Kraftstoff 28.04.2000, 17:25 Uhr

Autofahrer zapfen jetzt schwefelfreies Super

Mit „Optimax“ startet Shell am 2. Mai und will das völlig neue Benzin ab Juni bundesweit an 900 Stationen anbieten. BP gibt das Super mit einem max. Schwefelanteil von 10 ppm seit dem 14. April an ihren Tankstellen in München aus.

Vor Tagen stritten noch die Fachleute in der Uni Hohenheim, Stuttgart. Dort kollidierten Ende März noch die Forderungen von Staat und Autoherstellern nach schwefelfreien Kraftstoffen mit den Vorstellungen der Mineralölindustrie. Auf einer Arbeitstagung, ausgerichtet vom Technischen Dienst des UNITI Bundesverbandes mittelständischer Mineralölunternehmen e.V., warnten die Experten der Mineralölindustrie vor überschätzten Vorteilen, steigenden Kosten und technischen Problemen.
Doch seit dem 14. April ist alles anders: Benzin mit einem Schwefelanteil von -max. 10 ppm (parts per million bzw. 0,001 %) wird von der Deutschen BP in München ausgegeben die Deutsche Shell beginnt am 2. Mai mit der Einführungsphase und will bundesweit an rund 900 Stationen ab Juni das Optimax genannten Super Plus bereitstellen.
Das sauberere Benzin wird teurer. Sein Preis liegt laut BP und Shell 3 Pf/l über dem von Super Plus. Zusätzlich zum Schwefel-Malus sind die alljährlichen 6-Pf/l-Aufschlag wegen der „Ökosteuer“ hinzuzurechnen – nicht zu vergessen eine erneute Steuererhöhung mit der die deutsche Bundesregierung die schwefelarmen und schwefelfreien Kraftstoffe fördern wird.
Diese weitere Verteuerung der Kraftstoffe um 3 Pf/l ging wohl im allgemeinen Weihnachtstrubel unter. Von der Regierung wurde am 22. Dezember 1999 beschlossen, dass ab dem 1. November 2001 der schwefelarme Otto- und Dieselkraftstoff mit weniger als 50 ppm indirekt steuerlich gefördert werden, in dem Kraftstoff mit höherem Schwefelgehalt um 3 Pf/l höher besteuert werden. Ab dem 1. Januar 2003 soll bei schwefelfreiem Kraftstoff mit weniger als 10 ppm ebenso verfahren werden. Seit Beginn dieses Jahres liegt das Limit EU-weit für Benzin bei 150 ppm und für Diesel bei 350 ppm. Sinn der staatlichen Preistreiberei sei die „steuerliche Förderung der vorzeitigen Einführung von Kraftstoffqualitäten aus Umwelt- und Gesundheitsschutzgründen,“ erklärte Dr. Matthias Tappe vom Umweltbundesamt (UBA) in Stuttgart-Hohenheim.
Die Autofahrer müssen trotz „Steuerbonus“ die Zeche zahlen, weil der Schwefel mit zusätzlichen Kosten in der Prozesskette Rohöl/Kraftstoff eliminiert werden muss. Obwohl laut Max Gairing, Spezialist für Mineralölprodukte bei DaimlerChrysler, „die Kosten für die Entschwefelung in den Tankstellenpreisen untergehen dürften“. Für die Autoindustrie ist die Situation zwiespältig., da sie jede weitere Steigerung der Betriebskosten fürchtet. Sie braucht jedoch derzeit nichts dringender als den schwefelfreien Kraftstoff, will sie die kommenden gesetzlichen Schadstoff-Limits unterschreiten.
Ein deutlich verringerter Verbrauch lässt sich nach heutigem Stand der Technik praktisch nur mit direkteinspritzenden Motoren erreichen, die auch noch mit sehr wenig Kraftstoff im Gemisch laufen. Um die Schadstoffe in dem dabei entstehenden Abgas fast vollständig umzuwandeln bzw. zu eliminieren, sind jedoch spezielle Katalysatoren notwendig – sowohl für Benzin-, als auch für Dieselmotoren. Diese werden mit konventionellen Kraftstoffen vom Schwefel lahmgelegt. Deshalb verwies Gairing auf der Tagung darauf, dass „es keine Autofirma gibt, die die Abgasziele mit schwefelhaltigem Kraftstoff erreicht“.
Dafür haben die Autohersteller in einem weltweiten Kraftakt die World Wide Fuel Charta formuliert, die Anforderungen an künftige Kraftstoffe in Kategorien definiert. Der derzeit fortschrittlichste Sprit der Kategorie 4 darf danach nicht mehr als 5 ppm bis 10 ppm Schwefel enthalten. 10 ppm ist dabei die deutsche Forderung, die japanischen und amerikanischen Hersteller verlangen 5 ppm. Gemessen daran ist „das Gesetz nur ein Schritt in die richtige Richtung, aber nicht mehr“, meinte Gairing.
Die Mineralölindustrie ist von der Entwicklung freilich weniger erfreut. Zu aller erst aus Kostengründen. Die Investitionen für Entschwefelungsanlagen seien immens, heißt es. „Viele Raffinerien sind insbesondere bei Diesel noch weit vom Ziel entfernt“, sagte Bernd Nierhauve, Leiter Kraftstoff-Forschung bei Aral. Die Praxis zeichnet allerdings ein anderes Bild. Nachdem sich in Großbritannien nämlich Kraftstoff mit weniger als 50 ppm Schwefel durch steuerliche Förderung auf breiter Front durchsetzte, untersuchten Renault-Chemiker die Qualität des angebotenen Kraftstoffs im Januar stichprobenartig. Ergebnis: Im Durchschnitt lag der Schwefelgehalt bei 13,7 ppm, sechs Proben unterschritten sogar 10 ppm. Laut Gairing „hat Volvo in Schweden vergleichbare Werte gemessen.“ Auch dort sind eigentlich noch höhere Werte erlaubt.
Doch nicht allein der Schwefelentzug macht den Kraftstoffkochern Sorgen. Es könnten ja auch technisch Probleme auftreten. Niemand weiß heute so ganz genau, wie sich schwefelarmer Kraftstoff im Direkteinspritzer-Alltag auswirkt. Von erhöhter Sprit-Konzentration im Ölhaushalt wird ebenso gemunkelt wie von festgehenden Kraftstoffpumpen. Die Mineralölindustrie bezweifelt im übrigen die von UBA und Autoindustrie prognostizierten unmittelba-ren Vorteile für die Umwelt. „Der Entschwefelungseffekt wirkt sich nach unseren Berechnungen auf die Emission von Stickoxiden (NOx), Kohlenwasserstoffen (HC) und Partikeln marginal aus. Statt der oft genannten 15 % bis 20 % werden es eher 2 % bis 3 % weniger sein“, meinte Nierhauve. Außerdem würde es zehn Jahre dauern, bis sich Kraftstoff mit weniger als 10 ppm Schwefel in der CO2-Bilanz bemerkbar mache.
Allerdings stehen hinter derartigen Prognosen jede Menge Fragezeichen. Denn die tatsächlichen CO2-Emissionen z.B. der Raffinerien können nur geschätzt werden – die Mineralölindustrie hält die Werte so geheim wie Coca Cola das Rezept seiner Brause. „Für eine Senkung des Schwefelgehaltes auf weniger als 10 ppm ist die CO2-Bilanz nicht bekannt“, berichtete denn UBA-Fachmann Tappe auf der Tagung.
Bei allem Wenn und Aber, an der Einführung der 50 ppm-Genze ist nicht mehr zu rütteln. Ab 2003 darf anderer Kraftstoff im Bereich der EU nicht mehr verkauft werden. Anders dagegen der schwefelfreie Kraftstoff. Bevor die Bundesregierung den dafür vorgesehenen Dreh an der Steuerschraube ratifizieren darf, muss das Gesetz von der EU noch „auf technische Fragestellung und Umweltvorteile sowie die Effekte auf Wettbewerb und Handel geprüft werden“. PETER WEIDENHAMMER/WOP
Der VW Lupo FSI braucht einen besonderen Saft – schwefelfreies Super Benzin. Jetzt steht es bereit, entwickelt von Shell und VW.
… und wo bleibt „schwefelfrei“? Bei BP in München kann man seit Mitte April schwefelfreies Super Plus tanken. Shell will ihr Öko-Benzin „Optimax“ ab dem 2. Mai fließen lassen

