Das graue Gold ist knapp
VDI nachrichten, Düsseldorf, 8. 4. 05 – Mit ihren enorm hohen Wachstumsraten ist die Photovoltaikindustrie in einen Siliziumengpass geraten. Eine Entlastung durch zusätzliche Produktionskapazitäten der Hersteller von Reinstsilizium wird es erst ab 2006 geben, ab 2007 dann auch durch alternative Herstellverfahren. Der Engpass wird auch die Experten auf der Kongressmesse Semicon Europe nächste Woche in München beschäftigen.
Peter Woditsch nimmt kein Blatt vor den Mund. „Die Branche hat geschlafen. Es hat keiner auf den Propheten gehört“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Solar AG im sächsischen Freiberg, einem der führenden Hersteller von Siliziumscheiben für Solarzellen. Bereits 1999 sagte eine Studie im Auftrag der Europäischen Kommission voraus, dass es etwa im Jahr 2005 für die Photovoltaikindustrie ein ernsthaftes Problem bei der Versorgung mit dem Rohstoff Silizium geben werde. Jetzt ist der Engpass tatsächlich eingetreten.
2005 wird voraussichtlich für die Solarbranche nicht viel mehr Silizium zur Verfügung stehen als im vergangenen Jahr – weltweit etwa 8000 t, schätzt Woditsch. Dazu kamen 2004 nach einer Hochrechnung von Rob Bushman, Chef der kalifornischen Firma Silicon Recycling Services, noch ungefähr 2600 t Siliziumabfälle aus der Halbleiterindustrie – macht insgesamt also etwa 10 600 t (s. Grafik).
Seit 1998 hat sich die Produktion von Solarzellen aus mono- und polykristallinem Silizium, die über 90 % des Gesamtmarkts ausmachen, mehr als verachtfacht. Der entsprechende Siliziumverbrauch stieg zwar auf Grund dünnerer Zellen und anderer Effizienzgewinne weniger stark, aber immerhin auf das Viereinhalbfache. Nur dadurch, dass inzwischen mehrere Hersteller nicht nur hochreines Polysilizium für die Halbleiterindustrie produzieren, sondern auch etwas weniger reines Material – so genanntes Solarsilizium – für die Photovoltaikindustrie, waren jährliche Wachstumsraten zwischen 34 % und 54 % möglich.
Wacker-Chemie, einer der großen Lieferanten, hatte bereits im Juli 2003 angekündigt, die Produktionskapazität für Solarsilizium bis Mitte 2004 auf 2600 t pro Jahr auszubauen. Tatsächlich wurden daraus zunächst nur knapp 2000 t. „Die Solarindustrie hat unser Angebot nicht voll angenommen“, erläutert Reimund Huber, Marketingleiter der Wacker-Geschäftseinheit Polysilicon im oberbayerischen Burghausen. Der „große Push“ sei erst im November 2003 mit dem deutschen EEG-Vorschaltgesetz über die höhere Einspeisevergütung für Solarstrom gekommen. Da es jedoch etwa 18 Monate dauert, um die Produktionskapazitäten für Polysilizium auszubauen, wurde ein Rohstoffengpass unvermeidlich – zumal auch die Halbleiterindustrie 2004 ein Wachstum von 28 % hinlegte. „Die Nachfrage ist jetzt sehr stark“, bestätigt Osamu Yokota, Sprecher des japanischen Polysiliziumherstellers Tokuyama.
Wacker und Tokuyama sowie die beiden US-Unternehmen Hemlock Semiconductor Corporation und Solar Grade Silicon machen mit einer Gesamtproduktion von 7600 t Solarsilizium den Markt fast unter sich aus. Angesichts des knappen Angebots gehen natürlich die Preise nach oben. Die renommierte Anlageberatungsfirma Credit Lyonnais Securities Asia stellte in ihrer im Juli 2004 veröffentlichten Studie „Sun screen“ einen Sprung von durchschnittlich 24 $/kg Solarsilizium im Jahr 2003 auf 32 $/kg im ersten Halbjahr 2004 fest und erwartete einen weiteren Anstieg auf 36 $/kg. Das war noch vorsichtig geschätzt: „Für Spotmengen werden mittlerweile sehr hohe Preise bezahlt – bis zu 50 Dollar je kg“, sagt Wacker-Experte Reimund Huber.
Erst ab 2006 zeichnet sich eine Entspannung ab. Dafür sorgen vor allem der Branchenführer Hemlock und Wacker. Zusammen mit einer leichten Kapazitätsausweitung bei Solar Grade Silicon werden den Firmen zufolge 2006 zusätzlich 2700 t Solarsilizium auf den Markt kommen, 2007 dann noch einmal 2100 t mehr.
Die großen Siliziumhersteller wollen den Ausstoß für die Photovoltaikindustrie mittelfristig aber nicht ausschließlich mit dem vergleichsweise teuren Siemens-Verfahren erhöhen, bei dem Silizium aus den Gasen Trichlorsilan oder Silan an rund 1100 °C heißen Dünnstäben aus Reinstsilizium abgeschieden wird. Hemlock, Wacker, Solar Grade Silicon und Tokuyama stellen bereits in Pilotanlagen kostengünstiges Siliziumgranulat mit alternativen Verfahren her und wollen davon ab 2007/2008 jeweils mehrere 1000 t pro Jahr produzieren. Auch Joint Solar Silicon und der japanische Chemieriese Chisso Corporation arbeiten an neuen Abscheideverfahren.
Dagegen setzt der norwegische Elkem-Konzern, weltweit größter Anbieter von metallurgischem Silizium, direkt beim Rohstoff an. Statt den energieintensiven Umweg über Trichlorsilan oder Silan zu gehen, das durch chemische Umsetzung von metallurgischem Silizium mit Chlorwasserstoff gewonnen wird, um die Fremdstoffe aus dem Silizium entfernen zu können, will Elkem das metallurgische Silizium durch Behandlungsverfahren reinigen. Im Spätsommer 2005 soll eine Pilotanlage anlaufen, so Christian Dethloff, Leiter der Einheit Elkem Solar.
Noch weiter geht ein niederländisch-skandinavisches Konsortium unter Federführung des Energieforschungszentrums der Niederlande (ECN): Es will metallurgisches Silizium aus so sauberem Quarz und Ruß erzeugen, dass es kaum noch gereinigt werden muss, um Solarsilizium-Qualität zu erreichen. Bart Geerligs, zuständiger Projektbetreuer beim ECN, verweist darauf, dass die Photovoltaikindustrie nach dem Jahr 2010 auf einen Bedarf von jährlich 50 000 t Silizium zusteuern wird, und sagt: „Metallurgische Routen sind für das Wachstum der Photovoltaikindustrie wirklich notwendig.“ JOHANNES BERNREUTER
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