„Biokraftstoffe brauchen eine internationale Diskussion über Flächennutzung“
Biokraftstoffe sind in Verruf geraten. Kaum Klimaschutz, Konkurrenz zum Lebensmittelanbau und Raubbau an Regenwäldern lauten die Vorwürfe. Daniela Thrän befasst sich am Deutschen Biomasse-Forschungs-Zentrum in Leipzig seit zwei Jahrzehnten mit der energetischen Nutzung von Biomasse. Sie verteidigt die Kraftstoffe vom Acker, auch weil sie ein guter Hebel für internationale Nachhaltigkeitsstandards in der Landwirtschaft seien. VDI nachrichten, 29. 05. 09, wop
Thrän: Die Erwartungen der Autohersteller gerade an die Biokraftstoffe der 2. Generation waren sehr hoch – vielleicht hier und da zu hoch. Zwar bestätigt sich die gute Motorverträglichkeit, doch ist der Einsatz billiger Pflanzen- und Holzreste schwieriger als gedacht. Und es dauert, die Verfahren auf den industriellen Maßstab zu übersetzen. Die Markteinführungsszenarien waren zu optimistisch. Vor 2020 werden Kraftstoffe der 2. Generation wohl keinen nennenswerten Beitrag leisten.
Liegt das nur an technischen Problemen?
Nein. Auch das ohnehin vorhandene Investoren-Dilemma hat sich zugespitzt. Wer investiert in diesen Zeiten Milliarden in eine noch nicht ausgereifte Technologie? Darüber hinaus wurden die Kommunikationsprobleme unterschätzt. Automobil- und Mineralölbranche tun sich schwer im Agrarwesen.
Ein Kulturkonflikt?
Ja. Landwirte richten ihren Anbau jeweils an den Preisen aus und bedienen viele Abnehmer. Sie denken in anderen Zyklen, was die Rohstoffpotenziale im Markt schwanken lässt. Unterm Strich sind Auto- und Mineralölindustrie ernüchtert. Sie sehen heute weniger das Mengenpotenzial als das Qualitätspotenzial von Biokraftstoffen.
Was heißt das?
Biokraftstoffe der 2. Generation werden für Premiumkraftstoffe interessant, wie Shell V-Power und Aral Ultimate, normalen Diesel werden sie kaum ersetzen.
Und was ist mit Biodiesel und hydrierten Pflanzenölen?
Hydrierte Kraftstoffe sind eine qualitativ hochwertige Ergänzung. Sie sind technisch und von den Investitionen her beherrschbar. Doch braucht es strenge Qualitätskontrollen für die Rohstoffe. Ansonsten schlägt der positive Umwelteffekt schnell ins Gegenteil um.
BP will in großem Stil Palmöl für hydrierte Kraftstoffe verwenden, weist aber jede Verantwortung für die Rodung von Regenwäldern zurück. Macht es sich der Konzern da zu leicht?
Die Mineralölwirtschaft ist nicht für Probleme der Landwirtschaft verantwortlich. Kosmetik- und Lebensmittelbranche nutzen seit langem Palmöl, ohne dass ein Hahn danach krähte. Weil es so billig ist, drängt es sich auch für Biodiesel und hydrierte Kraftstoffe auf. Allerdings sollten Politik und Wirtschaft die Qualitätsfrage klären, ehe Palmöl in großem Stil für Kraftstoffe genutzt wird.
Sollte es überhaupt dafür genutzt werden, ist doch die Frage?
Nur wer hinreichende Mengen abnimmt, kann Einfluss auf die Erzeuger von Palmöl nehmen. In der Nutzung von Palmöl für Kraftstoffe liegt die Chance, eine längst laufende Fehlentwicklung im Agrarbereich zu korrigieren – sofern die Qualitätsdebatte geführt wird.
Also lohnt es sich, Palmöl zu nutzen, um Qualitätsstandards setzen zu können und Rodungen von Regenwäldern in Zukunft zu verhindern?
Es wird nicht lange dauern, dann bedienen auch Anlagen in Malaysia, Indonesien die rasant steigende weltweite Nachfrage nach Palmöl und Biokraftstoffen. Noch können wir als Abnehmer von nennenswerten Mengen Einfluss nehmen. Allerdings müssen wir dafür erst die Nachhaltigkeitsdebatte voranbringen, statt sofort auf Mengenpotenziale zu schielen.
Müssten nicht insgesamt strengere Qualitätskriterien im Agrarbereich her? Sonst wird links zertifizierter Biokraftstoff nachhaltig erzeugt, während rechts Wälder für anderweitige Anbauzwecke brennen.
Das ist in der Tat ein Problem. Natürlich hat der Zertifizierungsansatz Grenzen, das zeigt sich auch im Holzmarkt. Aber er schafft Bewusstsein und kann mittelfristig die Standards im Agrarbereich heben. Wir brauchen eine internationale Diskussion über Flächennutzung. Die emotionale Diskussion über Bioenergie gibt dafür wichtige Anstöße. Die Frage der Flächennutzung ist eine wichtige Facette der Klimadebatte.
Sind überhaupt tragfähige Zertifizierungslösungen in Sicht?
Für Kraftstoffe schon. Aber den Ausweicheffekten ist damit nicht beizukommen. Hier helfen eher bilaterale Vereinbarungen. Deutschland und die EU sollten Partnerschaften mit Ländern suchen, in denen nachhaltige Landnutzung erreichbar ist. Wenn wir dort gezielt unsere Rohstoffe besorgen, hat das auch einen Effekt auf andere Länder, die mit ins Boot wollen.
Eine langfristige Strategie. Die EU strebt aber kurzfristig hohe Biokraftstoffquoten an – natürlich zertifiziert. Umweltverbände kritisieren das und fordern, von diesen Plänen abzurücken.
Biokraftstoffe werden den Nachhaltigkeitskriterien genügen, doch das Verdrängungsproblem bleibt. Insofern haben die Verbände recht. Die Regenwälder schrumpfen massiv. Das würden sie zwar auch ohne Biokraftstoffe, doch mit ihnen geht es schneller. Wachsamkeit ist also mehr als geboten und Zertifizierung sicher kein Allheilmittel.
Die Bundesregierung will 2015 ihre Förderung umstellen und statt der bisherigen Mengenverpflichtungen eine Klimaschutzquote einführen. Ist das realistisch, angesichts der Vielfalt an Rohstoffen und Herstellungsverfahren im Markt?
Zunächst einmal ist der Gedanke richtig. Die Förderung richtet sich dann daran aus, was zählt: effizienter Klimaschutz. Die Pläne laufen darauf hinaus, dass von Biokraftstoff mit doppelt so hoher CO2-Minderung nur halb so viel beigemischt werden muss. Er darf also auch erheblich teurer sein. Es geht also um Qualität.
Aber ist das umsetzbar? Biokraftstoffhersteller warnen vor einem bürokratischen Monster …
.. aber der Markt reagiert doch bereits. Wir erleben jetzt, dass potenzielle Investoren es nicht mehr bei Kostenanalysen belassen, sondern vorab Klimabilanzen geplanter Anlagen erstellen lassen. Und die methodischen Fragen, die sich aus der Marktvielfalt ergeben, sind lösbar. Als in den 80er-Jahren die Abwasserabgabeverordnung kam, gab es darin auch Grenzwerte für Stoffe, die kaum messbar waren. Fünf Jahre später ging es.
Was muss ein Hersteller tun, um den Nachweis über die CO2-Minderung seines Kraftstoffes zu führen? Gerade wenn er Rohstoffe aus unterschiedlichen Quellen bezieht?
Es gibt Standardwerte für die gängigen Kraftstoffmixe auf dem Markt. Hersteller müssen nur dann den Nachweis führen, wenn sie den Standard unterbieten wollen. Das macht natürlich nur derjenige, der sein Anliegen begründen und nachweisen kann, wo seine Rohstoffe herkommen. Wichtig ist, dass ein Umdenken einsetzt. Bei der Förderung von Anlagen der 1. Generation war egal, welchen Beitrag sie zum Klimaschutz leisten. Jetzt müssen auch deren Betreiber Effizienzpotenziale heben – etwa bei der Erzeugung der Hilfsenergie.
Wie steht es um das Rohstoffpotenzial für Biokraftstoffe? Die Branche verweist auf riesige Brachflächen rund um den Globus. Dagegen sehen viele Experten Biokraftstoffe schon jetzt als Konkurrenz zu Lebensmitteln. Was ist richtig?
Es gibt in der Tat riesige Potenziale. Leider steht viel davon nur theoretisch zur Verfügung. Die Landwirtschaft in weiten Teilen der Welt ist rückständig, und Erfahrungen aus Osteuropa zeigen, wie lange es dauert, das zu ändern. Biomasse wird in Asien und Afrika längst genutzt: auf 3-Steine-Herden, wobei das Gros der Energie verpufft. Krieg, Korruption und fehlende ländliche Entwicklung verstellen den Weg zum Rohstoffanbau. Zusätzlich machen die Unwägbarkeiten des Klimawandels Potenzialanalysen kompliziert. Andererseits gibt es Reisstroh und andere Abfälle en masse, daneben Brachflächen, degradierte Böden, die mit angepassten Anbausystemen zu bewirtschaften wären …
.. das klingt nicht, als ließen sich so größere Teile des globalen Kraftstoffbedarfs decken. Wäre es nicht sinnvoller, mit der Biomasse vor Ort Strom- und Wärme zu erzeugen, statt sie in ineffizienten Anlagen zu Flüssigkraftstoffen zu wandeln, deren Energiegehalt dann zu zwei Dritteln als Abwärme motorischer Verbrennung verpufft?
Das ist theoretisch richtig, lässt aber zentrale Aspekte außer Acht. Biokraftstoffe sollen nicht nur das Klima schützen, sondern Energieimporte ersetzen, ländliche Entwicklung und den Naturschutz fördern. Und im Zuge der Hightechstrategie will sich Deutschland mit entsprechenden Technologien auf den Energiemärkten der Zukunft positionieren. Wer diese Aspekte ernst nimmt, sollte durchaus in Biokraftstoffe vor allem der 2. Generation investieren und die Entwicklung auf diesem Gebiet vorantreiben. PETER TRECHOW
Ein Beitrag von: