autos bis zur Siedetemperatur aufgeheizt werden. Dadurch emittiert eine größere Menge Benzin. Curtius hat ausgerechnet, daß die Kohlenwasserstoffemission eines modernen Autos beim Betanken 35 mal so hoch sind als beim Verbrauch des Benzins im Stadtverkehr. Da mit den Kraftstoffdämpfen auch krebserregendes Benzol in die Umwelt entweicht, sind Tankstellenbetreiber vor allem in Luxemburg besorgt. Jenseits der Grenze, wo große Tankstellen quasi in Reihe auf Tanktouristen warten, möchte man die Emissionen durch optimierte Technik drücken. Curtius schätzt, daß dadurch der Gewinn um 0,5 % steigen könnte.
Auch die Umweltminister der Länder sind auf das Problem aufmerksam geworden. In einem Beschluß von November 1998 fordern sie die Mineralölwirtschaft auf, „Vorkehrungen zu treffen, damit der bestimmungsgemäße Betrieb der Gasrückführsysteme gewährleistet wird“. Sollte die Branche freiwillig nichts unternehmen, empfehlen die Minister eine Novellierung der 21. BImSchV, um Maßnahmen zu erzwingen.
Der Mineralölwirtschaft kommt der politische Druck mehr als ungelegen. Daß die Saugrüssel nicht funktionieren, sei lange bekannt gewesen, teilt der Mineralölwirtschaftsverband (MVV), Hamburg, mit. Die Branche habe schon vor der Entscheidung für den Saugrüssel darauf hingewiesen, daß die vorgesehenen Systeme technisch noch nicht ausgereift seien. „Da haben die Hersteller zuviel versprochen, um den lukrativen Markt politisch absichern zu können.“
C. FRIEDL
Wer tankt, kriegt leicht was ab: An vielen Tankstellen funktionieren die Saugrüssel nicht so, wie sie sollen. Oft gelangen Dämpfe ins Freie.
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