Glasbranche umweltpolitisch abgestraft
Die Betriebe investierten, um CO2-Emissionen zu mindern; nun sind sie durch den Handel mit CO2-Emissions- Zertifikaten benachteiligt. Und dann droht auch noch das Zwangspfand. Nächste Woche will der Branchenverband dagegen Klage erheben.
Eine Vorzeigebranche – Ausfuhrquote 41,5 % – sieht sich ins Abseits gestellt: Die deutsche Glasindustrie erwirtschaftete 2001 mit insgesamt 61 500 Beschäftigten in 405 Betrieben einen Jahresumsatz von 8 Mrd. ! – trotz lahmender Baukonjunktur. Die Firmen erzielen gut die Hälfte ihres Umsatzes mit der Herstellung bzw. Veredelung von Flachglas.
Für das laufende Jahr sind die Aussichten eingetrübt. „Der Umsatz im 1. Quartal 2002 ging um 7,2 % zurück“ berichtet Leopold von Heimendahl, Präsident des Bundesverbandes Glasindustrie, Düsseldorf. „Inzwischen erwarteten 78 % der Unternehmen in den kommenden sechs Monaten einen rückläufigen bis ausgeglichenen Geschäftsverlauf.“ 43 % der Unternehmen rechneten mit einer Zunahme im Auslandsgeschäft, im Inland nur 21 %.
Konjunkturelle Schwankungen hat die energieintensive Glasindustrie stets verkraftet, und am am teuren Standort Deutschland festgehalten. Doch nun droht in der Branche das Feuer auszugehen: „Ich wage die Prognose, dass es nach Einführung des Handels mit CO2-Emissionsrechten zu Standortverlagerungen in Staaten mit geringeren Belastungen innerhalb und außerhalb der EU kommt“, erklärte Leopold von Heimendahl, Präsident des BV Glas und unternehmerisch tätig als Vorstandsprecher von Schott Glas in Mainz, auf der Jahreskonferenz des Verbandes Ende Juni in Düsseldorf. Für die Branche bedinge der geplante EU-weite Handel mit Zertifikaten für CO2-Emissionen faktisch eine Standortbenachteiligung. Nicht berücksichtigt werde, dass die Firmen auf dem Gebiet der Emissionsminderung schon seit Jahren in Vorleistung gegangen seien.
„Die Details des geplanten Emissionsrechtehandels in Deutschland sind derzeit nur in Umrissen erkennbar“ weiß Michael Frerker, Geschäftsführer der Fachvereinigung Behälterglasindustrie. Es laufe jedoch darauf hinaus, dass Unternehmen in „energieintensiven“ Branchen zusätzlich zur Betriebsgenehmigung noch CO2-Emissionszertifikate erwerben müssten, die ihrem CO2-Ausstoß entsprechen. Für jede Ausweitung der Produktion, und für jede neue Produktionsstätte, müsse man zusätzliche Zertifikate erwerben. Wer seine Emission mindere, könne die nicht mehr benötigten Zertifikate verkaufen und damit Geld verdienen.
Im Endeffekt bedeute dies, dass Betriebe, die zur Zeit noch „Dreckschleudern“ betreiben, dafür beim Abwracken durch Verkauf der Zertifikate eine Prämie erhalten. Auf der anderen Seite gingen Unternehmen, die in den letzten Jahren massiv in CO2-Reduktion investiert hätten, leer aus. Bereits jetzt sei zu beobachten, dass Maßnahmen zur Verringerung der CO2-Emissionen auf Eis gelegt würden, weil man auf den Zertifikatehandel spekuliere.
„Ganz und gar den Falschen“ treffe eine weitere politische Maßnahme mit der geplanten Einführung des Zwangspfandes, bedauerte von Heimendahl. Mit den flächendeckend aufgestellten Glasrecyclingbehältern habe man eines der bestfunktionierenden Recyclingsysteme in Deutschland. Unter den Getränkeverpackungen habe Glas mit 87 % die höchste Recyclingquote. Durch das Pfand entstehe beim Handel ein zweites Rücknahmesystem, so dass weniger Altglas in den Containern landet. Dadurch werde das Containersammelsystem auf den Stand der achtziger Jahre zurückgeworfen.
Zudem sei nicht die Glasindustrie dafür verantwortlich zu machen, dass Mehrweg in den letzten Jahren zurückgedrängt wurde. Die Zahlen über die Getränkemärkte zeigten klar, dass die Verursacher die Getränkedose und die PET-Einwegflasche seien. Deren Marktanteile hätten dramatisch zugenommen und den Verfall der Mehrwegmärkte herbeigeführt sowie darüber hinaus auch das Einwegglas zurückgedrängt. KLAUS VOLLRATH/KÄM
Glas und Glaswaren
Flachglasveredelung und -bearbeitung
Herstellung von Gebrauchs- und Spezialglas 463 Tsd. t
davon Behälterglas