Silizium-Engpass bremst Wachstum
VDI nachrichten, Dortmund, 4. 5. 07, mav – Wie lange wird in der Solarbranche noch ein Engpass bei der Rohstoffversorgung bestehen? Wo liegen dabei die Chancen deutscher Solarunternehmen, wo die Risiken? Welche deutschen Solar-Aktien versprechen kurzfristig Erfolg? Antworten gibt die aktuelle Studie „Solar Silicon“ von HSBC Trinkaus & Burkhardt.
Die Experten des Düsseldorfer Bankhauses sprechen zu fünf deutschen Solarwerten Empfehlungen aus: Centrosolar, Conergy, Phönix Sonnenstrom, SolarWorld und Wacker Chemie. Sie stützen diese neben Analysen der Unternehmen insbesondere auf ihre Einschätzung, dass der weltweite Solarmarkt auch in diesem Jahr noch von einem Engpass bei der Versorgung mit Silizium geprägt sein wird, dem wichtigsten Rohstoff der Branche. Ab 2008 werde sich die Versorgungslage für Silizium, das für photovoltaische Anwendungen aufbereitet ist, allmählich entspannen. Ab 2009 könne aus dem „grauen Gold“, als das es angesichts der gegenwärtigen Knappheit gelte, ein normal gehandeltes Gut werden.
Die Autoren der Studie verweisen zum einen auf die Ankündigungen der führenden Siliziumproduzenten, ihre Kapazitäten zügig auszubauen. So habe die US-amerikanische Hemlock, weltgrößte Anbieterin von Polysilizium, eine Verdoppelung der Produktion in Aussicht gestellt. 19 000 t würden voraussichtlich schon 2009 erreicht, 36 000 t dann in 2012.
Zum anderen, so heißt es in der HSBC-Studie, könnten schon bald größere Siliuziumkontingente über sogenannte metallurgische Verfahren produziert werden. Daran arbeitet zum Beispiel die Berliner Solarvalue, deren Aktie in den letzten Wochen spektakuläre Zuwächse verzeichnete. Seit Anfang März hat sich ihr Kurs vervierfacht. In ihrer neuen Produktionsstätte in Slowenien wollen die Berliner nach eigenen Angaben in diesem Jahr die ersten 850 t des halbmetallischen Rohstoffs für die Solarbranche produzieren. 2008 soll die Herstellung bereits auf 4400 t wachsen.
Die Siliziumproduktion mit Hilfe des metallurgischen Verfahrens ist zwar noch kaum erprobt, laut Solarvalue aber deutlich kostengünstiger als die Produktion nach dem herkömmlichen, sogenannten Siemens-Verfahren, wie es von Hemlock und Wacker Chemie angewandt wird. HSBC traut es der Studie zufolge den Solarvalue-Konkurrenten Dow Corning und der norwegischen Elkem Solar am ehesten zu, in naher Zukunft in nennenswertem Umfang über metallurgische Verfahren hergestelltes Silizium zu liefern.
Ein Großkunde von Elkem ist die Thalheimer Q-Cells AG. Sie hat mit den Norwegern nach eigenen Angaben vor wenigen Monaten einen Liefervertrag für metallurgisches Silizium abgeschlossen. Die Gesamtmenge an Silizium, die im Rahmen des Vertrags geliefert werde, entspreche voraussichtlich einer Gesamtleistung der daraus produzierten Solarzellen von mehr als 10 GW Spitzenleistung, so Q-Cells.
Mit der Wacker Chemie hat HSBC ein Unternehmen für die Studie näher unter die Lupe genommen, das von dem enormen Nachfrageanstieg für Silizium durch die Solarbranche profitiert. Die Münchener haben 2006 sowohl beim Umsatz als auch beim Ertrag das bislang beste Ergebnis in der mehr als 90-jährigen Geschichte des Unternehmens verzeichnet.
Trotz enorm gestiegener Rohstoff- und Energiekosten konnte der Chemiekonzern nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr das Konzernergebnis nach Steuern mehr als verdoppeln und den Umsatz um 21 % steigern. Der mit einer Jahresproduktion von 6500 t weltweit zweitgrößte Siliziumhersteller will bis 2009 die Kapazität auf 14 500 t ausbauen und hat laut HSBC schon jetzt 80 % seiner Produktion bis 2015 über Langzeitverträge verkauft.
Das Unternehmen besitze gegenüber seinen siliziumhungrigen Kunden eine sehr gute Verhandlungsposition, es könne weiter stabile Gewinne einfahren. Die Aktie von Wacker Chemie notiert gegenwärtig um 134 €, gegenüber einem Vorjahreswert von rund 110 €. HSBC sieht weiteres Potenzial und legte in der Studie ein Kursziel von 140 € für das Papier fest.
