Schleudernder Pkw wie von Geisterhand im Griff
Panik am Steuer gehört möglicherweise bald der Vergangenheit an. Die aktive Sicherheit beim Autofahren könnte das System eines elektronisch gesteuerten Lenkungseingriffs unterstützen.
Mit dem Einzug des Elektronischen Stabilitätsprogrammes (ESP) in die Autowelt wurde in der aktiven Fahrsicherheit ein Meilenstein gesetzt. Damit ist man aber noch nicht am Ende der Entwicklung. Auf dem Internationalen SAE-Fahrsicherheits-Symposium Toptech in Wien wurde ein System vorgestellt, das sich noch in der Vorentwicklung befindet: der elektronisch gesteuerte Lenkungseingriff „Electronic Active Steering“ (EAS).
Der Grundgedanke für das EAS liegt im Verbund mit dem ESP. Denn greift das elektronischen Stabilitätsprogramm EPS mit seinem asymmetrischen Aufbau von Bremsdruck immer dann ein, wenn das Fahrzeug schon ins Schleudern gerät, setzt der elektronisch gesteuerte Lenkungseingriff EAS eine Stufe früher an: Dieser aktive Lenkungseingriff unterstützt den Fahrer so früh wie möglich, das heißt, bevor die Situation wirklich brenzlig wird und ein Bremsmanöver notwendig ist.
Manche kritische Fahrsituationen lassen sich bereits durch wirksame Lenkkorrekturen auffangen. Entsprechend wird das EAS in bestehende Lenkungssysteme eingepasst. Es wirkt nur auf die Vorderräder und unterscheidet sich grundlegend von der rein elektronischen Lenkung Steer by Wire, da die mechanische Verbindung zwischen Lenkrad und Vorderrädern beibehalten wird.
Die mit EAS befassten Bosch-Ingenieure setzen darauf, dass zur Fahrzeugstabilisierung nicht nur Reifenkräfte in Längsrichtung nützlich sind, wie sie beim Bremsen auftreten. Unter der Voraussetzung, dass sie aktiv kontrollierbar bleiben, können auch Seitenkräfte dazu beitragen, das Fahrzeug stabil zu halten. Dazu muss selbstverständlich der Einschlagwinkel an den Vorderrädern verändert werden. Zusätzlich zum Lenkwinkel des Fahrers wird ein errechneter Winkel hinzugefügt. Das leistet ein Planetengetriebe, das in der Lenksäule eingearbeitet ist. Der zusätzliche Lenkwinkel wird durch einen Elektromotor erzeugt. Bei einem Systemfehler wird der Motor gestoppt somit verbleibt dem Fahrer jederzeit die vollständige Lenkkontrolle.
Die entscheidenden Informationen erhält der elektronisch gesteuerte Lenkungseingriff vom ESP, zum Beispiel von dessen Gierratensensor. Aus der Gierrate ergibt sich, ob das Fahrzeug schleudert oder nicht. Beim schleudernden Fahrzeug tritt die Gierratenregelung in Kraft, die praktisch einen Fahrerfehler korrigiert dann verhilft das System dazu, schneller richtig zu reagieren als es der Fahrer könnte.
Eine klassische Situation für die Gierratenregelung ist der Fahrstreifenwechsel, bei dem auf einer Schneeoberfläche gebremst wird: Ohne EAS bleibt es recht schwierig, den Wagen stabil zu halten, selbst bei großem Lenkeinschlag. Mit Hilfe von EAS wird das Auto stabilisiert, die Gierratenregelung übernimmt die aktivere Rolle, indem die Gierbewegung klein gehalten wird – der Fahrer wird von größeren Eingriffen befreit und kann sich auf die Vorgabe seines gewünschten Kurs mittels Lenkrad konzentrieren.
Die EAS-Funktion Giermomentkompensation hingegen greift bei einem Fahrbahnproblem ein. Auf einer Straßendecke mit unterschiedlichem Belag (extremes Beispiel: rechts Eis, links trockener Asphalt) entsteht beim Bremsen ein Giermoment in Richtung Gegenfahrbahn, dem durch eine Lenkkorrektur entgegen gewirkt werden kann. Bis jetzt muss diese Korrektur vom Fahrer ausgeführt werden. Die Giermomentkompensation von EAS reagiert dagegen automatisch durch entsprechend dosiertes Gegenlenken. Damit hat die Giermomentkompensation zum Ziel, unerwünschtes Gieren zu vermeiden, bevor es überhaupt auftritt.
Trotz des Vorteils von Lenkungseingriffen im frühen Stadium von drohender Instabilität kann man die Bremseingriffe des ESP durch nichts ersetzen. Denn bei sehr geringen Reibwerten – beispielsweise auf Eis – nimmt die Wirksamkeit der Lenkkorrekturen ab um so wichtiger werden die stabilisierenden Eingriffe der Bremse. Die automatischen Bremseingriffe des ESP sind in derartigen Situationen entsprechend den Gesetzen der Physik noch besser geeignet, das Schleudern des Fahrzeugs zu verhindern.
Nach Auffassung der Bosch-Vorentwickler gelingt es jedoch mit dem frühen Lenkungseingriff durch EAS, das Fahrzeug in vielen Fällen frühzeitig und ohne Komforteinbuße zu stabilisieren. Demnach führt die Kombination der Lenk- und Bremseingriffe zu einem erhöhten Maß an aktiver Sicherheit, weil eine größere Bandbreite von Fahrsituationen abgedeckt wird. GUNDEL JACOBI
Eine mögliche Schleuderpartie kann mit dem Stabilitätsprogramm ESP und dem ebenfalls elektronisch gesteuerten Lenkeingriff EAS verhindert werden.
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