Triebzug ICE 3 macht Tempo in der Erprobungsphase
Beim neuen Hochgeschwindigkeitszug ICE 3 überläßt die Industrie nichts dem Zufall. Sie hat am 9. Juli die Erprobung der dritten Generation des deutschen Zugsystems aufgenommen, die im Gegensatz zu den bisherigen in ganz Europa fahren können. Erstes Ziel des ICE 3 wird die Expo 2000 in Hannover sein.
Nur einen Katzensprung vor der niederländischen Grenze am linken Niederrhein drehen seit dem 9. Juli die ersten ICE 3-Züge ihre Erprobungsrunden. Auf dem Gelände des Siemens-Testzentrums Wildenrath, nahe Mönchengladbach, werden sie auf „Herz und Nieren“ geprüft. Neben 50 dieser Züge für die Deutsche Bahn haben auch die Niederländischen Bahnen vier davon bei dem deutschen Konsortium von Siemens Verkehrstechnik und Adtranz in Auftrag gegeben. Die ICE 3 bestehen aus acht Wagen, die Fahrgasträume beginnen unmittelbar hinter dem verglasten Führerraum – eine „Frontlounge“ bietet freien Blick auf die Strecke. Wie das Interieur wurde auch die äußere Form aerodynamisch der noch höheren Geschwindigkeit von 330 km/h angepaßt.
„Zur Expo 2000 in Hannover sollen unsere Kunden ausgetestete und betriebsreife Fahrzeuge ins Rennen schicken können,“ kündigte Herbert Steffen, Chef des Siemens-Unternehmensbereichs Verkehrstechnik (VT) am 9. Juli in Wildenrath an: „Wir überlassen nichts dem Zufall.“ Bevor der Fahrgasteinsatz beginnt, sollten die Kinderkrankheiten der neuen Züge in eingehender Erprobung kuriert werden.
Die ersten ICE 3-Züge werden während der Expo nach Hannover fahren: von München über Würzburg, von Basel über Frankfurt und von Köln über Düsseldorf. Ab 2002 ist der grenzüberschreitende Einsatz auf der neuen Strecke Frankfurt – Köln und weiter nach Amsterdam, Brüssel und Paris, nach Fertigstellung der TGV Est-Magistrale auch von Berlin über Straßburg nach Paris geplant. Die vier niederländischen und 13 der deutschen ICE 3-Züge werden für vier Stromsysteme (Wechselspannung 15 kV/ 16,7 Hz und 25 kV/50 Hz sowie Gleichspannung 1,5 kV und 3 kV) ausgerüstet, ebenso für die ebenfalls unterschiedlichen Sicherungssysteme Deutschlands, Belgiens, der Niederlande und Frankreichs.
„Der ICE ist ein Europäer“, meinte Steffen. Er biete nicht nur den Reisenden höchsten Komfort, sondern sichere seinem Betreiber auch einen Wettbewerbsvorteil: „Moderne Mobilitätsanbieter konkurrieren auf frei zugänglichen Strecken um Fahrgäste am besten wird abschneiden, wer Schnelligkeit, Reisegefühl- und Wirtschaftlichkeit am überzeugendsten kombiniert“.
Der neue ICE verfügt nicht wie seine zwei Vorläufer über Triebköpfe („Lokbespannung“). Er ist ein achtteiliger Triebzug, bestehend aus zwei symmetrischen Hälften, jede aus einem Triebwagen mit Führerraum, wie Steffen darlegte, anschließend einem Maschinenwagen mit Stromabnehmer, Transformator und weiterer Fahrzeugtechnik – jedoch ohne Antrieb, einem angetriebenen und einem nicht angetriebenen Zwischenwagen. Die technische Ausrü-stung sei unterflur eingebaut, so daß auch die Maschinenwagen durchgehend Fahrgasträume aufnehmen können. Jede zweite Achse werde von einem Drehstrom-Asynchronmotor angetrieben. Mit Verteilung der Antriebsleistung auf 16 Achsen lasse sich die Leistung von 8 MW erreichen , die für derart hohe Geschwindigkeit und Steigungen bis 40 ‰ bei maximal 17 t Radsatzlast erforderlich ist.
Für die Bahnindustrie hat die Zuverlässigkeit der neuen Züge nach den zahlreichen Pannen der letzten Jahre außerordentliche Bedeutung. Auf dem Spiel steht nicht nur das Ansehen gegenüber den Besuchern der Expo 2000, sondern das Auftragspotential der Deutschen Bahn (DB), die bereits angekündigt hat, ausländische Angebote zu prüfen. Hinzu kommt, daß die beteiligten Firmen beim ICE 3 im Gegensatz zu den Vorgängern ein „schlüsselfertiges System“ zu liefern haben. Das Konsortium unter Führung von Siemens Verkehrstechnik versprach, die Fahrzeuge würden nicht nur konzeptionell, sondern auch in der Praxis überzeugen.
Dazu soll nicht zuletzt das Prüfcentrum Wildenrath beitragen. Wie VT-Chef Steffen erläuterte, hätten sich erste Probeläufe bereits als echter Fortschritt erwiesen. Sie seien zusammen mit der Bahn definiert worden und jederzeit nachvollziehbar: „Der Kunde ist fast ständig einbezogen“. Die Inbetriebsetzung des ICE 3 werde bereits voll von einer neuen Zugbildungshalle profitieren, die in nur sechs Monaten auf dem Versuchsgelände errichtet worden sei und bereits im Hebrst in Betrieb genommen werden könne.
Die Europa-Tauglichkeit für die vier Stromsysteme lasse sich auf der Anlage testen. Dagegen sei die Geschwindigkeit auf dem Gleisring in Wildenrath auf 160 km/h begrenzt: „Trotz aller Möglichkeiten des Prüfcenters wird es immer Tests geben, die nur auf den Strecken des Kunden möglich sind“, so Steffen. Ein vollständiges Bild ergebe sich jedoch erst in Kombination mit Fahrten auf echten Hochgeschwindigkeitsstrecken.
RALF ROMAN ROSSBERG/WOP
Die neuen ICE 3-Triebzüge will die deutsche Bahnindustrie ausgetestet und betriebsreif ins Rennen schicken. Deshalb wird der ICE 3, im Foto links neben zwei ICT-Neigezügen, zuvor im Siemens-Prüfcenter Wildenrath eingehend erprobt. Die ersten ICE 3-Züge sind zur Expo 2000 eingeplant.
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