Werkstoffe 31.01.2003, 18:23 Uhr

Mit Flachglas um die Kurve

Bei vielen Bauten sind gekrümmte Scheiben nötig. Doch die sind viel teurer als flache. Das Büro Foster zeigt an zwei aktuellen Projekten, wie man auch mit flachen Scheiben die Kurve kriegt.

Die Glasindustrie ist stolz darauf, geschwungene Glaselemente in nahezu beliebigen Biegewinkeln liefern zu können. „Bei größeren Bauvorhaben sprengen sie jedoch meist das Budget oder verschlingen einen enormen Teil davon“, sagt Prof. Stefan Behling, Direktor des Architekturbüros Foster and Partners, London und Leiter des Instituts für Baukonstruktion und Entwerfen an der Uni Stuttgart. Zwei Londoner Bauten des Büros, das neue Rathaus und die Verwaltung der Schweizerischen Rückversicherung, beweisen, dass komplexe Geometrien auch mit flachen Scheiben zu realisieren sind.
Gleich einer Linse ist die Nordseite des Londoner Rathauses zum Fluss gerichtet, um die Sonnenstrahlen einzufangen, während die Fluss-abgewandte Südseite der Fassade sich selbst verschattet. Das Gebäude wirkt wie ins Hohlkreuz gelehnt, durch die vorkragenden Geschossdecken auf der Südseite liegt die Ebene darunter ohne weitere Maßnahmen im Schatten.
Im Gebäudeinneren befindet sich als große Kugel der Plenarsaal für die 25 Abgeordneten des Londoner Stadtparlaments sowie Büros für den Bürgermeister und 500 Mitarbeiter der Greater London Authority. Diese Kugel verjüngt sich in einer bionischen Schnecke in die oberen Geschosse. Parallelen zur Foster“schen Reichstagskuppel in Berlin drängen sich auf: Unten beginnt hier wie dort der öffentlich zugängliche Weg, Sinnbild der Demokratie.
Von einem großzügig bemessenen elliptischen Raum unterhalb des Londoner Ratssaals windet sich eine 500 m lange Rampe sanft durch alle zehn Stockwerke und eröffnet dem Besucher neue und überraschende Ausblicke auf die Stadt. „Das Gebäude ist in Ausrichtung und Gestaltung konsequent auf niedrigen Energieverbrauch ausgelegt“, erklärt Behling, denn „die Büroflächen lassen sich natürlich belüften. Zur Kühlung der Räume wird kaltes Grundwasser genutzt, das durch Kühlkonvektoren in den Decken geleitet wird. Auf laute und die Ästhetik des Bauwerks störende Kühlaggregate auf dem Dach konnte auf diese Weise verzichtet werden. Die abgewandelte sphärische Form bietet ein größtmögliches Volumen bei minimaler Oberfläche.“
Die Form des Plenarsaals folgte der akustischen Optimierung, sie wurde in zahlreichen Simulationen ermittelt. Das für die Gebäudeplanung verwendete Computermodell lieferte auch die Daten für den Zuschnitt aller Glaselemente: 3844 Scheiben für eine Flächevon 7300 m2. Planung und Bau des 43 Mio.-Pfund-teuren Gebäudes wurden in 30 Monaten abgeschlossen.
Das Gebäude im Stadtteil Southwark ist Teil des von Foster and Partners entworfenen „More London“-Masterplans für den Bereich entlang des südlichen Themse-Ufers. Ziel ist die Wiederbelebung dieses lange Zeit vernachlässigten Quartiers durch einen Mix von öffentlichen Gebäuden, Geschäften, Cafés und ansprechend gestalteten Plätzen und Flächen.
Hoch hinaus wollen alle Gebäude im Londoner Finanzzentrum. Da wollen die neuen „Swiss Re Headquarters“ auf dem Grundstück 30, St. Mary Axe – das Gelände der früheren Baltic Exchange in der City of London – natürlich mithalten und weisen immerhin 40 Etagen auf. Auch hier ist die Gebäudeform das Resultat umfassender ökonomischer und ökologischer Überlegungen.
Der Turm weitet sich erst mit zunehmender Höhe, um sich dann zur Gebäudespitze hin wieder zu verjüngen: „Diese Form berücksichtigt die besonderen Gegebenheiten des begrenzten Standorts und lässt das Gebäude bei gleicher Geschossfläche weniger schwerfällig erscheinen als konventionell rechteckige Turmbauten“, kommentiert Behling, denn „das nach unten hin zurückgenommene Profil minimiert Reflexionen, sorgt für höhere Transparenz und ermöglicht einen verstärkten Tageslichteinfall auf Geländehöhe. Die verjüngte Turmspitze minimiert Himmelsreflexionen.“
In der Turmspitze ist ein Restaurant vorgesehen. Es bietet als besondere Spezialität eine 360°-Rundumsicht auf Stadt und Umgebung. Die aerodynamische Form des Gebäudes lenkt die Windströmung so um das Bauwerk herum, dass die Windlasten, die auf Tragwerk und Fassade einwirken, viel geringer sind als bei einem Bau mit rechteckigem Grundriss und gleicher Höhe. Und, was die dort Beschäftigten sicher zu schätzen wissen, es „jault“ bei Wind auch nicht so.
Im Unterschied zu den üblichen orthogonalen Gebäudeformen wird der Wind auch nicht in Bodenrichtung abgelenkt: ein Vorteil angesichts des regen Passantenstroms rund um den Fuß des Gebäudes. Bei Modellversuchen im Windkanal fand man heraus, das sich diese Gebäudeform positiv auf die Windverhältnisse in der direkten Umgebung auswirkt. Die natürliche Luftströmung um den Turm, so Behling, sorge für erhebliche Druckunterschiede, die für die Belüftung des Gebäudes genutzt werden könnten.
Die Konstruktion des 180 m hohen Turms besteht aus einem zentralen Kern und einem umlaufendem Raster aus diagonal gekreuzten Stahlelementen. Anders als bei traditionell ausgelegten Gebäuden dieser Höhe, bei denen der Kern in der Regel für die seitliche Stabilität sorgt, dient er hier lediglich als Last tragendes Element. Möglich macht das die Steifigkeit der außen liegenden Gitterstruktur. Auch hier beanspruchen Planung und Bau kaum mehr als zwei Jahre Zeit. CR/Wip

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Ein Beitrag von:

  • Wilma Preiss

    Redakteurin VDI nachrichten. Fachthemen: Hoch- und Tiefbau, Bautechnik.

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