Chinas Magnesiumproduktion übersteigt den Weltbedarf
VDI nachrichten, Düsseldorf, 29. 2. 08, Si – Die meisten Nichteisenmetalle und Rohstoffe führen längst kein Schattendasein mehr, sondern erleben seit nunmehr fünf Jahren den längsten Boom ihrer Geschichte. Das gilt besonders für Magnesium und Nickel – zwei der relativ jungen, erst seit 200 Jahren oder im Fall von Nickel gut 100 Jahren auf industrieller Basis breit genutzten Metalle. Bei beiden Werkstoffen drohen in den westlichen Industrieländern künftig jedoch Versorgungsengpässe.
Magnesium, erst 1808 entdeckt, findet sich fast überall auf der Welt, in der Erdkruste wie in den Weltmeeren und in über 60 Mineralien. Der mit einem spezifischen Gewicht von 1,74 g/cm3 leichteste metallische Konstruktionswerkstoff (Aluminium: 2,7 g/cm3) der Welt hat hervorragende Gebrauchseigenschaften. Doch vor seinem Einsatz steht ein aufwendiger Gewinnungsprozess. Gleich ob elektrolytisch oder thermisch und in der letzten Stufe durch Destillation im Hochvakuum – alle Verfahren benötigen viel Energie. Zudem besteht bei Magnesium-Granalien (kugelige oder tropfenförmige Körner), Spänen und Pulver die Gefahr von Explosionen – die Verarbeitung erfolgt deshalb in einer Überdruckatmosphäre von Inertgas wie Methan, Argon oder Wasserstoff.
Diese vielen Schwierigkeiten haben zusammen mit hohen Lohn- und zum Teil auch hohen Energiekosten dazu geführt, dass viele Hersteller in den westlichen Industriestaaten ihre Produktion eingestellt haben, darunter in Deutschland Metaleurop, der US-Chemiekonzern Dow Chemicals, die kanadische Northwest Alloys, die französische Pechiney und Anfang des vorigen Jahres noch der norwegische Hydro-Konzern.
Jo M.A. Willekens, Europa-Repräsentant der International Magnesium Association (IMA), Dessel/Belgien, und mit seiner Mg-Consult Europe selbständiger Magnesiumberater, nennt für die westliche Welt nur noch drei Magnesiumproduzenten: die Magnesium Corp. of America in Salt Lake City mit ihrer Produktion von jährlich 42 000 t Magnesium als Nummer 1, dicht gefolgt von der Dead Sea Magnesium in Israel, die jährlich 30 000 t herstellt und schließlich die brasilianische Rima mit jährlich 15 000 t Magnesium. In Russland produzieren Avisma (25 000 t/a) und Solikamsk (20 000 t/a) noch Magnesium. Allerdings plant die Russian Sverdlovsk laut Willekens eine neue Anlage mit einer Jahreskapazität von 70 000 t Magnesium. Den weitaus größten Teil des Weltbedarfs decken aber rund 160 kleinere Produzenten in China. Willekens schätzt, dass diese jährlich rund 600 000 t Magnesium herstellen können. Das allein übersteigt den gesamten Jahresweltbedarf, den die IMA auf knapp 500 000 t Magnesium veranschlagt – davon 202 000 t in Europa.
In dieser Konzentration der Hersteller in China sehen manche Verarbeiter erhebliche Risiken. Denn gerade in Europa nimmt der Bedarf weiter zu: Magnesium geht als Legierung zum Beispiel in den Aluminiumguss, andere Magnesiumlegierungen stecken im Fahrzeugbau sowie in der Luft- und Raumfahrt. Darüber hinaus ermöglichen Magnesium-Granalien in der Stahlindustrie bestimmte Sorten von Sphäroguss und die Chemie setzt das Metall bei der Herstellung von vielen Produkten ein, darunter beispielsweise pyrotechnische Pulver.
Angesichts der Klimadiskussion glaubt Willekens fest daran, dass Magnesium für viele Anwendungsfälle die richtige Werkstofflösung bietet. Wie die IMA rechnet er damit, dass der Anteil des Leichtmetalls am Automobil weiter steigt. Je nach Anwendung des Magnesiums könne sein Verbrauch jährlich zwischen 5 % und 10 % wachsen, prognostiziert Willekens.
Bei Nickel, dem wichtigsten Legierungsmetall für die Herstellung von rostfreiem Edelstahl, spielen die Chinesen ebenfalls eine Hauptrolle. Aber in diesem Fall nicht als Anbieter, sondern als Käufer. Die seit 2002/2003 rasant steigende Nachfrage aus China traf auf einen von wenigen großen Bergbaukonzernen beherrschten Markt. Und der Prozess der Konsolidierung geht weiter: BHP Billiton, der größte unter den Erz- und Metallgiganten, versucht gerade die etwas kleinere Rio Tinto zu kaufen. Die brasilianische Vale (bis vor kurzem noch CVRD, Companhia Vale do Rio Doce), ohnehin der größte Eisenerzförderer der Welt und einer der führenden Nickelproduzenten, arbeitet an einer Übernahme der Schweizer Xstrata.
Die großen Edelstahlproduzenten der Welt stehen damit immer weniger Rohstofflieferanten gegenüber. Anders als bei Magnesium, wo das Recycling bisher nur eine geringe Rolle spielt, kommt bei Nickel aber immer mehr Sekundärmaterial auf den Markt. Über den Handel mit legierten Stahlschrotten hat sich die Haniel-Tochter ELG, Duisburg, dabei längst zu einem der großen Nickellieferanten entwickelt.
Wie bei Magnesium sind auch die Verfahren zur Nickelgewinnung aufwendig und teuer. Peter Koken, als Geschäftsführer der ThyssenKrupp Metallurgie für den Handel der Primärmetalle Kupfer, Zink und Nickel zuständig, sieht die hohen Kapitalkosten als einen der Gründe dafür, dass neue Nickelprojekte nur schleppend in Gang kommen. Der größte Teil der noch nicht erschlossenen Nickelvorkommen lasse sich überdies nur mit der kapitalintensiven High-Pressure-Acid-Leach-Technologie (HPAL) erschließen. Große Bergbaukonzerne arbeiten seit Jahren daran, das Hochdruck-Säure-Verfahren sicherer und zuverlässiger zu machen – bisher laut Koken mit nur mäßigem Erfolg. Umso wichtiger sei es für die Edelstahlindustrie, ihren Nickelbedarf ausreichend und rechtzeitig abzusichern. KATHARINA OTZEN/Si
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