Starker Schienenrücken soll mehr Güterverkehr zwischen dem Ruhrgebiet und Spanien schultern
VDI nachrichten, Düsseldorf, 9. 9. 05 – Europäische Verkehrs- und Wirtschaftsunternehmen fordern den raschen Ausbau der Eisenbahnverbindung „Rhein-Rhone-Mittelmeer“. Eine leistungsfähigere Güterschiene zwischen dem Ruhrgebiet und Gibraltar betrachten sie als „Rückgrat Europas“, in dessen erweitertem Einzugsbereich etwa 230 Mio. Menschen leben. Nach den Ergebnissen einer aktuellen Studie sollte die Bahntrasse deshalb in die vorrangigen Projekte der Transeuropäischen Netze (TEN) aufgenommen werden. Denn sie könnte die Transportkapazität von täglich bis zu 20 000 Lkw auf die Schiene verlagern.
Eine durchgehende Eisenbahn-Güterstrecke vom Ruhrgebiet über Luxemburg, Lyon und entlang der spanischen Mittelmeerküste bis nach Gibraltar ist nach Ansicht vieler Verkehrsexperten von herausragender Bedeutung für die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Industrie und Handel in Europa. So bezeichnet beispielsweise die Union europäischer Industrie- und Handelskammern Rhein, Rhone, Donau, Alpen (UECC), Basel, diese Rhein-Rhone Achse als eine der „wichtigsten Verkehrsverbindungen und Handelsstraßen in Europa“. Sie biete eine bedeutende Alternative zum alpenquerenden Verkehr, der die Verkehrswirtschaft bereits seit langem vor erhebliche Probleme stelle.
Die UECC ruft die französische Regierung und die anderen europäischen Entscheidungsträger daher auf, diese Schienenverbindung als Alternative für den Güterverkehr zwischen Rhein und Rhone kurzfristig zu fördern, alle notwendigen Maßnahmen für einen raschen Ausbau dieser Achse zu ergreifen, das Projekt als Schienengüterverkehrskorridor von europäischer Tragweite auszuweisen und in diesem Sinne bei der Revision all ihrer Verkehrspläne zu berücksichtigen. Die Bauarbeiten sollten vor dem Jahr 2010 beginnen und bis 2018 abgeschlossen sein, fordert die Vereinigung von 85 Handelskammern aus elf Ländern, welche die Interessen von 2,5 Mio. Unternehmen vertreten.
Unterstützung erhalten die Forderungen der europäischen Industrie- und Handelskammern von einer Studie, die von französischen und spanischen Wirtschaftsberatungsunternehmen in Zusammenarbeit mit der Universität Lyon erstellt wurde. Die Ergebnisse dieser Untersuchung hat ihr Auftraggeber Ferrmed bereits in Brüssel präsentiert. Ferrmed ist eine nicht kommerzielle Vereinigung europäischer Verkehrs- und Wirtschaftsunternehmen, die sich vor allem für die Verbesserung der Bahnfrachtverbindung Rhein-Rhone-Mittelmeer einsetzt.
Die Organisation, an der auch Industrie- und Handelskammern, Häfen und Güterverkehrszentren beteiligt sind, hat es sich zum Ziel gesetzt, die volle Leistungsfähigkeit der Verbindung bis zum Jahr 2025 herzustellen. Dann würde diese Güterbahnstrecke gemäß den Studienergebnissen zum „Rückgrat Europas“. Zudem leiste der Ausbau dieser Frachtstrecke einen erheblichen Beitrag zur Entwicklung der betroffenen Regionen.
Entlang des vorgesehenen Streckenverlaufs wohnen mehr als 90 Mio. Menschen, die 21 % des europäischen Bruttosozialproduktes produzieren, heißt es in der Untersuchung. Im erweiterten Einzugsbereich der Bahnstrecke lebten sogar mehr als 230 Mio. Menschen. Dies entspreche 51 % der Bevölkerung in der erweiterten Europäischen Union. Der Streckenverlauf berühre Wasserwege und Autobahnen und erlaube daher intermodale Gütertransporte.
Jacinto Seguí Dolz de Castelar, Präsident von Ferrmed, fordert vor diesem Hintergrund, dass diese Trasse von den Entscheidungsträgern in der europäischen Politik endlich als eine der prioritären Achsen anerkannt und in die Liste der vorrangigen Projekte der Transeuropäischen Netze (TEN) aufgenommen werden müsse. Schließlich bilde die Achse ein Schlüsselelement für den Warenhandel zwischen Deutschland, Benelux, Frankreich, Schweiz und den westlichen Mittelmeerländern.
„Beim Hafenumschlag forciert die Achse zudem die Entwicklung der Mittelmeerhäfen und schafft so ein Gleichgewicht zwischen den südlichen und nördlichen europäischen Häfen“, nennt der Ferrmed-Präsident als weiteren Vorteil. Hinzu komme das stark wachsende Güterverkehrsaufkommen auf dieser Relation. Bereits im Jahr 2002 hätten mehr als 40 Mio. t Güter die Pyrenäen überquert. Voraussagen gehen laut Jacinto Seguí Dolz de Castelar von einer Verdopplung der Gütermengen bis zum Jahr 2010 aus. Hinzu komme der Regionalverkehr, der diese Achse nutze.
„Ohne eine rationelle Güterbahnalternative wird die zunehmende Anzahl von Lastkraftwagen eine nicht mehr zu bewältigende Verkehrsstauung verursachen und Umwelt-, Wirtschaftlichkeits- sowie Sicherheitsprobleme auslösen. Dagegen könnte die Rhein-Rhone-Bahnverbindung die Kapazität von täglich 20 000 Lastkraftwagen absorbieren“, argumentiert der Ferrmed-Präsident.
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Dafür müssten jedoch zunächst die Engpässe und Größeneinschränkungen entlang der Strecke beseitigt werden. Die gegenwärtig vorhandenen Größenunterschiede beispielsweise bei der Gleisbreite ließen einen durchgehenden Transport nicht zu. Hinzu komme die fehlende Interoperabilität zwischen den Bahnbetreibern und den Häfen entlang der Achse.
Die Studie empfiehlt daher, dass die Strecke entsprechend den Ferrmed-Anforderungen ausgebaut wird. Diese beinhalten Regelspur, die Ausstattung mit dem europäischen Zugsteuerungssystem ERTMS (European Rail Traffic Management System) und die Eignung für Zuggewichte bis 3600 t. Der für den Ausbau erforderliche Finanzbedarf wird von Ferrmed derzeit ermittelt.
ROLF MÜLLER-WONDORF/Si
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