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Kooperation steht an erster Stelle

Auf dem Wunschzettel der Mineralölindustrie in Sachen schwefelfreie Kraftstoffe steht derzeit an erster Stelle die Forderung nach mehr Kooperation mit den Autoherstellern. Nicht ohne Grund. Als nämlich mit dem Ende der Bleizeit die Oktanzahl für Superbenzin von 98 ROZ auf 95 ROZ sank, zeterten die Motorenkonstrukteure über Qualitätsverluste und befürchteten Maschinenschäden. Die Kraftstoffhersteller mischten daraufhin die Super-Plus-Rezeptur mit erneut 98 ROZ. Doch auch mit Eurosuper blieb der Motoren-GAU aus und die Konstrukteure legten ihre neuen Motoren auf diesen – preiswerteren – Sprit mit 95 ROZ aus. Nur vereinzelt steht bis heute in den Betriebsanleitungen Super Plus als empfohlener Kraftstoff.
Allerdings haben auch die Autohersteller einen triftigen Grund, weshalb sie die Verbrauchs- und Emissionsvorteile von Super Plus nicht nutzen. Für die Zulassung von Kraftfahrzeugen in der EU ist Super Plus gar nicht gültig. Auf die nach dem Gesetz ermittelten Abgas- und Verbrauchswerte und damit wichtigen Verkaufsargumente hätten SuperPlus Motoren also keinerlei Einfluss. PW

 

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