Direktverflüssigung von Biomasse zu Kraftstoffen ist effizient
VDI nachrichten, Hamburg, 15. 7. 05 – Bis zum Jahr 2010 will die EU fast 6 % des Kraftstoffbedarfs für den Fahrzeugverkehr durch Biomasse decken. Noch ist biogener Kraftstoff teuer. An der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften erproben Ingenieure nun ein effizientes Verfahren. Damit kostet der Liter Diesel kaum mehr als der aus Rohöl.
Derzeit überspringen die Preise für Benzin und Diesel unablässig neue Rekordmarken. Da könnte Diesel aus Biomasse aus der Misere helfen. Allerdings ist der zum Teil hochsubventionierte Treibstoff in der Herstellung bislang viel zu teuer. Das Verfahren der Direktverflüssigung könnte das bald ändern.
Bereits in den späten 1920er Jahren entwickelten Franz Fischer und Hans Tropsch eine großtechnisch einsetzbare Methode zur Umwandlung von kohlenstoffhaltigen Gasen zu Kraftstoffen. Das Fischer-Tropsch-Verfahren arbeitet normalerweise mit hohen Drücken und bei Temperaturen von über 1000 °C, also sehr energieintensiv.
Wesentlich effizienter erweist sich da ein Verfahren zur direkten Verflüssigung langkettiger Kohlenwasserstoffverbindungen, das jetzt in einer Pilotanlage der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften getestet wird. Unterstützung erfahren die Forscher von namhaften Automobilkonzernen, allen voran die Volkswagen AG.
Als Ausgangsmaterial verwendet das Team um Prof. Thomas Willner feste Biomasse – Holz oder Stroh sowie getrockneten Klärschlamm. Grundsätzlich ginge es auch mit Kunststoffabfällen – etwa aus dem Gelben Sack – oder mit Shredderleichtfraktionen aus der Automobilverschrottung.
Entwickelt hat das Verfahren die Firma Alphakat GmbH in Buttenheim nördlich von Nürnberg, um Altöle und Kunststoffe zu verwerten. Bislang aber fehlen ausreichende großtechnische Erfahrungen mit dieser Methode. Vorbild des patentierten Prozesses ist die natürliche Erdölentstehung.
Zentrales Element sind ionentauschaktive Aluminosilikat-Katalysatoren: puderartige, mineralische Zeolithe – ebenfalls von Alphakat entwickelt. Sie übernehmen die Rolle der Mikroorganismen, die vor Jahrmillionen abgestorbene Biomasse zersetzten, die Basis des heutigen Erdöls. Nur arbeiten die Zeolithe sehr viel rascher.
In einem Rührkessel spalten – oder „kracken“ wie es im Fachjargon heißt – die Katalysatoren in einem einzigen Arbeitsschritt langkettige, organische Materialien. Dieser Vorgang läuft bereits bei Temperaturen von unter 400 °C bei Atmosphärendruck ab. Er frisst daher wesentlich weniger Energie als die Fischer-Tropsch-Synthese.
Die dampfförmigen Krackprodukte – Öl und Wasser – kondensieren schließlich in einem Kühler. „Es dominieren die unverzweigten Kohlenwasserstoffe, die einen guten Kraftstoff auszeichnen“, verrät Willner. Etwa 70 % liegen im Dieselbereich mit Kettenlängen von 11 bis 25 Molekülen, der Rest im Benzinbereich. Die Trennung ist technisch kein Problem.
Bemerkenswert ist ferner, dass der Katalysator mögliche, im Ausgangsmaterial enthaltene Giftstoffe wie Schwermetalle oder Chlor an sich bindet und damit neutralisiert. Sie tauchen in der Ölfraktion ebenso wenig auf wie Dioxine oder Furane.
„Mit der Methode der Direktverflüssigung erreichen wir einen energetischen Wirkungsgrad von rund 70 %“, rechnet Willner vor. Das ist fast doppelt so viel wie bei anderen Verfahren.
Zugleich kalkuliert er Herstellungskosten von gut 30 ct/l. Das ist mit heutigen Herstellungspreisen von Rohöldiesel vergleichbar, auch wenn ein Fahrzeugnutzer geringfügig mehr tanken muss, weil der Brennwert um gut 25 % niedriger liegt.
Nach Willners Ansicht könnte Biodiesel mit diesem Verfahren aus der Nische fahren. „Fielen 4 Mio ha. der 17 Mio. ha deutscher Agrarfläche auf die Herstellung von Biomasse, könnten mit der Direktverflüssigung rund 40 % des heimischen Bedarfs gedeckt werden“, schätzt der Experte. Dabei hat er die Verwertung von land- und forstwirtschaftlichen Reststoffen sowie von organischen Abfällen aus Haushalten und Industrie noch nicht mit einbezogen.
„Nur die Direktverflüssigung hat eine realistische Chance, irgendwann einmal die Nachfrage nach Dieselkraftstoffen vollständig zu decken“, ist sich Willner sicher. Voraussetzung aber sei, den Bedarf unter Ausnutzung aller Einsparpotenziale deutlich zu senken. GERHARD SAMULAT/ber
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