Autokonzerne setzen auf den „Sonnensprit“
VDI nachrichten, Wolfsburg, 12. 11. 04 -Biodiesel ist inzwischen auch an deutschen Zapfsäulen gängig. Aber die Hoffnungen in diesen alternativen Energieträger haben sich abgekühlt. Denn nicht jedes Auto ist problemlos damit zu fahren und um mehr als die derzeit produzierten rund 1 Mio. t Biodiesel aus Raps oder Sonnenblumenkernen herzustellen, reichen die Ackerflächen nicht aus.
Die Alternative zum Alternativ-Kraftstoff: Synthetischer Diesel aus fester Biomasse. Die so genannten BTL – biomass to liquid – Kraftstoffe stehen auf den Förderlisten des Bundes und der Autohersteller ganz oben. Für Konzerne wie VW und DaimlerChrysler sind synthetische Kraftstoffe – ob aus Erdgas oder Pflanzen – eine Technologiehoffnung. „Die synthetischen Kraftstoffe, die natürlich irgendwann auf biogener Basis erzeugt werden sollen, bieten uns die Basis, um deutlich effizientere und sauberere Motoren zu gestalten. Das ist unser Ziel“, erklärt Matthias Rabe, Leiter der Konzernforschung bei VW.
Das Geheimnis sparsamer Autos ist und bleibt zwar nach den Gesetzen der Physik ein möglichst geringes Gewicht, aber auch über die Art des Treibstoffes lassen sich bessere Abgaswerte und ein geringerer Verbrauch fördern. „Und da wir diesen Kraftstoff über den Syntheseprozess künstlich herstellen, haben wir zum ersten Mal den großen Vorteil, uns wünschen zu können, was wir haben wollen“, sagt Prof. Rudolf Maly, Kraftstoffexperte von DaimlerChrysler. Er sieht vor allem den Vorteil, dass sich mit Diesel aus Stroh oder Holz herkömmliche Autos betanken lassen, und als „Sunfuel“ in den Tanks der DaimlerChrysler-Flotte hat BTL-Diesel bereits Aufsehen erregt – ohne Modifikationen, wie sie bei Rapsdiesel nötig sind.
Die Technologie zur Herstellung der Biomasse-Kraftstoffe ist so alt wie die Geschichte der Ölkrise. Seit 1938 wird Braunkohle mit Wärme, Druck und Sauerstoff vergast. Dieses Synthesegas aus Wasserstoff, Kohlenmonoxid und Kohlendioxid verknüpft ein Katalysator im nächsten Schritt zu langen Ketten – fertig ist der Diesel. Ein mit Industriemitteln groß angelegtes Pilotprojekt für die Umstellung von Braunkohle auf Biomasse soll in Freiberg starten. Nach Überzeugung von Prof. Bernd Meyer, Energieexperte der Technischen Akademie Freiberg, nur eine Formsache. „Die Technologie ist bereits großtechnisch erprobt, aber nicht für Biomasse. Von daher ist der Schritt der Pilotanlage eigentlich ein herab-skalieren, um die großtechnisch für Braunkohle erprobte Technik für Biomasse nachzuweisen.“
Für die Freiberger scheint der Weg zum synthetischen Biokraftstoff aus Pflanzen nur eine Frage der Finanzierung und der Portionierung zu sein. Denn als Hauptproblem sehen sie schlicht das Befüllen des Reaktors mit dem verhältnismäßig unhandlichen Pflanzengut. „Sobald die Biomasse in den Vergasungsprozess eingebracht ist, wird es einfach möglich sein, sie umzuwandeln, dann sind keine größeren Änderungen mehr nötig.“
Parallel startet Anfang des nächsten Jahres am Clausthaler Umwelttechnik-Institut eine eigene Modellanlage, die speziell für Biomasse entwickelt wurde. Die Clausthaler haben sich schrittweise an die Technologie herangetastet und Professor Michael Claußen, der Leiter des Institutes, sieht Probleme, die die Betreiber von kommerziell angelegten Projekten gerne verschweigen: „Die Schwierigkeit besteht darin, dass man es bei der Biomasse mit einem sehr komplex zusammengesetzten Ausgangsprodukt zu tun hat, das in jahreszeitlich wechselnder Zusammensetzung anfällt. Und es ist ein Unterschied, ob sie Stroh, Nadelholz oder Laubholz einsetzen. Je nachdem müssen sie mit verschiedenen Schadstoffgehalten rechnen und daher ist es schwierig, so eine Anlage zu konzipieren.“
Mit dem Modellstoff Holz funktioniert das BTL-Verfahren recht problemlos, wie die Sunfuel-Experimente immer wieder gezeigt haben. Testautos fahren bereits damit. Nur ist die Biomasse, die im großen Maßstab zur Verfügung steht, eben nicht Holz, sondern kommt vom Acker, denn für eine flächendeckende und wirtschaftliche Versorgung mit BTL-Kraftstoffen reichen die Holzkapazitäten der deutschen Wälder bei weitem nicht. Von einem Hektar Energiepflanzen sollen 3300 l Kraftstoff gewonnen werden. Und da tauchen die nächsten Probleme auf: Fachleute der Mineralölkonzerne schätzen, dass sich die BTL-Technologie erst rentiert, wenn die drei-Millionen-Liter-Grenze überschritten wird.
Das bedeutet, dass aus einem Einzugsgebiet, das etwa vier mal so groß wie Thüringen ist, Energiepflanzen intensiv angebaut und vor allem zu den Kraftwerken transportiert werden müssten. Und das zu Preisen, die die Landwirte tatsächlich zum Anbau motivieren können. Ob das gelingt, soll das Großprojekt in Freiberg zeigen, aber derzeit stehen weder die Finanzierung noch die Anlage für den Ökosprit.
JO SCHILLING/wip
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