Plasma schafft im Gastanker Raum
VDI nachrichten, Düsseldorf, 20. 10. 06, Si – Wenn zwei der weltweit größten Flüssiggastanker in den nächsten Wochen im nordfranzösischen Saint-Nazaire ihre Jungfernfahrt starten, hat das Openair-Plasma-Verfahren dazu einen entscheidenden Beitrag geleistet. Denn erst mit Hilfe des von dem deutschen Unternehmen Plasmatreat entwickelten Atmosphärendruck-Verfahrens konnte die präzise Verklebung der zwingend notwendigen Tankisolation sichergestellt werden.
Noch wird eifrig an ihnen gearbeitet. Doch schon in wenigen Wochen sollen die beiden Schiffsgiganten von der Werft „Les Chantiers de l“Atlantique“ im nordfranzösischen Saint-Nazaire erstmals ablegen. Die vom norwegischen Schiffsbauer Aker Yards hergestellten „Provalys“ und „Gaselys“ zählen zu den derzeit größten Erdgastankern der Welt. Sie sind 300 m lang, 42 m breit, 50 m hoch, bieten in ihren vier Tanks eine Ladekapazität für 153 000 m³ Liquefied Natural Gas (LNG) – und sie starten mit einer neu entwickelten Isolationstechnik in ihrem Bauch. Diese erlaubt eine platzsparendere Abschirmung zwischen dem -163 °C kalten Flüssiggas und dem Schiffsrumpf als bisher. Bei gleicher Schiffsgröße wird durch die geeignete Materialwahl – Polyurethan-Schaum und eine dünne Verbundwerkstoffplatte – etwa 8000 m³ mehr Ladekapazität erreicht.
Wie bei den Membrantankern üblich, sind auch diese Tanks von einer Doppelschicht umhüllt. Innen, also in unmittelbarem Kontakt mit dem Flüssiggas, befindet sich eine 0,7 mm dicke Metallmembran aus Invar-Stahl (Speziallegierung mit geringem Wärmeausdehnungskoeffizienten). Dahinter liegt eine Isolierschicht aus Sperrholz und einem 10 cm dicken Polyurethan-Schaumstoff. Es folgt eine dünne „Triplex“-Platte, die erstmals bei der Isolation von LNG-Tankern eingesetzt wurde. Sie besteht aus zwei äußeren GFK- und einer inneren Aluminiumschicht. Der Materialverbund bildet eine zweite wasserdichte Sperre.
Zwischen der Triplex-Platte und dem inneren Metallrumpf des Schiffes liegt eine weitere, 20 cm dicke Schicht aus geschäumtem Polyurethan. Der isolierende Werkstoffverbund wird innen auf die doppelte Metallhülle des Schiffs geklebt. Damit die wassersperrende Schicht auch wirklich dicht ist, müssen die Nahtstellen der Verbundplatten mit flexiblen Triplex-Bändern und einem 2-K-Epoxid-Klebstoff überklebt werden. Je Tanker fallen etwa 40 km Plattenkanten an. Für eine sichere Verklebung muss die Oberfläche der Klebestellen entsprechend vorbehandelt werden. „Wir haben dafür mehrere Methoden getestet. Wirklich überzeugende Ergebnisse lieferte nur die Vorbehandlung mit Plasma“, berichtete Yves Pelpel kürzlich bei der Vorstellung der Gastanker in St. Nazaire. Laut dem Contract Manager bei Aker Yards hat diese in Deutschland entwickelte Technik als einzige die notwendigen Umwelt-, Sicherheits- und Effizienzvoraussetzungen erfüllt.
Auch wenn die Plasmatechnik beim Bau der LNG-Tanker erstmals auf der Großfläche eingesetzt wurde, so hat sich das Verfahren bei der Reinigung, Aktivierung und Beschichtung von Formteilen und Folien bereits seit längerem bewährt. „Durch den Einsatz von Plasma wurden Prozesse wie etwa das Entfernen von Trennmitteln auf Formkörpern gegenüber herkömmlichen Verfahren entscheidend rationalisiert“, erläuterte Dipl.-Ing. Christian Buske. Weitere Beispiele für den erfolgreichen „In-Line“-Einsatz von Openair-Plasma sind laut dem geschäftsführenden Gesellschafter der Plasmatreat GmbH, Steinhagen, das schichtweise Entfernen organischer Schichten, das Entlacken oder partielle Entfernen von Metallisierungen vor der Verklebung, die Herstellung von Autoscheinwerfern wie auch die Behandlung von Reflektoren.
Bei Hightech-Klebeverbindungen ermögliche das Verfahren die präzise Vorbehandlung der Klebeflächen und dadurch den Einsatz moderner lösungsmittelfreier UV-Klebstoffe. „Beispielsweise lassen sich nach entsprechender Vorbehandlung der Oberfläche Sichtfenster aus Polycarbonat in die Gehäusehalbschalen von Mobiltelefonen mit lösemittelfreien UV-Klebstoffen einkleben“, erklärt Christian Buske.
Plasma – der „Vierte Aggregatzustand“ – ist Materie auf einem hohen instabilen Energieniveau. Der Energieeintrag erfolgt über die Aggregatzustände fest, flüssig und gasförmig stets als Wärme. Die Plasmatechnik hört bei dem gasförmigen Zustand der Materie nicht auf: Wird mittels elektrischer Entladung zusätzlich Energie in die Materie eingekoppelt, so erhalten die Elektronen eine höhere kinetische Energie und verlassen die Schale. Es entstehen freie Elektronen, Ionen und Molekülfragmente. Dieser Zustand ist jedoch unter Normaldruck aufgrund seiner Instabilität kaum zu verwenden. Erst das von Plasmatreat entwickelte und patentierte Atmosphärendruck-Plasmaverfahren „Openair“ schuf neue Möglichkeiten: Durch die Entwicklung und den Einsatz von Plasmadüsen gelang es, den bis dahin industriell wenig genutzten Aggregatzustand in Produktionsprozessen auch großflächig „In-Line“ einzusetzen. Die Düsen werden einzig mit Luft, gegebenenfalls mit einem gewünschtem Prozessgas sowie mit Hochspannung betrieben.
Das austretende Plasma steht – je nach Düsengeometrie – in einem Arbeitsbereich bis 50 mm Wirkbreite oder 40 mm Behandlungsabstand wirksam zur Verfügung. Als besonderes Merkmal ist der austretende Plasmastrahl elektrisch neutral, wodurch sich die Anwendbarkeit des Verfahrens stark erweitert und vereinfacht. Die Temperatur des austretenden Plasma beträgt, abhängig von der eingekoppelten Leistung und der Bauform der Plasmaquelle, bis zu 300 °C. Dies ermöglicht sehr hohe Bearbeitungsgeschwindigkeiten. Die typischen Erwärmungen der Oberflächen während der Openair-Plasma-Behandlung bleiben dabei unter 20 °C. R. MÜLLER-WONDORF/Si
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