Baosteel in China will so viel produzieren wie ganz Deutschland
Die Jahreserzeugung soll von 20 Mio. das ist schon mehr als bei ThyssenKrupp, in die Größenordnung der deutschen Stahlproduktion von ca. 45 Mio. t wachsen.
Geht es nach Xie Quihua, der ehrgeizigen Vorstandsvorsitzenden der Baosteel-Gruppe, dann produziert der Konzern künftig statt der heute 20 Mio. t Stahl im Jahr mindestens 40 Mio. t und müsse über 50 Mio. t Stahl „dringend nachdenken“.
Finanzieren will Baosteel die Expansion über die größte Kapitalerhöhung in der Geschichte des Landes. Stimmt die Regierung zu, so holt sich das in Schanghai ansässige Unternehmen, vom inländischen Kapitalmarkt 28 Mrd. Renmimbi, umgerechnet 3,4 Mrd. $. Die Hälfte der 5 Mrd. jungen Aktien, die Baoshan Iron & Steel als in China börsennotierte Konzerngesellschaft emittiert, soll an verbundene, noch staatseigene Unternehmen gehen, die andere Hälfte als Vorzugsaktien an schon vorhandene freie Aktionäre.
Mit dem Geld will Xie der noch staatlichen Obergesellschaft Stahlwerke und Werte, z. B. Erzinteressen in Australien und Brasilien, abkaufen, diese in die börsennotierte Publikumsgesellschaft einbringen und letztere mit so viel Kapital ausstatten, dass sie Marktanteile bei wichtigen Flachprodukten gewinnen kann. Bei Automobilblechen soll Baosteel 50 % des chinesischen Marktes anpeilen, bei Röhren für die in China dringend benötigten Pipelines 40 % und bei rostfreiem Edelstahl immerhin 30 %.
Während ThyssenKrupp dank der Kooperation mit Baosteel bei Edelstahl indirekt profitieren könnte, rufen die gewaltigen Expansionsgelüste auch Konkurrenten auf den Plan. JFE Steel beispielsweise, einer der großen japanischen Stahlkonzerne, intensiviert deshalb seine schon bestehende Kooperation mit der in der Provinz Guangdong basierten Guangzhou Iron & Steel-Gruppe.
Die beiden Partner bauen gemeinsam ein Werk für feuerverzinkte Bleche, dessen Produktion von 400 000 t/a Anfang 2006 anlaufen soll. Sie prüfen jetzt mit einer auf maximal ein Jahr befristeten Machbarkeitsstudie, ob und wie schnell sie gemeinsam ein großes integriertes Hüttenwerk bauen können.
Schon die Absicht sieht die Branche als Sieg der Provinz Guangdong über Schanghai an. Denn anders als in der Gegend von Schanghai gibt es in Guangdong noch reichlich günstige Grundstücke. Obendrein hat es die dortige Provinzregierung schon geschafft, eine Reihe von Automobilbauern – darunter Nissan und Toyota – sowie Zulieferer anzulocken.
Doch schon der Mangel an freiem Frachtraum – gar nicht zu reden von preisgünstigen Transportkapazitäten – und die Knappheit an bezahlbaren Rohstoffen, von Eisenerz über die Legierungsmetalle, Koks und Kokskohle bis hin zum Schrott bremst noch das rasante Wachstum der Stahlproduktion in China wie weltweit.
Trotzdem hält MEPS International, London, eine Gruppe führender Analysten und Berater der Stahlindustrie, an der Prognose für die Rohstahlproduktion im Gesamtjahr 2004 fest: Weltweit sollen 1, 016 Mrd. t Rohstahl erzeugt werden. Anders als zum Teil das International Iron and Steel Institute (IISI), Brüssel, unterstellt MEPS dabei eine sogar leichte Abschwächung des rasanten Wachstums in China.
Im Juni 2004 habe das Reich der Mitte mit 21 Mio. t die Stahlproduktion gegenüber dem Vergleichsmonat des Vorjahres nur noch um 14 % gesteigert – weniger als die früher üblichen 20 % bis 25 % Plus. Zudem zeigten die wachsenden Exporte Chinas, dass bei manchen Sorten – vor allem Stabstahl und Walzdraht – der Eigenbedarf angesichts des verlangsamten Baubooms derzeit mehr als gedeckt ist. Manche Quellen sprechen sogar davon, dass China allein im Juni schon 1 Mio. t Bau- und Betonstahl exportiert habe.
Mit einem Anteil 25 % an der Welt-Stahlproduktion von 83,8 Mio. t im Juni 2004 hat zwar China die anderen asiatischen Stahlstaaten mit ihren zusammen 22 % ebenso klar überrundet wie schon längst die EU der 25 Mitglieder mit ihrem Anteil an der Stahlproduktion der Welt von 20 %.
Die jüngste Prognose des IISI-Verbandes, dessen Mitglied die festlandchinesische Stahlindustrie noch nicht ist, dass China künftig mit 500 Mio. t pro Jahr die Hälfte des gesamten Stahls in der Welt produziert, hält MEPS für „mutig“. Und selbst wenn die hohe Schätzung zutrifft: Den Stahl im expansiven China dürfte auch in Zukunft nicht allein Baosteel erschmelzen und walzen. Die etablierten Stahlhersteller in Europa, USA und Japan wachsen hingegen eher durch Zukauf als aus eigener Kraft.PETER ODRICH/KÄM
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