Spinnenseide als Vorbild 11.10.2024, 10:15 Uhr

Spider-Man lässt grüßen: Forschende entwickeln Fasern mit Superkräften

Da werden selbst Spinnen neidisch: Forschende der Tufts University entwickeln klebrige Superfasern aus Seidenprotein, die Objekte greifen und anheben können.

Faser hebt Glas an

Superkraft wie Spider-Man: Ein flüssiger Strahl einer Seidenlösung verfestigt sich zu einer Faser, haftet an einem Glaslaborbecher und hebt ihn an.

Foto: Marco Lo Presti, Tufts University

Seit Spider-Man das erste Mal über die Bildschirme flitzte und Feinde mit seinen selbstgesponnenen Netzen zur Strecke brachte, hat die Vorstellung von solchen Superkräften die Menschen fasziniert. Jetzt sind Forschende der Tufts University in den USA dabei, diesen Traum Realität werden zu lassen. Ihre innovative Technologie ermöglicht es klebrige Fasern zu schießen, die stark genug sind, um Objekte zu heben. Die Fasern bestehen aus Seidenfibroin, das durch organische Lösungsmittel und Dopamin blitzschnell aushärtet. Dank innovativer Zusätze sind die Fasern extrem zugfest und haften an fast jeder Oberfläche.

Seidenfibroin als Ausgangsmaterial

Die Natur bietet oft die besten Lösungen für technische Herausforderungen, und Spinnenseide ist eines der erstaunlichsten Materialien, die die Evolution hervorgebracht hat. Sie ist extrem leicht und gleichzeitig stärker als Stahl. Diese beeindruckenden Eigenschaften haben die Forscherinnen und Forscher des Silklab der Tufts University inspiriert, sich mit Seidenfasern zu beschäftigen.

Ihr Ausgangsmaterial ist Seidenfibroin – das Hauptprotein, aus dem Seidenraupen ihre Kokons spinnen. Dieses Protein wird zu einer Lösung verarbeitet, die durch feine Nadeln gepresst werden kann. An der Luft verfestigt sich die Lösung zu einer stabilen Faser. Dieser Prozess bildet die Grundlage für die von Silklab entwickelte neue Fasertechnologie.

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Wie funktioniert die Technik?

Das Forschungsteam fand heraus, dass sie die Eigenschaften von Seidenfibroin-Fasern durch die Zugabe bestimmter Zusatzstoffe deutlich verbessern können. Durch hinzugeben von Dopamin – einem Molekül, das auch in der Natur vorkommt und unter anderem von Seepocken für ihren starken Halt genutzt wird – konnten die Forschenden den Verfestigungsprozess der Seidenlösung extrem beschleunigen. In Sekundenschnelle wird aus der flüssigen Lösung eine stabile Faser, die an fast jeder Oberfläche haftet.

Doch Dopamin war erst der Anfang. Um die Fasern noch stärker zu machen, fügte das Team zusätzlich noch Chitosan hinzu, ein Derivat des Insektenpanzers, das für seine außergewöhnlichen Festigkeitseigenschaften bekannt ist. Durch diese Kombination konnte die Zugfestigkeit der Fasern um das 200-fache erhöht werden. Die Haftkraft wurde durch den Einsatz von Boratpuffern zusätzlich um das 18-fache erhöht.

Die so entstandenen Fasern können nicht nur fest an Gegenständen haften, sondern auch schwere Gegenstände anheben. In Tests haben die Forschenden mit ihren künstlichen Fasern unter anderem einen Stahlbolzen, ein Laborröhrchen und sogar ein im Sand vergrabenes Skalpell angehoben – und das aus einer Entfernung von über 12 cm.

Zufälliger Durchbruch

Der entscheidende Durchbruch bei der Entwicklung dieser Superfasern kam jedoch unerwartet. Marco Lo Presti, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Silklab der Tufts University, machte die Entdeckung bei einer anderen Arbeit: „Ich arbeitete an einem Projekt zur Herstellung von extrem starken Klebstoffen aus Seidenfibroin, und als ich meine Gläser mit Aceton reinigte, bemerkte ich, dass sich am Boden des Glases ein netzartiges Material bildete“. Diese zufällige Beobachtung führte zu der Erkenntnis, dass die Kombination von Seidenfibroin und Aceton unter bestimmten Bedingungen schnell zu stabilen Fasern führen kann.

In weiteren Experimenten fanden die Forschenden heraus, dass die Anwesenheit von Dopamin den Verfestigungsprozess beschleunigt, wenn die Seidenlösung mit einem organischen Lösungsmittel wie Aceton oder Ethanol vermischt wird. Das Ergebnis: hochfeste, klebrige Fasern, die sich blitzschnell bilden.

Der Prozess des Faserspinnens

Die Herstellung der Superfasern beruht auf einem einfachen, aber effizienten Verfahren. Die flüssige Seidenfibroin-Lösung wird durch eine feine Nadel gepresst und dabei mit einer dünnen Acetonschicht umhüllt. Sobald der Flüssigkeitsstrahl die Luft erreicht, verdampft das Aceton und hinterlässt eine Faser, die sich sofort an das Objekt heftet, mit dem sie in Berührung kommt.

Durch die präzise Steuerung des Prozesses konnten die Forschenden den Durchmesser der Fasern anpassen. Sie entwickelten Fasern, die so dünn wie ein menschliches Haar oder bis zu einem halben Millimeter dick sein können. Diese Flexibilität erlaubt es, die Fasern für verschiedene Anwendungen zu optimieren.

Was kommt als nächstes?

Die Anwendungsmöglichkeiten dieser neuen Technologie sind vielfältig. Von der Medizin bis zur Robotik – die Fähigkeit, Objekte aus der Ferne zu greifen und zu halten, eröffnet vielen Branchen neue Perspektiven. Vor allem in Bereichen, in denen es auf Präzision und Stabilität ankommt, könnte diese Technologie laut Forschungsteam revolutionäre Fortschritte ermöglichen.

Auch wenn die natürliche Spinnenseide noch um ein Vielfaches stärker ist als künstliche Fasern, ist den Forschenden ein wichtiger Schritt gelungen. „Wir können von der Natur lernen. Wir können uns von Comics und Science-Fiction inspirieren lassen. In diesem Fall wollten wir unser Seidenmaterial so verändern, dass es sich so verhält, wie es die Natur ursprünglich vorgesehen hat und wie es sich die Comic-Autoren vorgestellt haben“, erklärt Fiorenzo Omenetto, Direktor von Silklab.

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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