Müll mit verborgenen Qualitäten
Er stellt Diesel im Schnellverfahren her – aus allem was Kohlenwasserstoffe enthält.
Angefangen haben wir mit Kunststoffen“, erzählt Dr. Christian Koch, Inhaber der Gesellschaft für Katalytische Aufbereitungstechnologien. Aber inzwischen gelänge es ihm, Diesel auch aus Autoreifen, Altöl, verdorbenen Lebensmitteln von Kreuzfahrschiffen und sogar Raffinerierückständen, wie Bitumen oder Teer herzustellen. Kochs Favorit ist jedoch Klärschlamm.
Eine Anlage, die 500 l/h Dieselkraftstoff produzieren soll, habe gerade einmal eine Grundfläche von 6 m x 12 m, betont er. Die Wertstoffe werden geschreddert und mit einer Doppelschnecke in den Reaktor gepresst. Im Inneren verreibt eine Zweistufenturbine dann den kohlenstoffhaltigen Müll bei etwa 300 °C mit 2900 min-1 mit einem Spezial-Katalysator aus dem Hause Koch.
„Der Katalysator stürzt sich auf alles in dem Öl-Brei und lässt es zerfallen, so wie Zucker im Tee. Es entsteht kein Gas, keinerlei andere Rückstände, wir machen eben nur Diesel und sonst gar nichts“, behauptet der Anlagenkonstrukteur. Der Schlüssel zum schadstofffreien 280-Grad-Diesel ist der Katalysator. Das sind patentierte Aluminiumsilikate – wie ein Y geformt – die sich an die organischen Moleküle andocken und zerkleinern.
„Keine Reste“ sei freilich ein wenig übertrieben, räumt Koch ein, etwas Kohlecreme bleibe übrig, wenn pflanzliche Grundstoffe im Reaktor verarbeitet würden. Aber selbst Hochgiftiges, wie halogenierte Kohlenwasserstoffe oder gar Dioxine sollen dem Verreiben zum Opfer fallen. Emissionsfrei.
„Mit dem Katalysatortyp, der in der Patentschrift angegeben ist, haben wir die Erfahrung gemacht, dass es zumindest zu Geruchsproblemen kommt“, ist Professor Ernst Stadlbauer von der Fachhochschule Gießen-Friedberg vorsichtig. Nach seiner Erfahrung laufe keine Entsorgungs-Anlage ganz problemlos.
Die Techniker in Gießen beschreiten einen ähnlichen Weg wie der Unternehmer aus Buttenheim. Sie betreiben Niedertemperatur-Konversion. Bei 400 °C unter Luftabschluss, aber ohne mechanisches Verreiben, stellen sie Rohöl aus Klärschlamm her. „Das Produkt entspricht etwa gefördertem Rohöl aus der Nordsee“, vergleicht der wissenschaftliche Mitarbeiter Andreas Frank. Aus einer Tonne kostenpflichtigem Abfall zaubert er im Labor etwa 250 l Rohöl. Bei 1 Mio. t Tiermehl und 3 Mio. t Klärschlamm, die in Deutschland jährlich anfallen, könnte so manches Auto Sprit aus Abfallöl tanken.
Das Giessener Verfahren bewährt sich gerade in einer Pilotanlage in der Füssener Kläranlage – gefördert von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. Seit Oktober 2003 setzen sich die Wissenschaftler mit alltäglichen Verfahrensprobleme wie Emissionen auseinander und feilen an einem reibungslosen Ablauf der Rohölgewinnung im Schnellgang. Immerhin mit 50 kg/h.
Wer eine KDV 500 – kurz für katalytische drucklose Verölung – von Christian Koch begutachten möchte, muss noch ein wenig Geduld und ein Ticket nach Mexiko aufbringen. „In den nächsten zwei Monaten werden wir dort eine Anlage einweihen, die 500 l Diesel in der Stunde produziert.“ Eine Pilotanlage, die im Frühjahr 2003 für zwei Monate auf dem Gelände der Bayernoil-Raffinerie am Standort Neustadt gestanden hat, existiert inzwischen nicht mehr.
Dort wollte Koch zeigen, dass selbst ausgereizte Raffinerierückstände mit der Methode fast vollständig in Diesel umgewandelt werden können. Bayernoil bestätigt, dass es grundsätzlich möglich sei, diese Rückstände zu konvertieren, es sei aber mit dieser Pilotanlage nicht gelungen, einen dauerhaften Versuch zu fahren. Und auch das kleine Wörtchen „fast“ vor dem Adjektiv „vollständig“ sei mit Vorsicht zu genießen. Von den damit implizierten 90 % Ausbeute sei die Technik weit entfernt. Zwar sei die Dieselqualität aus der Destille besser als der Kraftstoff, den die Neustädter aus ihren etablierten Konversionsverfahren gewinnen, aber letztlich scheiterte das Projekt an der Wirtschaftlichkeit. Zumindest im derzeitigen – provisorisch anmutenden – Entwicklungsstadium und für die Aufgaben in einer Raffinerie.
Dennoch, neben Mexiko seien Anlagen aus Japan und Frankreich geordert worden, berichtet Koch. Und ein Auftrag für 18 Reaktoren komme aus Mecklenburg-Vorpommern. Allerdings mit Geld aus der Schweiz finanziert. Geht seine Kalkulation auf, werden diese Anlagen Dieselkraftstoff zum Preis von 0,20 €/l aus Reststoffen destillieren, die sonst kostspielig entsorgt werden müssten. Alles inklusive.
Öffentliche Fördergelder habe er jedoch während seiner 30-jährigen Entwicklungszeit nicht gesehen. Für deutsche Ämter existiere das Verfahren schlicht nicht, erzählt er und angesichts seiner Auftragslage klingt das nicht einmal grimmig.
JO SCHILLING
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