Zulieferer sind dem Kunden auf der Spur
Immer mehr bedeutende Entwicklungen für Fahrzeuge finden außerhalb der Automobilwerke statt. Unternehmen trennen sich damit aber auch von ihrer Entwicklungskompetenz.
Längst ist es kein Geheimnis mehr, dass clevere Zulieferer im Umfeld der Automobilfirmen gute Geschäfte machen können. „Wir lösen die Aufgaben unserer Kunden“, umschreibt Dr. Bernd Mahr vom Bereich Kolben und Motorkomponenten etwas zurückhaltend das Geschäftsfeld der Mahle GmbH in Stuttgart-Bad Cannstatt. Zu den Mahle-Kunden zählen weltweit die wichtigsten Automobilbauer. „Ich wüsste keinen, den wir nicht beliefern“, sagt Prof. Dr.-Ing. Heinz K. Junker, Vorsitzender der Konzern-Geschäftsführung. Beim reinen Beliefern sind die Mahle-Leute aber nicht stehen geblieben. Vielmehr haben sie gezielt ihre Trümpfe ausgespielt und Gutes immer besser gemacht. Junkers Philosophie: „Es hat schon immer Firmen gegeben, die bessere Produkte angeboten haben.“ Natürlich zählt er Mahle dazu.
Was 1920 in einer kleinen Werkstatt in Bad Cannstatt mit Zweitaktmotoren und Leichtmetallkolben begann, ist inzwischen zum renommierten Entwicklungsbetrieb der Automobilindustrie geworden – mit weltweit 65 Produktionsstandorten und mehr als 30 000 Mitarbeitern, darunter rund 1500 Ingenieure, sowie Entwicklungszentren in Stuttgart, Detroit, Sao Paulo und Tokio. Die Schwerpunkte: Kolben und Motorkomponenten, dazu Filtersysteme sowie Ventiltriebsysteme. Der Umsatz sprang im Geschäftsjahr 2002 erstmals über die Drei-Milliarden-Euro-Hürde. Die Ziele für die nächsten Jahre sind klar: Mahle setzt auf die Technologieführerschaft. „Wir sind davon überzeugt, dass Technologieführerschaft trotz der damit verbundenen hohen Kosten auch langfristig ein unverzichtbarer Wettbewerbsvorteil sein wird“, meint Junker.
An Aufgaben wird es im Hause Mahle nicht fehlen. Entwickelten früher Automobilbauer ihre Kolben noch selbst, lassen sie heute vor allem aus Kostengründen, aber auch der Schnelligkeit wegen, außer Haus arbeiten. „Da sind die Systemanbieter dran“, fasst Bernd Mahr zusammen. Ihr Vorteil: „Große Teams in den Entwicklungszentren.“ Ihr Nachteil: „Deutlich mehr Entwicklungsaufwand.“ So muss Mahle außer qualifiziertem Personal beispielsweise mehrere CAD-Systeme vorhalten, um erfolgreich mit unterschiedlichen Automobilproduzenten arbeiten zu können. Auch die von Mahle angebotenen Produkte verändern sich rasant: Wurden früher Kolben, Buchsen, Ringe und andere wichtige Motorteile einzeln angeboten, so macht der einstmalige schwäbische Familienbetrieb heute mit kompletten Modulen auf sich aufmerksam.
Solche „Powercellunits“ seien vor allem auf dem nordamerikanischen Markt gefragt, lässt sich Mahr etwas in die Karten schauen. Weitere Entwicklungsziele sind geringerer Treibstoffverbrauch, geringeres Gewicht und weniger Schadstoffe im Abgasstrom. „Dort wo Kundennutzen ist, wird entwickelt“, fasst Mahr zusammen. Sein Kredo: „Innovation ist die Triebfeder im Automobilbau schlechthin.“
Kundennutzen steht auch bei der Wilhelm Thome GmbH, Metallwarenfabrik und Stanzerei in Sindelfingen, ganz oben. Hier verlassen pro Tag über ein halbes Dutzend Lastwagen mit Teilen für die Automobilindustrie das Betriebsgelände. Vorrangiges Ziel: Das nahe Daimler-Werksareal. „Wir sagen nie zu einem Kunden: Das geht nicht!“ beschreibt Claus Rohner, Leiter des Musterbaus, seine Aufgabe. Seine Visitenkarte: „Wir haben den Ruf, schnell und gut zu sein.“ Geht’s etwa um die Dachbrücke für die Maybach-Luxuskarosse, die in Sindelfingen produziert wird, hat Rohner ebenso schnell eine Lösung parat wie für jenen Kunden, der morgens mit der Planskizze unterm Arm kommt und abends ein Muster in der Hand haben will. Apropos Maybach: In Sichtweite von Rohner hängen gut 130 Musterteile an der Wand. „Das sind alles so Kleinserien“, sagt der heutige Musterbaumeister, der vor sieben Jahren als Werkzeugmacher bei Blech-Thome angefangen hat. Während die Kleinserien meist im Musterbau produziert werden, gehen die Großserien über gewichtigere Maschinen. Sie summieren sich im Jahr auf jeweils 200 000 bis 300 000 Exemplare – Tendenz steigend.
„Alles kann verbessert werden, wenn es dem Kunden nutzt“, heißt Rohners Devise. Warum soll beispielsweise die kompliziert gebogene und gestanzte Halterung für einen CD-Player, der Platz sparend in der Reserveradmulde eines Personenwagens untergebracht werden muss, aus nur einem großen Blechteil gearbeitet sein, wenn’s schneller, unkomplizierter und billiger mit zwei kleinen Blechteilen geht? Solche Fragen stellt sich der Musterbauchef oft genug, bevor sich die großen Serienpressen in Bewegung setzen. Wenn der Kunde sich von Rohners Idee überzeugen lässt und das abgeänderte Teil ausgiebig getestet hat, hat Blech-Thome schon wieder einen zufriedenen Kunden gewonnen.
Neues Joint Venture
BMW und Mahle
Der Automobilmarkt ist immer wieder gut für Überraschungen: Das bisherige BMW-Nockenwellenbearbeitungswerk in Berlin-Spandau, das über eine Kapazität von 2,5 Mio. Nockenwellen pro Jahr verfügt, wird künftig von Mahle geleitet. Die Grundlage dafür bietet ein Ende vergangenen Jahres geschlossenes Joint Venture zwischen Mahle und der BMW AG. „Diese Maßnahme beinhaltet in einem ersten Schritt die Übernahme von 51 % sowie die operative Führung des Nockenwellenbearbeitungswerkes“, heißt es bei Mahle. Und: „Durch diese strategische Maßnahme ist der Unternehmensbereich Ventiltriebsysteme nun in der Lage, seinen Kunden sowohl gegossene Roh-Nockenwellen als auch fertig bearbeitete und gebaute Nockenwellen mit Sinter- und Stahlnocken in großen Stückzahlen anbieten zu können.“ TK
Ein Beitrag von: