Biosprit ist die „dritte tragende Säule emissionsarmer Mobilität“
Seit einem Jahr erproben Daimler, Deutsche Post DHL und die Stuttgarter Straßenbahn AG den neuen Kraftstoff „NExBTL“. Geliefert wird der hochwertige Diesel aus hydriertem Palmöl von den Energiekonzernen OMV und Neste Oil. Während es technisch keine Probleme gibt und der CO2-Ausstoß gegenüber fossilem Diesel deutlich sinkt, ist seine Nachhaltigkeit fraglich. Derweil kämpfen Hersteller von Biodiesel der 1. Generation ums Überleben. VDI nachrichten, Berlin, 19. 6. 09, wop
„Gerade im Fernverkehr gehört pflanzlichen Kraftstoffen die Zukunft“, sagt Uwe Lahl, Ministerialdirektor im Bundesumweltministerium. Neben effizienteren Elektro- und Verbrennungsantrieben seien sie die dritte tragende Säule emissionsarmer Mobilität, erklärte er auf dem Symposium „Mit Biosprit in die Zukunft? – Ein Schritt zum emissionsfreien Transport“, das von Daimler am 9. Juni in Berlin veranstaltet wurde. Lahl meinte allerdings andere Biokraftstoffe als die heutigen. Etwa „NExBTL“, einen hochwertigen Diesel auf Basis hydrierter Pflanzenöle, oder synthetische Biokraftstoffe, die unter dem Sammelbegriff „Biokraftstoff der 2. Generation“ laufen.
Daimler stellte auf der Veranstaltung ein Pilotprojekt mit NExBTL vor. Seit einem Jahr tanken bei der Deutschen Post DHL je fünf Mercedes-Benz-Lkw im Fernverkehr (Actros) und im Verteilerverkehr (Atego) sowie vier Stadtbusse des Unternehmens (Citaro) bei der Stuttgarter Straßenbahn AG nur noch NExBTL. Der Kraftstoff, den die österreichische OMV und Neste Oil aus Finnland liefern, soll dabei seine Alltagstauglichkeit unter Beweis stellen.
Zumindest im ersten von geplanten drei Jahren ist das geglückt. Die 14 Fahrzeuge haben über 1 Mio. km ohne Auffälligkeiten zurückgelegt. Roland Dold, der das Pilotprojekt in der Vorentwicklung bei Daimler Trucks vorantreibt, erläuterte, dass vorab nur eine Anpassung der Motorsteuerungen an den leicht abweichenden Heizwert des Pflanzendiesels nötig war. Ansonsten sei der Serienzustand beibehalten.
In ihrer chemischen Zusammensetzung sind hydrierte Pflanzenöle und normaler Dieselkraftstoff aus Mineralöl fast identisch. Anders als bei Estern – etwa Rapsmethylester (RME), wie Biodiesel landläufig heißt – kommt es laut Dold nicht mehr zu Zielkonflikten wegen schwankender Qualität, aggressiver Inhaltsstoffe oder erhöhter Schadstoffkonzentrationen im Abgas. „Wir können mit NExBTL die EU5- und EU6-Norm schaffen“, sagte er.
Während technisch also weitgehend Klarheit herrscht, ist das Projekt in politischer Hinsicht ein Testballon. Zentrale Frage: Lässt sich ein Kraftstoff auf Basis von Palmöl trotz massiver Bedrohung von Regenwäldern als nachhaltig verkaufen?
Manfred Schuckert aus der Daimler-Konzernstrategie räumte ein, dass er von der Schärfe der Debatte um pflanzliche Kraftstoffe überrascht wurde. „Wir wollen und können uns nicht leisten, als umweltschädigend dazustehen“, betonte er. Dold ergänzte: „Biogene Kraftstoffe machen erst mit Rohstoffen aus zertifiziert nachhaltigem Anbau Sinn, und sie müssen einen hohen Beitrag zum Klimaschutz leisten.“ Beides sei bei NExBTL der Fall. Gegenüber fossilem Diesel sinke der CO2-Ausstoß über die gesamte Lieferkette um „50+x %“. Dold: „Das ist ein großer Schritt in Richtung zukünftiger Null-Emissions-Mobilität.“
NExBTL-Hersteller will nicht für die Zerstörung von Regenwäldern verantwortlich sein
„Wir kaufen kein Palmöl im Handel, obwohl wir uns 10 % Weltmarktanteil bei pflanzlichen Kraftstoffen zum Ziel gesetzt haben“, betonte Simo Honkanen, Senior Vice President des finnischen Erzeugers Neste Oil. Man kaufe das Palmöl direkt bei Erzeuger und setze dabei strenge Umweltstandards und klimaschonende Produktionssysteme durch.
„Wir wollen nicht für die Zerstörung von Regenwäldern verantwortlich sein“, so Honkanen. Dennoch setze man zunächst auf Palmöl, weil es an sich eine sehr gute CO2-Bilanz habe. Künftig werde Neste Oil die Rohstoffbasis durch Algen und Holz erweitern. Martina Fleckenstein, Landwirtschaftsexpertin der Umweltorganisation WWF, begrüßte, dass Biokraftstoffe die Debatte über Rodungen für Ölpalmen-Plantagen in Gang gebracht haben.
Nach wie vor gehen laut Fleckenstein allerdings 95 % des Palmöls in den Lebensmittelsektor. Nur den Anbau für Biosprit zu zertifizieren reiche daher nicht. „Es darf nicht sein, dass die Sahnehäubchen in europäische Tanks kommen und der Rest der Welt den Kaffeesatz nimmt“, sagte sie. Ohne global verpflichtende Nachhaltigkeitsstandards für Agrarrohstoffe blieben die Regenwälder massiv bedroht. Der Druck auf die Flächen nehme auch durch zertifizierte Biokraftstoffe zu. P. TRECHOW/WOP
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