Saarländer walzen mehr Stahl für die Welt
VDI nachrichten, Dillingen, 8. 8. 08, Si – Zwei große saarländische Stahlkocher agieren mit hochwertigen Nischenprodukten erfolgreich auf dem Weltmarkt. In den 2007 erreichten zweistelligen Umsatzzuwächsen sehen die Dillinger Hütte und die Saarstahl AG ihre auf Qualitätsstahlerzeugnisse fokussierte Unternehmensstrategie bestätigt. Sie sind optimistisch, damit auch in 2008 gemeinsam weiter zulegen zu können.
Mit billiger Massenware haben deutsche Stahlhersteller auf den Weltmärkten kaum noch Absatzchancen. Dafür ist das Stahlprodukt „made in Germany“ im Vergleich mit Produkten aus Niedriglohnländern meist zu teuer. Die beiden großen saarländischen Stahlkocher Dillinger Hütte und die Saarstahl aus Völklingen sind deshalb auf Qualitätsstahlerzeugnisse fokussiert und haben am Weltmarkt Erfolg damit.
Die Dillinger Hütte profitierte beispielsweise im vergangenen Geschäftsjahr von der weltweit stark gestiegenen Nachfrage nach hochwertigen Grobblechen, auf die sich spezialisiert hat. Gegenüber 2007 stieg ihr Umsatz um 15,9 % auf 2,6 Mrd. €. Das Unternehmen verzeichnete dabei eine hohe Nachfrage nach den beiden Hauptproduktgruppen Rohr- und Normalbleche, so dass alle Anlagen durchweg bis an die Kapazitätsgrenze ausgelastet waren.
„Die Fokussierung unserer Strategie auf einen immer anspruchsvolleren Produktmix mit vermehrt höherwertigen und komplexeren Gütern zahlt sich aus“, erklärte Paul Belche, Vorstandsvorsitzendender der Dillinger Hütte, Anfang Juli in Dillingen. 2007 sei das bislang beste Jahr der Unternehmensgeschichte gewesen. Dies gelte sowohl für die in allen Produktionsstufen erzeugten Mengen als auch für die erzielten Umsätze .
Auf Langprodukte wie Walzdraht und Stabstahl hat sich die Saarstahl spezialisiert. Mit diesen Erzeugnissen, so betonte der Vorstandsvorsitzende Claude Kintz, habe sein Unternehmen im vergangenen Jahr etwas mehr als 2 Mrd. € umgesetzt. Im Jahr 2006 seien es noch 1,8 Mrd. € gewesen.
Auch in 2008, darin waren sich die beiden Vorstandsvorsitzenden einig, werde sich die positive Entwicklung bei der saarländischen Stahlproduktion fortsetzen. Dafür bündeln die beiden Unternehmen bereits ihre Kräfte. So produzieren sie beispielsweise gemeinsam Roheisen, betreiben zusammen eine Kokerei und haben ihren Einkauf zusammengelegt.
Gründe für den Optimismus der saarländischen Stahlkocher liefern einige Großprojekte, an denen sie beteiligt sind. Wie etwa das Projekt „Nord Stream“, eine neue Gaspipeline, die russisches Gas nach Westeuropa bringen soll und von Wyborg in Russland bis zur deutschen Ostseeküste nahe Greifswald reichen wird. Mit einer Länge von 1200 km wird sie eine der längsten Untersee-Pipelines der Welt sein.
Das technische Konzept für den Bau sieht Rohre mit einem Außendurchmesser von 1200 mm und einem Betriebsdruck bis zu 220 bar vor. Für diese Anforderungen wird hochwertiger Stahl mit hohen Blechdicken benötigt. Zudem werden die Rohre mit einer Korrosionsschutzbeschichtung versehen, die durch eine Betonummantelung in Dicken zwischen 40 mm und 150 mm verstärkt wird.
Europipe, eine 50 %-Tochter der Dillinger Hütte, wird rund drei Viertel der Rohre für den ersten von insgesamt zwei geplanten Strängen liefern. Die restlichen 25 % des Auftragsvolumens seien an das russische Röhrenwerk OMK, Vyksa, vergeben worden. Der Auftrag für Europipe umfasst laut den Unternehmensangaben 860 000 t qualitativ hochwertiger Stahlrohre. Den benötigten Grobblechbedarf zur Herstellung der Rohre wird Europipe bei ihren Gesellschaftern decken. Für den Bau des ersten Leitungsstrangs sind rund 1,1 Mio. t Stahl nötig. Darüber hinaus kommen Bleche aus der Dillinger Stahlproduktion auch beim russischen Kunden OMK zum Einsatz.
Wie leistungsfähig ihre Spezialitäten sind, stellten die Stahlproduzenten bereits bei filigranen Bauprojekten und in der Raumfahrttechnik unter Beweis. So ermöglicht beispielsweise die Kombination einer Hängekonstruktion mit einem Bogen aus Qualitätsstahl, dass die insgesamt 304 m lange und 12 m breite Fußgängerbrücke „Simone-de-Beauvoir“ in Paris 190 m freitragend die Seine überspannen kann. Die Konstruktion der Brücke erinnert an eine Linse, was ihr den Beinamen „La Lentille“ eingebracht hat. Gefertigt wurde die Linse in Elsässer Werkstätten, die von der Dillinger Hütte mit insgesamt rund 1500 t Stahlgrobblech der Güten S355N und S355NL in Dicken bis 150 mm beliefert wurden. Da bei dieser Konstruktion eine Belastung der Bleche in Dickenrichtung auftritt, produzierten die saarländischen Stahlspezialisten die Bleche auch bei größeren Dicken mit verbesserten Verformungseigenschaften in Dickenrichtung.
Bei jedem Start einer Ariane 5 fliegt auch ein Stück saarländischer Hüttentechnik mit in den Weltraum. Die aus einer Speziallegierung der Saarstahl AG bestehenden Rohlinge für die 17 t wiegenden „Booster-Dome“ werden im Dillinger Walzwerk zu Ronden vorgewalzt und danach im Presswerk der Weiterverarbeitung der Dillinger Hütte GTS in ihre endgültige Form gebracht. R. MÜLLER-WONDORF/Si
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