Doch auch wenn sich die Versorgungslage in den nächsten Jahren entspannen sollte: Kurzfristig müssen sich die Solarunternehmen weiter auf ein knappes Siliziumangebot einstellen. Wie in der Untersuchung von HSBC ausgeführt wird, wird es in diesem Jahr für Unternehmen nicht nur schwierig, sich zusätzlich mit dem Material einzudecken, sondern auch ausgesprochen teuer.
Darunter wird laut den Experten zum Beispiel die Centrosolar leiden. Das Münchener Solarunternehmen hat laut Studie statt in Vorauszahlungen an Siliziumproduzenten in Wachstum durch Übernahmen investiert. Das Management setze auf einen Niedergang der Preise für Solarzellen, doch der werde frühestens 2008 einsetzen. In diesem Jahr seien sogar steigende Preise zu erwarten. Schon die Geschäftszahlen für 2006 seien enttäuschend gewesen, mittelfristig sei von der Centrosolar-Aktie wenig zu erwarten. HSBC senkte das Kursziel für den Anteilsschein deutlich herab von 14,50 € auf 10,20 €. Er notiert aktuell um 10,60 € und kostet damit nur noch halb so viel wie im Mai letzten Jahres.
Eher skeptisch sind die HSBC-Experten auch bei der Hamburger Conergy. Deren ehrgeizige Wachstumspläne seien noch nicht ausreichend mit Lieferverträgen abgesichert. Für den Ausbau der Produktion, die demnächst von Solarwafern bis zu Solarmodulen reichen soll, seien für 2007 zwar schon 80 % des benötigten Siliziums erworben. Doch für 2008/2009 seien noch keine Vertragsabschlüsse mit Rohstoffproduzenten gemeldet worden.
Immerhin könne Conergy darauf setzen, dass in diesem Zeitraum die Versorgungslage sich entspannen werde und man genug Silizium einkaufen könne. Doch obwohl auch HSBC davon ausgeht, dass die Hamburger ihre Wachstumspläne einhalten können, bewerten sie die Aktie aufgrund der unsicheren Rohstoffausstattung und einem möglicherweise verzögerten Anlauf der neuen Produktion in Frankfurt an der Oder lediglich neutral. Als Kursziel nennen die Autoren der Studie 55 €.
Eine Kaufempfehlung spricht HSBC dagegen für den Primus der deutschen Solarunternehmen aus, die Bonner SolarWorld. Laut Studie ist das Unternehmen nicht nur breit und damit sicher aufgestellt, weil es die gesamte Wertschöpfungskette abdeckt, es verfüge auch über ausreichend Silizium, um die für 2010 anvisierte Kapazitätserweiterung auf 1 GW zu erreichen. Das sei gewährleistet durch umfassende Lieferverträge mit Hemlock und Wacker, durch die Wiederaufbereitung von Silizium und durch die eigene Rohstoffproduktion im bestehenden Joint Venture (Joint Solar Silicon GmbH) mit Degussa und dem neuen Gemeinschaftsprojekt mit der niederländischen Scheuten, das in einer Fertigungsstätte mit 1000 t Jahreskapazität über metallurgische Verfahren Silizium produzieren soll.
Die Autoren der Untersuchung bezeichnen die Aktie von SolarWorld als hervorragenden Wert, sie haben das Kursziel gleich deutlich erhöht, von 65 € auf 80 €. Aktuell notiert der Anteilsschein nach einem kleinen Zwischentief unter 63 €. Den Kurs belasten könnten laut HSBC eventuell auftretende Schwierigkeiten beim Ausbau des US-Geschäfts der SolarWorld. Auch verzichteten die Bonner auf einen Einsatz der Dünnschichttechnologie, weshalb ein Durchbruch bei diesem Verfahren zu Abschlägen führen könne.
Im Gegensatz dazu setzt die Phönix Sonnenstrom, die demnächst in Phoenix Solar umfirmieren will, stark auf dieses neue Verfahren. Laut HSBC-Studie kann daher der Mangel an Silizium die Geschäfte des Unternehmens mit Sitz im bayrischen Sulzemoos kaum beeinträchtigen. Die von Phönix für ihre Projekte bevorzugten Dünnschichtmodule seien zwar weniger leistungsstark, dafür aber preisgünstiger und damit aus Sicht der Investoren von Solarprojekten ein Plus.
Die Bayern würden die Module vor allem von First Solar und Mitsubishi beziehen. Der Betreiber von PV-Großkraftwerken und Fachgroßhändler für Sonnenstrom-Komplettanlagen, Solarmodule und Zubehör hat laut der Untersuchung mit den im März vorgelegten Zahlen für das Geschäftsjahr 2006 die Erwartungen von HSBC erfüllt. Das Kursziel von 20 € sei erreicht worden, weshalb man die Aktie nur noch mit neutral bewerte. JÜRGEN RÖTTGER
Branchenanalysten erwarten Entspannung auf dem Siliziummarkt ab 2009
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